«Gute Ren­dite und gu­ter Städ­te­bau sind kein Wi­ders­pruch»

Im Dialog: Immobilienbranche und der SIA

Im Gespräch mit Tayfun Celiker, Ivo Cathomen und Daniel Hug vom Schweizerischen Verband der Immobilien­wirtschaft (SVIT) sowie mit Stefan Cadosch und dem Zürcher SIA-Sektionspräsidenten Dani Ménard zeigten sich zahlreiche thematische Schnittpunkte. Der Dialog wird fortgesetzt.

Date de publication
07-04-2016
Revision
07-04-2016

SIA: Produzieren Architekten heute eigentlich das, was die Immobilienwirtschaft braucht? 

Tayfun Celiker: Wenn ich mich umhöre, dann dominieren klar die positiven Beispiele der Zusammenarbeit, wo sich beider Expertise gut ergänzt. 

Stefan Cadosch: Wie dem SVIT geht es auch dem SIA um Exzellenz – nicht im elitären Sinn, sondern mit dem Anspruch, möglichst hochwertige Produkte zu realisieren, die am Markt lang bestehen können. Die Frage ist: Bauen wir in der Schweiz das, was der Nutzer auch in 20 oder 30 Jahren noch brauchen kann? Nutzungsflexibilität steht bei Neubauten heute stark im Fokus. Ich sehe es als eine spannende Herausforderung, Immobilien so zu konzipieren, dass sie kommende Entwicklung mitmachen können. Und diese Arbeit können wir am besten gemeinsam leisten. 

Dani Ménard: Ich stelle fest, dass viele namhafte Archi­tekten die Zusammenarbeit mit SVIT-Mitgliedern, mit Immobilien­experten suchen. Man spricht vielleicht nicht so häufig darüber – gerade weil es ein Erfolgsmodell ist. Ein kleineres Zürcher Im­mobilienberatungsunternehmen hat kürzlich Architekten bei Wettbewerben und Studienauf­trägen begleitet – um selbst das SIA-Raumprogramm besser interpretieren zu können. Die Architekten wiederum sensibilisiert das für die Vermarktungs- und Kunden­ziele. Sie haben so drei Wettbewerbe gewonnen. 

Für Architekten ist es – auch gestalterisch – nicht einfach, bei Gebäuden so wenig festzulegen, dass sie für eine möglichst breite Nutzerklientel vermarktbar sind. Führt der Fokus auf die Markt­gängigkeit nicht zu gesichtslosen Allerweltsimmobilien? 

Ivo Cathomen: Wir sind stark am Primat der Wirtschaftlichkeit und Marktgängigkeit orientiert. Der Planer muss bereit sein, sich diesem Primat zu unterwerfen; er sollte aber auch dagegen halten können, wenn es aus städtebaulicher Sicht angezeigt ist. Eine entscheidende Frage lautet dabei: Wie gut kann sich ein Planer hineindenken in die Perspektive des Eigentümers? Kann er diesen zugleich mit Argumenten überzeugen, die aus gestalterischer Sicht berücksichtigt werden sollten?

Cadosch: Es braucht auf Seiten des Planers einiges an Stehvermögen, um gegen alle Widerstände das Potenzial eines Projekts zu erschliessen. Jede Immobilie hat zwei Seiten: die private Seite – der Bezahlende hat das Recht, zu bekommen, was er bestellt hat; die Nutzungsfunktion will erfüllt sein. Die zweite Seite ist die Allgemeinheit; man trägt den Nachbarn, der Siedlung, dem Stadtumfeld Rechnung. 

Realisieren die Mitglieder von SVIT Immobilien für die tat­sächlichen Marktbedürfnisse? Reagieren sie auf demografische Veränderungen?

Hug: Die demografische Entwicklung, die alternde Gesellschaft, das sind auch ökonomisch wichtige Themen, denn ältere Leute haben Kapital, sind eine attraktive Zielgruppe.

Cathomen: Es wäre fahrlässig, demografische Entwick­lungen nicht zu berücksichtigen, wenn man in Immobilien investiert. Das dürfen wir niemandem unterstellen. Man muss aber auch sehen, dass diese neuen Wohn­formen nur einen Bruchteil des gesamten Wohnungsmarkts ausmachen. Manche sagen, es gibt viel zu wenig bediente Wohnungen. Ich denke aber, das stimmt nicht, denn es gibt nur einen sehr ein­geschränkten Markt für solche speziellen Wohnformen. 

Ménard: Die komplexen Probleme, die auf uns zukommen, lösen wir nur gemeinsam. Auch Planer wollen mit jeder Immobilie die bestmöglichste Rendite erzielen. Guter Städtebau und eine gute Rendite sind kein Widerspruch – es ist im Gegenteil genau um­gekehrt: Wenn der Städtebau gut ist, ist die Rendite besser und vice versa. Beide Seiten – die Immobilienwirtschaft wie auch die Architekten – müssen lernen, dies zu erkennen. 

