Von Cu­no­vo ler­nen

Sheet Flow

Bei Bratislava wurde die weltweit erste und einzige kommerzielle Surfwelle in einem Fliess­gewässer installiert. Nach zwei Jahren Planung wurde die beplankte Stahlkonstruktion in nur drei Monaten errichtet. Der Planer, selbst Surfer, schildert seine Sicht der Dinge.

Publikationsdatum
29-12-2014
Revision
05-10-2015

Wellenreiten auf Flüssen hat in den vergangenen Jahren einen rasanten Aufschwung erlebt. An schönen Tagen wird es bereits eng auf den konstant laufenden und gut erreichbaren Wellen in Mitteleuropa. Vielerorts gründen sich Welleninitiativen, um den Bau von Flusswellen voranzutreiben. Erfolgreiche Beispiele sind bisher allerdings ­Mangelware. In Österreich scheiterten mehrere Pro­jekte – eine Katastrophe für den Sport, da die Entscheidungsträger zunehmend die technische Machbarkeit anzweifeln und sich die Finger nicht verbrennen wollen. Die Fehler wären aber mit fachmännischer Planung und Ausführung vermeidbar gewesen.

Der Grundstein für den Misserfolg wird bereits in der Konzeption mit der Wahl des Standorts und der Bauweise gelegt. Während der Standort noch mit vergleichsweise einfachen Mitteln überprüft werden kann, herrscht bei der Bauweise ­Uneinigkeit. Technisch aufwendige und kosteninten­sive Baumassnahmen können neben der Finanzierbarkeit auch am Widerstand der Öffentlichkeit scheitern, und das ist durchaus nachvollziehbar. Die Erfahrungen aus dem Bau der Welle in Cunovo haben zur Entwicklung einer allgemein anwendbaren, vergleichsweise einfachen Wellenbaumethode in Fliessgewässern geführt.

In Anlehnung an die NÖT (Neue Österreichische Tunnelbauweise) wurde diese Wellenbaumethode AWM (Austrian Wavebuilding Method) genannt. Hintergrund ist die Analogie zwischen Gebirge und Fliessgewässer als komplexes, nicht vollständig beherrschbares Me­dium. Ziel der AWM ist die möglichst ressourcen- und umweltschonende Umsetzung von Wellenprojekten (vgl. Planungsgrundsätze). 

Möglichst viele Surftage pro Saison

Grundlage eines erfolgreichen Wellenprojekts ist eine ausreichend genaue Kenntnis der hydrologischen Verhältnisse, um ein Bemessungswasserstandsspektrum festlegen zu können. Dabei sind auch sicherheitstechnische (Nutzersicherheit), hygienische (Wasserqualität) und betriebswirtschaftliche Überlegungen relevant. Die Frage ist, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Wasserstand vorherrscht, der innerhalb des Bemessungswasserstandsspektrums und der gewünschten Jahreszeit liegt. Vereinfacht: Wie viele Surftage pro Saison sind möglich? Eine Baumassnahme, die nur an wenigen Tagen im Jahr eine Welle erzeugt, ist eine Fehlplanung. 

Der Vorteil am Projekt Cunovo ist der konstante, wenn auch geringe, aber weitgehend sedimentfreie Zufluss aus einem grossen Staubecken im Oberwasser. Als nachteilig zu bezeichnen sind der vom Oberwasser entkoppelte und stark variierende Unterwasserstand, die nicht ebene Gerinnesohle und das eingestaute Baufeld1. Ein Unterschied zum Bauen im natürlichen Fliessgewässer ist zwar vorhanden, aber er ist kleiner, als man auf den ersten Blick vermuten würde. 

Hydraulik der Welle

In Cunovo war es erforderlich, die am Kanalende – der bevorzugten Lage – fehlende Fallhöhe durch ein Wehr zurückzugewinnen. Der Wehrrücken dient der Umwandlung von potenzieller in kinetische Energie und ist ein Kompromiss aus wirtschaftlicher Bauweise (Trägerlänge) und hydraulischen Anforderungen (Neigung des Geschwindigkeitsvektors). Am Fusspunkt strömen die Wassermassen über eine veränderliche Länge horizontal, um anschliessend durch ein Rampenbauwerk wieder hangaufwärts gerichtet zu werden (vgl. Schema). Es kommt zu einer Rückumwandlung von kinetischer in potenzielle Energie und Druckhöhe (Wassertiefe) bei gleichzeitiger Reduktion der Fliessgeschwindigkeit. Der Satz von Bernoulli liefert dafür die theo­retischen Grundlagen. Das Rampenbauwerk gibt die Strömungsrichtung vor, bestimmt die Form der Welle und entkoppelt sie weitgehend vom Unterwasser. Mit zunehmender Höhe des Unterwassers wird die Welle bis hin zu einer kritischen Höhe positiv beeinflusst (steilere Welle), darüber hinaus ist der Einfluss aufgrund der Potenzialreduktion negativ und führt bei weiterem Anstieg zum Zusammenfallen der Welle. Während der Oberwasserspiegel der Welle von der Stellung des Wehrs abhängt, wird die Höhe des Unterwassers von einem ungarischen Kraftwerksbetreiber bestimmt (Ober- und Unterwasser ist entkoppelt). 

