Pro­fa­ner Find­ling hin­ter sa­kra­len Mauern

Studienauftrag Kloster Wesemlin, Luzern

Die Kapuziner von Luzern investieren in ihre Zukunft: Im neu genutzten Klostergarten entsteht eine Wohnanlage. Die Architektur stammt von Daniele Marques, die Landschaft gestalten Appert Zwahlen Partner.

Date de publication
08-10-2015
Revision
10-11-2015

Im Mittelalter waren Klöster die Stützen europäischer Kultur. In ihren Bibliotheken speicherten sie Wissen, das sie an den eigenen Nachwuchs und teilweise an die Bevölkerung weitergaben. Aber auch in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht spielten sie eine wichtige Rolle. Sie besassen oft Ländereien und beherbergten produzierendes Gewerbe, wovon heute noch erhaltene Ökonomiegebäude innerhalb und ausserhalb der Klostermauern berichten.  

Gewandelter Kontext 

Inzwischen hat sich die gesellschaftliche Bedeutung der Klöster stark gewandelt. Einige sind bereits verlassen, andere kämpfen mit der Überalterung und schrumpfenden Mitgliederzahlen: Eine Weiterentwicklung ist nicht nur wichtig, sondern unabdingbar. 

Dies trifft auch auf das Kapuzi­ner­kloster im Wesemlinquartier der Stadt Luzern zu. Das vom Ratsherrn Kaspar Pfyffer gestiftete und 1589 fertiggestellte Kloster lag lange Zeit ausserhalb der Stadt. Als Bastion im ländlichen Raum diente es dem Bettelorden als Stützpunkt, um in der umliegenden Region seiner seelsorgerischen Arbeit nachzugehen. Während sich die Stadt immer mehr ausbreitete und das Kloster schliesslich umschloss, wurde auch innerhalb des Klosterareals kontinuierlich weitergebaut. Der letzte grössere Eingriff ist der Anbau des Südosttrakts aus dem Jahr 1957. 

Wichtig für das Kloster ist jedoch nicht nur der bebaute Raum, sondern insbesondere der Klostergarten. Dieser bildet inzwischen einen wertvollen Freiraum innerhalb der städtischen Landschaft. Um die notwendigen Veränderungen anzugehen und seelsorgerisch aktiv zu bleiben, findet im Wesemlin eine Öffnung der Klostermauern statt. Während sich die Kapuzi­ner in den ursprünglichen Kloster­bereich zurückziehen, werden die Räumlichkeiten des Südosttrakts an Fremdnutzungen wie etwa ein Ärzte­zentrum vermietet. Dieses Jahr wurden die dafür notwendigen Umbauarbeiten abgeschlossen. Mit dem Konzept «Oase-W» will man den Klostergarten öffnen, als spirituelles Zentrum Akzente setzen und sogar kloster­nahes Wohnen ermöglichen. 

Dieser Idee folgend wurde ein Studienauftrag einge­leitet, der auf einer Machbarkeitsstudie von Deon Architekten aus Luzern fusst. Acht gemischte Teams aus Architektur und Landschaftsarchitektur haben am Verfahren teil­genommen. Es galt, auf der zuvor eingezonten Fläche auf dem ­Klosterareal einen Neubau für ­Wohnungen zu platzieren und ein Gestaltungskonzept für den Garten auszuarbeiten. Die Her­ausforde­rungen für den Entwurf des Neubaus waren vielfältig. So sollte der Bestand respektiert, möglichst viel Fläche für den Garten erhalten und gleichzeitig ein Raumprogramm mit 28 2.5- und 3.5-Zimmer-­Woh­nungen untergebracht werden. Ergänzt wird das Nutzungs­konzept um zwei Wohngemeinschaf­ten und eine Fläche von 200 m2 für die Kombination aus Wohnen und Arbeiten, samt den entsprechenden Nebenräu­men und der obligaten Tiefgarage.

Anpassen oder abheben

Anhand der Resultate lassen sich unterschiedliche Strategien im Umgang mit dem Bestand ausmachen. In der Tradition des Weiterbauens übten sich beispielsweise die Autoren der Machbarkeitsstudie, die ebenfalls zum Verfahren zugelassen waren: Deon Architekten knüpfen nahtlos an den Bestand an. Andere wie etwa Seiler Linhart Architekten lösten den Neubau räumlich vom Kloster ab, suchten jedoch über die Gebäudehöhe und Materialisierung eine Annäherung.  

Das Klostergebäude zu kontrastieren zeigte sich als dritte ­Möglichkeit. Das Siegerprojekt des Teams um Daniele Marques rückte möglichst weit vom Klosterbau weg und orientierte sich bei der Fassadengestaltung an den Ökonomie­gebäuden. Als einzige Teilnehmer entwarfen sie ein hohes Gebäude mit kleinem Fussabdruck. Dies ermöglichte es, den Gartenbereich nur wenig zu tangieren und gleichzeitig eine vom Kloster losgelöste Fas­sa­dengestaltung anzugehen. Darin sieht Daniele Marques klare Vorteile: «Ein direkter Anbau hat nicht nur die Gebäudehöhe zu respektieren und zieht sich dadurch in die Länge, sondern muss auch das Öffnungsverhalten am Bestand anlehnen. Dies ist aufgrund der Wohnnutzung mit dem Bedürfnis nach grosszü­gigem privatem Aussenraum und hellen Innenräumen schwierig. Unser Entwurf sieht sich in Kontrast zum Klostergebäude, was die sechs Geschosse und die offene Fassadengestaltung aus Holz erlaubt.»  

