Wie­der­auf­bau auf ja­pa­nisch

Tagung und Umstellung am MAK Center, Los Angeles

Das Erdbeben am 11. März 2011 war das stärkste in Japan jemals gemessene. Eine Ausstellung und ein Symposium am MAK Center in Los Angeles präsentierten nun die Wiederaufbauplanungen der japanischen Architekten.

Publikationsdatum
05-12-2014
Revision
01-09-2015

Das Erdbeben mit der Stärke 9 war auch das viertgrösste weltweit jemals gemessene Beben. Der anschliessende Tsunami erreichte 30 Minuten später mit einer 12–30 m hohen Flutwelle die Küste Japans und löschte 500 km Küstenlinie auf einer Breite von 10 km aus. Die fehlerhafte Kühlung des Atomkraftwerks Fukushima Daiichi führte zu dessen Explosion. Mehr als 20 000 Menschen starben, 470 000 verloren ihr Zuhause und 100 000 wurden evakuiert und kehrten nicht mehr in die Region zurück. 

Das Symposium und die Ausstellung «Groundswell: Guerilla Architecture in Response to the Great East Japan Earthquake» zeigen die Versuche der japanischen Architekten, frustriert von den langsamen und ineffizienten Massnahmen der Regierung, unmittelbar auf die Katastrophe zu reagieren. 

Wiederaufbau in der Gemeinschaft

Erschwerend zu den Aufbauarbeiten kam hinzu, dass die verwüsteten Landstriche bereits vor der Katastrophe von Abwanderung und Überalterung betroffen waren. Die Fischerdörfer mussten auch wieder an der Küste aufgebaut werden. Der Staat plante Szenarien wie eine grosse Wand als Damm zu erstellen, die Städte um 10 m anzuheben, oder sie weiter ins Landesinnere oder auf einen Berg zu verlegen. Bürokratische Unklarheiten bei den Zuständigkeiten führten dazu, dass alle gleichzeitig planten und am Ende oft die hohe Wand, die den gesamten Strand unzugänglich macht, gewählt wurde. 

Im Gegensatz dazu stehen die informellen Versuche der Architekten, die eigene Initiativen starteten. Gebündelt wurden sie im Netzwerk Archi+Aid. Dessen Organisator, Hitoshi Abe, Direktor der Architekturfakultät an der University of Los Angeles (UCLA), sammelte die Anfragen, die sich an sein Büro in Sendai wandten. Daraus entwickelte sich ein persönliches Netzwerk, an dem am Ende 1300 Architekten beteiligt waren. 

Das Symposium zum Auftakt der Ausstellung präsentierte einige dieser Initativen, die sich jeweils durch eine spezifische Herangehensweise auszeichnen, sich aber in einem Punkt gleichen: Die gesamte Wiederaufbauarbeit und architektonische Konzeption wurde in und mit den Dörfern ausgearbeitet und lokale Architekturschulen in den Prozess integriert. 

Dieser Ansatz war am effektivsten, wie das Beispiel der Architekten von Atelier Bow-Wow zeigte. Er umfasste nicht nur die physische, sondern auch die psychische und ökonomische Wiederaufbauarbeit. Die Architekten entwickelten aus der Analyse der zerstörten Städte und Häuser vor Ort in einem Workshop ein «A Pattern Book for Reconstruction Planning» und erstellten einen Prototypen, das «Core House», das als Ein-Zimmer Haus aus vorgefertigten Elementen selbst aufgestellt werden kann.

Projekte von Hitoshi Abe, Manabu Chiba und Riken Yamamoto versuchen, den Zwischenraum «engawa» zwischen öffentlichem und privatem Raum neu zu definieren, was den bisherigen Standardtypen an Temporärbehausungen fehlte, die Menschen aber in ihr soziales Umfeld im täglichen Umgang einbindet. Vom einzelnen Haus abgeschaut, werden diese Bänke oder Veranden in grossen Siedlungskomplexen in Gemeinschaftsräume umgewandelt. 

Integration, Trauerarbeit und Tourismus

Es gibt aber auch andere Ansätze, mit dem Chaos umzugehen: Ein Projekt von Osamu Tsukhashi mit Studenten versteht sich als Trauerarbeit und rekonstruiert in riesigen Modellen zerstörte Stadtzentren. Die Besucher der Ausstellungen können ihre eigenen Geschichten integrieren, wodurch die Erinnerung und die gleichzeitige Aufarbeitung der Katastrophe bewerkstelligt wird. Bisher sind über 30 dieser Modelle entstanden.

Der Versuch der Wiederbelebung der Region wird vom Architekten (und begeistertem Velofahrer) Manabu Chiba mittels einer jährlichen Velotour unternommen, während der er das lokale Gewerbe und die Handwerkstradition unterstützen und die Region als Tourismusdestination bekannt machen will.

Ein ähnliches Konzept verfolgte der Workshop von Senhiko Nakata: Hier wurde ein traditionelles japanisches Tuch mit dem Design von abstrahierten Wellen entworfen. Es erinnert an die Vorkommnisse und gibt gleichzeitig Hoffnung auf die Regeneration. Der Verkauf kommt den Leidtragenden des Tsunami zugute. 

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