Von Walze zu Welle

Der instationäre Zustand (veränderlicher Abfluss über die Zeit) beginnt in Cunovo mit dem Öffnen der Einlaufschütze im Staubecken. Die Wassermassen schiessen durch den Kanal und treffen an dessen Ende auf das Wehr der Wellenkonstruktion, werden aufgestaut, beginnen über den Wehrrücken in das Wellenbecken zu strömen und füllen dieses vollständig auf. Nach etwa zehn Minuten ist im Oberwasser ein stationärer Zustand erreicht, während im Wellenbecken starke Turbulenzen vorherrschen, die als instationärer Abflusszustand oder Weisswasserwalze bezeichnet werden können.

Es dauert rund zehn weitere Minuten, bis sich langsam ein zunehmend stationärer Zustand einstellt, der plötzlich, durch das sogenannte Ausspülen der Welle, in eine stationäre grüne Welle übergeht. Einmal erreicht, erweist sich dieser Zustand als überraschend stabil. Sogar erhebliche Energieentnahmen (Bewegung eines oder mehrerer Surfer) und Turbulenzen durch Störströmungen (z. B. Kehrwasser, steigender Unterwasserspiegel, seitliche Einfahrten von Kanuten) sind für die Aufrecht­erhaltung der Welle bis zu einem gewissen Mass verkraftbar. Werden die Störeinflüsse zu gross, kommt es teilweise oder ganz zum Zusammenfallen der Welle. 

Grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Ansätze, um surfbare Wellen zu erzeugen. Ein Ansatz beruht auf der Annahme, dass eine Surfwelle am Wechselsprung auftritt. Die Froude-Zahl dient in der Literatur zur ­Beschreibung des Übergangs und der damit einher­gehenden Welle bzw. Walze. Für den Autor dient der Wechselsprung im Wasserbau einzig der Energievernichtung, sorgt für gefährliche Turbulenzen und kann nur mit viel Glück eine surfbare Welle von – im Ver­hältnis zu der zur Verfügung stehenden Energie – geringer Qualität erzeugen. Möglich ist dies nur in Verbindung mit hohen spezifischen Abflüssen, die in der Regel nur bei Hochwasser erreicht werden. Der zweite Ansatz, jener von Cunovo, basiert auf einer baulichen Anlage, die die Grundform der Welle vorgibt. Die Froude-­Zahl ist dabei keine relevante Bemessungsgrösse mehr. 

Was darf eine Welle kosten 

In der Bauwirtschaft orientieren sich die Preise üblicherweise an der Energie (Lohn, Material und Gerät), die zur Herstellung benötigt wird. Geht man davon aus, dass eine Welle ähnlich wie ein Kleinwasserkraftwerk konzentrierte Energie (Wasserkraft) zur Verfügung stellt, kann man die Wirtschaftlichkeit einer Investi­tion unter Berücksichtigung der hydraulischen Randbedingungen und der Lebensdauer berechnen – oder anders herum, eine wirtschaftliche Investitionssumme unter gewählten Randbedingungen festlegen.

Betrachtet man die Welle in Cunovo mit ihrer Jahresleistung von 170 MWh bei einer reinvestitionsfreien Laufzeit von ­geschätzten zehn Jahren, kann man unter Ansatz eines fiktiven Energiepreises (z. B. 0.05 €/kWh) eine wirtschaftliche Erst­investitionssumme errechnen. Zugegebenermassen ist dieser Ansatz vereinfacht und berücksichtigt keine Umwegerentabilitäten oder Risiken. Er soll aber veranschaulichen, dass wirtschaftlich vertretbare Investi­tionen bei Wellenanlagen je nach Jahresleistung in einer Grössenordnung von 100.000 bis 200.000 Euro liegen und nicht beim Zehnfachen davon.

Vergessen werden darf auch nicht, dass hohe Investitionskosten in der Regel mit hohen Rückbaukosten verbunden sind, die den Errichtungskosten zugeschlagen werden müssen. Ziel der AWM ist es, finanzierbare Wellenbauwerke auch in kleineren Kommunen möglich zu machen. Dies kann nur gelingen, wenn der negative Einfluss auf die Umwelt und die Kosten in vertretbarem Rahmen bleiben.

Josef Bauer hat Kulturtechnik und Wasserwirtschaft an der Universität für Bodenkultur Wien absolviert. Er ist Planer der Surfwelle in Cunovo, Bratislava (Slowakei). 

Anmerkungen
Mit «eingestaut» ist gemeint, dass das Baufeld, auch wenn der Kanal ausgeschaltet ist, geringfügig unter Wasser liegt. Dies führte dazu, dass ein Trockendock gebaut werden musste – was Erschwernisse beim Bau und Kostensteigerungen nach sich zog.

Verwandte Beiträge