Der Blick über die Klostermauer zeigt, dass sich der Entwurf nicht nur an den Ökonomiegebäuden orientierte, sondern auch Aspekte des Quartiers aufnimmt. Insbesondere die Ausrichtung des quadratischen Grundrisses geht auf das direkte Nachbargebäude im Quartier zurück. Dies soll gemäss Daniele Marques eine Verknüpfung zwischen dem Klosterareal und dem Quartier bewirken und ist auch für die Ausrichtung der Wohnungen sinnvoll. Dem Neubau kommt zu­gute, dass das Niveau innerhalb der Mauern tiefer liegt und er dadurch die umliegenden Gebäude nur geringfügig überragt. Zudem kaschieren die bestehenden Bäume das Volumen. 

Bei der Erschliessung setzten viele der Teilnehmenden auf die im Kloster vorhandene Typologie des zentralen Hofs. Auch das Sieger­team operierte damit, komprimierte den Hof allerdings zu einem grosszügigen Treppenhaus. Diese Massnahme half – im Gegensatz zu anderen Projekten –, den Fussabdruck klein zu halten. Eine Verbindung zum Aussenraum entsteht mittels Oberlicht und einer vergleichbaren Materialisierung wie in den Fassaden.

Während die Architekten die kommenden Herausforderungen vor allem in der technischen Umsetzung der anspruchsvollen Holzkonstruktion sehen, macht sich die Bauherrschaft in erster Linie Gedanken um die Einhaltung des engen Kostenrahmens. Gut denkbar, dass sich der reine Holzbau zu einem hybriden Konstrukt wandelt, um den beiden genannten Ansprüchen gerecht zu werden. Für Daniele ­Marques bleibt jedoch Bedingung, dass die hölzerne Fassade nicht zur reinen Hülle verkommt, sondern wie angedacht auch strukturell eine Rolle spielt. Die Darstellung der Fassaden deutet jedoch nicht auf eine einfache und kostengünstige Bauweise hin. 

Gelingt es dem Projekt, die Identität des ­Bettelordens adäquat widerzuspiegeln? Und bleiben die Kosten im vorgegebenen Rahmen? Diese Fragen sind doppelt berechtigt, denn schliesslich ist der geplante Neubau im weitesten Sinn auch ein Öko­no­miegebäu­de, das über den Mietzins den Unterhalt des Klosters sicherstellen soll. Finden Bauherrschaft und Architekten in der laufenden Weiterentwicklung die passenden Ant­worten auf die gestellten Fragen, erhält das Kloster zweifelsohne eine wertvolle Erweiterung. 

Architektur und Landschaft: zwei Prämierungen – eine Lösung
Die Entwürfe für das Gartenkonzept im Kloster Wesmelin bauten auf der Vorstudie von Steiner Sarnen Schweiz auf. Erklärte Absicht ist, den Geist des bestehenden Gartens aufzunehmen und die vier grundlegenden Bestandteile wieder in Form zu bringen. Der Eingangsbereich, der gestaltete Garten, der Mauerweg und die Wiese bildeten das Grundgerüst, das es auszufüllen galt. Am besten setzten dies Appert Zwahlen Partner um. Das Ungewöhnliche an diesem Studienauftrag war, dass Architektur- und Landschaftsprojekt von den Planern zwar in einer eng aufeinander abgestimmten Abgabe entworfen werden mussten, aber eine separate Prämierung der Projektteile erfolgte. Dahinter steckt eine Forderung der Stadt Luzern – und der Umstand, dass für die beiden Projekte eine unterschiedliche Finanzierung geplant ist und die Umsetzung nicht gleichzeitig erfolgt. Bei diesem Vorgehen war die Gefahr gegeben, dass zwei voneinander unabhängige Projekte gewinnen könnten, die konzeptionell nicht kompatibel ­wären. Dem weiteren Projektverlauf kommt sicher zugute, dass «Francesco» in beiden Kategorien gewonnen hat und somit beide Entwürfe aus der Feder desselben Teams stammen. 

Auszeichnungen
 

Auszeichnungen Neubau

1. Preis «Francesco»: Daniele Marques Architekten, Luzern, im Team mit Appert Zwahlen Partner, Cham
2. Preis «Tra la Terra e il Cielo»: Carlen Parini Architekten, Luzern, im Team mit Bischoff Landschaftsarchitektur, Baden
3. Preis «Dans la cour»: Seiler Linhart Architekten SIA BSA, Luzern/Sarnen, im Team mit Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich

 

Auszeichnungen Klostergarten

1. Preis «Francesco»: siehe oben
2. Preis «Mauersegler»: Staufer & Hasler Architekten BSA SIA, Frauenfeld, im Team mit Rotzler Krebs Partner, Landschafts­architekten BSLA, Winterthur
3. Preis «Cornelius»: Deon dipl. Architekten ETH BSA SIA, Luzern, im Team mit Beglinger + Bryan Landschaftsarchitektur, Luzern

 

Weitere Teilnehmende

«Habitat»: ARGE Cometti Hans Truffer Norbert und Roman Hutter, Luzern im Team mit Fahrni Landschaftsarchitekten, Luzern
«Ensemble»: Graber Pulver Architekten, Bern/Zürich, im Team mit Maurus Schifferli Landschafts­architektur, Bern
«Muralis»: Graber & Steiger Architekten, Luzern im Team mit koepflipartner, Landschaftsarchitekten BSLA, Luzern

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