Uni­ver­si­tät Mi­sé­ri­cor­de in Fri­bourg - Be­ton­klas­si­zis­mus und Mo­der­ne

Die 1941 eingeweihte Universität Miséricorde an der Avenue de L’Europe in Fribourg zählt zu den bedeutendsten Betonbauten der Schweiz. Während des Zweiten Weltkriegs wurde sie in nur drei Jahren errichtet. Eine neue Publikation widmet sich ihrer Entstehungsgeschichte.

Publikationsdatum
27-05-2015
Revision
01-09-2015

Seit 1990 steht das markante Betongebäude unter Denkmalschutz. Eine Publikation, die anlässlich der Einweihung erschien, zeigte einen vertieften Einblick in das monumentale Bauwerk. Leider ist sie vergriffen. Das Freiburger Architekturforum hat sie daher zu seinem zehnjährigen Bestehen 2014 neu aufgelegt. 

Das Faksimile der alten Festschrift von 1941 gibt den Lesenden in französisch und mit vielen historischen Bildern einen detaillierten Beschrieb der Architektur, vertiefte Ausführungen im Bereich des Ingenieurwesens und ein Abbild der regionalen Industriekultur in Form von zahlreichen Inseraten. Wie Cyrill Haymoz im Vorwort richtigerweise erwähnt, hat die alte Baubroschüre, die die zahlreichen innovativen Ideen der damaligen Technik in ihren Anhängen abbildet, heute geradezu didaktischen Charakter.

Textbeiträge in französisch und deutsch von Christoph Allenspach, Eugen Brühwiler, Claude Castella, Sébastien Radouan und Verena Huber Nievergelt ergänzen die Festschrift, ein weiterer Teil vervollständigt die Publikation mit aktuellen Fotografien von Yves Eigenmann, Heinrich Helfenstein, Primula Bosshard, Jérôme Humbert und Dominique Marc Wehrli.

Neu thematisiert werden die Einflüsse des Klassizisten Auguste Perret und des modernen Avantgardisten Le Corbusier auf den jungen Architekten Denis Honegger (1907–1981), der das damals vor allem auch aus konstruktiver Sicht moderne Architekturprojekt zusammen mit Fernand Dumas (1892–1956) konzipierte. Christoph Allenspach gibt einen tiefen architektonischen Einblick in das – wie er sagt – eigensinnige Gebäude, das einen Sonderfall der Schweizer Architektur darstellt: «Der Versuch einer Synthese zwischen der Tektonik Perrets und der Volumetrie Le Corbusiers war zu einzigartig, um zu inspirieren.»

Der kritische Aufsatz von Claude Castella regt zum Denken an. Er hebt hervor, wie wichtig es zu erkennen ist, dass die Ersetzung von Möbeln, Leuchtkörpern und Fenstern den Charakter des Objekts ebenso entstellen kann, wie ein Ausbau oder der Abriss einer Freitreppe. Der Umgang mit der bestehenden und geschützten Bausubstanz ist vielschichtig-diffizil.

Der Reprint ist aber auch eine Würdigung an die kühne Ingenieurbaukunst sowie an die Kreativität, Leidenschaft und den Pioniergeist im Ingenieurbetonbau in den 1940er-Jahre, personifiziert durch die beteiligten Ingenieure Alexandre Sarrasin (1895–1976), Henri Gicot (1897–1982), Beda Hefti (1897–1981) und Jean Barras (1898–1982). Die technische Effizienz des Betonbaus mit seinen filigranen Betonskeletten zum Ausdruck bringend, klärt der Aufsatz von Eugen Brühwiler manche tragwerksspezifische Frage und zeigt auf, weshalb der Beitrag der vier Bauingenieure für diese Architektur so wesentlich war: Die Tragstruktur ist sichtbares Element der Architektur.

Hinweis
Die Gesellschaft für Ingenieurbaukunst lädt ein, die Ästhetik des Betonbauwerks zu geniessen. Die Gesellschaft hält ihre diesjährige GV in der Universität Miséricorde ab. Das Rahmenprogramm sieht eine Führung durch und Vorträge zur Universität vor sowie die Besichtigung der Poya-Brücke inkl. Vorträge. Die zweitätige Veranstaltung findet am 26./27. Juni 2015 statt. 

Angaben zur Publikation
 

Architekturforum Freiburg, Cyrill Haymoz (Hrsg.): Universität Miséricorde Freiburg– - Betonklassizismus und Moderne. Niggli Verlag, Sulgen. Neuausgabe. 2014. 336 S., 390 Abbildungen und Pläne. zweisprachig französisch-deutsch. 25,1 × 32,5 cm, Hardcover. ISBN 978-3-7212-0905-1, Fr. 98.–


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