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8. Kongress der Messe «Natur 2013»

Der Kongress zur Messe «Natur 2013» in Basel fordert, den notwendigen Wandel zu einer nachhaltig lebenden Gesellschaft ohne Zeitverlust anzugehen.

Publikationsdatum
06-03-2013
Revision
23-02-2016

«Handle jederzeit so, dass die Folgen deines Handelns mit dem Fortbestand authentisch menschlichen Lebens auf Erden verträglich bleiben.»1 Diese Worte des deutschen Philosophen Hans Jonas stellte Peter Sloterdijk ins Zentrum seiner Rede am Kongress der Messe «Natur» am 1. März in Basel und legte damit so etwas wie ein Fundament für die Tagung.
Diese 8. Ausgabe des Kongresses zur «Natur 2013» kann mit Fug als geballte Ladung charakterisiert werden. Nebst Peter Sloterdijk kamen Roger de Weck, Generaldirektor SRG, Bundesrat Alain Berset sowie Achim Steiner, Generaldirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, zu Wort. Eindrücklich war das Plädoyer von de Weck für die Qualität eines langsamen und überlegten Handelns auch im Blick auf die Medien. Im Wort «Nachricht» stecke ja auch der Begriff, wonach man sich richte. Vertrauen in die Qualität von Medien verlange nach Kontinuität und langfristigem Wirken. Berset verwies auf den vor 50 Jahren in die Verfassung aufgenommenen Artikel zum Natur- und Heimatschutz, der Natur und Kultur, das Gebaute und das organisch Gewachsene umfasst. Er beschwor eine nachhaltige Entwicklung, die in allen gesellschaftlichen Bereichen Staatsziel sein müsse. Zugleich warnte Berset vor einer rhetorischen Übernutzung des Begriffs Nachhaltigkeit, der nicht zu einem Lippenbekenntnis verkommen dürfe. Es sei zudem klar geworden: «Das Primat des Wirtschaftlichen schafft keine nachhaltigen Lösungen.»

Welche Zukunft wünscht sich die Jugend 

Ein Dialog zwischen der Nationalratspräsidentin Maya Graf und der Uno-Jugenddelegierten der Schweiz 2012, Lucie Rosset, suchte Antworten auf die Frage, nach welcher Zukunft sich die Jugend sehnt. Rosset fragte kritisch und pointiert nach der politischen Verantwortung und einem langfristigen Denken. Graf räumte ein, dass seit mindestens zwei Jahrzehnten klar sei, was zu tun ist, aber es mangele am Willen, entsprechend zu handeln. Lucie Rosset forderte, sowohl global als auch im Kleinen ein ökologisches Gleichgewicht anzustreben und entsprechend so zu handeln, dass sich der ökologische Fussabdruck deutlich verkleinere.

Unternehmen als Treiber oder Mitläufer 

Vier in wirtschaftlichen Schlüsselstellungen tätige Frauen debattierten Fragen zum Wertewandel als Folge einer nachhaltigen Entwicklung. Nachhaltigkeit müsse im ökologischen und sozialen Sinn integraler Bestandteil einer Geschäftstätigkeit sei, betonte Sibyl Anwanden, Leiterin Nachhaltigkeit und Wirtschaftspolitik bei Coop. Der Konzern Unilever, weltweit tätig in den Bereichen Gesundheit und Nahrungsmittel, sehe Nachhaltigkeit als zentralen Bestandteil der Geschäftsstrategie, versicherte Monique Bourquin, CFO von Unilever Deutschland, Österreich und Schweiz. Und auch Antoinette Hunziker-Ebneter (CEO Forma Futura Invest, Zürich) sowie Suzanne Thoma (CEO BKW, Bern) versicherten, dass sie und ihre Firmen ein ökologisches, langfristig umweltverträgliches und damit nachhaltiges Handeln als Pflicht betrachten. Mit Charme und Witz, aber dennoch kritisch fragte Robin Cornelius, Präsident der Textilunternehmung Switcher, nach und versuchte herauszufinden, ob ein nachhaltiges Engagement der beim Podium vertretenen Firmen tatsächlich vorhanden oder bloss vorgegeben sei. Diese liessen sich nicht aufs Glatteis führen und belegten mit Zahlen und Zitaten von entsprechenden Auszeichnungen ihr Engagement glaubhaft.

Grüne Schatzkammer Jurapark als Beispiel

In 20 Workshops verteilt diskutierten die 600 Teilnehmenden des Kongresses Einzelthemen, die von der Kunst als Retterin des ökologischen Diskurses bis hin zu Fragen der Windenergie reichten. In der Diskussionsrunde zum Thema «Wirtschaft, Naturschutz und Politik» wurde am Beispiel des von der Abteilung Landschaft und Gewässer des Kantons Aargau initiierten Projekts Jurapark gezeigt, wie Konsenslösungen zwischen Wirtschaft, Politik und Naturschutz erfolgreich sein können. Dabei wurde auch der Begriff «Vertragsnaturschutz» erwähnt, beim vorliegenden Projekt Jurapark, das 245 km2, 29 Gemeinden und insgesamt 38'000 Einwohner betrifft, ein wohl treffendes Wort. Diese «Grüne Schatzkammer» zwischen den Städten Zürich und Basel wird mit einem Jahresbudget von 1,2 Millionen Franken verwirklicht und zu 43% durch den Bund gestützt. Die Gemeinden tragen mit einem Fünfliber-Beitrag pro Kopf dazu bei. Die Abteilung Wald des Kantons Aargau hat in diesem Rahmen zudem ein Eichenprojekt lanciert, das in einzelnen Parkgemeinden verankert ist. Bis 2020 soll so ein grünes Netzwerk mit Reservaten für Altholz, Eiche, Waldränder, Auen usw. entstehen, das gleichzeitig genossen, erlebt und genutzt wird.

Den Wandel ohne Zeitverlust angehen

Weltklima, Meeresverschmutzung und Biodiversität nennt Lucie Rosset als Umweltprobleme, die ihr am meisten Sorge machen. Auch wenn zwar Spezialisten für einzelne Probleme da seien, jedoch niemand die Kapazität habe, das Ganze zu überblicken, sei wesentlich, Werte und Ideale zu bewahren und diesen treu zu bleiben, findet die Studentin der Geo- und Umweltwissenschaften. Einig waren sich alle: Natur, Umwelt und nachhaltige Entwicklung müssen Grundlage unserer künftigen Lebensqualität sein. Achim Steiner, Generaldirektor des Uno-Umweltprogramm UNEP, forderte zum Abschluss des Kongresses klar einen umfassenden ökologischen Diskurs aller, der Unternehmen so gut wie der Politik und auch der Bürger, deren Engagement in der Sache letztlich die Leitlinien bestimmen werden. Und Peter Sloterdijk unterstrich mit seinem ökologischen Imperativ die Dringlichkeit der Problemlösungen in diesem umfassenden Bereich und postulierte: «Handle so, dass durch die Folgen deines Handelns keine weiteren Zeitverluste der im Interesse aller unumgänglichen Wende entstehen.»

Anmerkung

  1. Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt am Main 1979, S. 36.

Die Videomittschnitte der Referate finden Sie hier.

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