Welche Rolle spielen technische und ökonomische Entwicklungen des Bauens? 

Cathomen: Die zunehmende Internationalisierung des Immobilieneigentums im gewerblichen Bereich, zudem die Vielzahl von Normen, Energiestandards, Zertifizierungen usw. sind eine grosse Herausforderung für uns. Ich denke, da ist eine enge Zusammenarbeit der Immobilienwirtschaft mit den Experten des Normierungswesens unbedingt notwendig. 

Cadosch: Eine grosse Herausforderung ist die energetische Umgestaltung von 1.4 Mio. Gebäuden in unserem Land. Die zweite ist die raumplanerische Umgestaltung. Beide Aufgaben hängen eng miteinander zusammen. Die gesamte Bauwirtschaft und auch der dritte Player, die Politik, sind hier gefragt. Die Menschen akzeptieren Verdichtung nach innen – also in ihrem eigenen Vorgarten – nur, wenn sie hohen qualitativen Ansprüchen genügt.

Geht der SVIT beim Trend zur Innenentwicklung aktiv mit? Setzen Ihre Mitglieder heute also stärker als bisher auf Bestands­liegenschaften?

Cathomen: Es wird recht wenig nach innen verdichtet. Und warum ist das so? Grund dafür sind die schlechten Rahmenbedingungen vonseiten der Gemeinden. Es ist viel günstiger, auf der grünen Wiese neu zu bauen. Provokant gesagt: Ich kann unseren Mitgliedern nur empfehlen, die Finger davon zu lassen, etwa in Zürich einen Ersatzneubau zu errichten oder in einer genossenschaftlichen Siedlung ein Haus aufstocken zu wollen – weil
weder das eine noch das andere reibungslos genehmigt wird. 

Das heisst, die Politik hat ein raumplanerisches Ziel proklamiert, lässt die Baubranche nun aber mit dessen Umsetzung allein, ja behindert sie teilweise? 

Cathomen: Die Baunutzungsordnung von Zürich ist wie eine heisse Kartoffel, die sich die Beteiligten hin und her schieben. Die aktuellen Rahmenbedingungen machen Innenverdichtung einfach nicht attraktiv.

Ménard: Dem würde ich gern widersprechen. Es gibt in Zürich 90-jährige Siedlungen, wo mit innerer Verdichtung doppelt so viel Wohnfläche geschaffen werden konnte. Aber der Stadt sind – z. B. bezüglich Aufzonung – die Hände gebunden. Sie muss sich an die kantonalen und föderalen Gesetze halten. Es gibt durchaus Verdichtungspotenziale – um sie zu erschliessen, braucht es meiner Meinung nach nur kleine Korrekturen am Baugesetz, um das Potenzial für rund 80 000 prognostizierte zusätzliche Bewohner bis 2035 ausschöpfen zu können. Dieses Thema birgt ebenfalls Poten­zial für die Zusammenarbeit mit dem SVIT. 

Cathomen: Wie beurteilen Sie als Planer die starke Einflussnahme der Baubewilligungsbehörde in Planung und Gestaltung der Gebäude? Für viele Eigentümer in Zürich ist das ein grosses Ärgernis.

Ménard: Die Baubewilligungsbehörde ist sehr kunden­orientiert und nimmt im Gegensatz zum Amt für Städtebau keinen starken Einfluss. Das Amt für Städtebau hat ein Auge auf die gesellschaftliche Verantwortung der Planung, und das finde ich nicht verkehrt. Dennoch sollte sich das Amt stärker auf seine Kern­themen konzentrieren, also auf den Städtebau, auf Fragen der Vo­lumen, der Dichte, der Höhe, der Proportionen, uns aber bitte nicht bei der Fassadengestaltung rein­reden. Da haben wir eine ähnliche Haltung. 

Was sind Aufgaben, bei denen Sie Synergien sehen und denken, diese können SVIT und SIA ­gemeinsam angehen?

Hug: Etwa bei der Aus- und Weiterbildung. Hier engagieren wir uns intensiv, denn uns beschäftigt schon die Frage: Was muss ein Immobilienbewirtschafter oder Vermarkter in fünf oder zehn Jahren können? Hier kann ein Austausch mit den Experten des SIA sicher hilfreich sein. 

Ménard: Es gibt eine Reihe von Schnittstellen zwischen dem SIA und dem SVIT. Ich hätte noch eine Fülle von Ideen, wo man anknüpfen könnte, und Dinge, bei denen man Potenziale sieht, insbeson­dere in den SIA-Leistungsphasen 1 und 6. Ideen und Anliegen für eine engere Zusammenarbeit haben beide Seiten sicher zahlreiche.

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