Think For­ward Award 2013 geht nach Deutsch­land

Pro Jahr fallen in der Produktion des Langenthaler Unternehmens Création Baumann Tonnen an Reststoffen an. Diese werden ab Lager verkauft, karitativen Einrichtungen zur Verfügung gestellt, der Rest landet spätestens bei Auslaufen des Sortiments im Abfall. Grund genug, diese Reste zum Entwurfsthema des Think Forward Award zu machen, den das Unternehmen nach 2009 und 2011 zum dritten Mal auslobte.

Publikationsdatum
20-09-2013
Revision
01-09-2015

«Recreate Textiles» lautete die Aufgabe, für deren Lösung die Teilnehmer, Designstudentinnen und -studenten aus aller Welt, neun Monate Zeit hatten. Für die Umsetzung erhielt jeder angemeldete Teilnehmer ein Päckchen mit Reststoffen zugeschickt – die Herausforderung bestand also darin, eine Lösung zu finden, die unabhängig von einem spezifischen Stoff, einer Farbe, einem Muster funktioniert. Es galt, den Stoff(rest) als Material neu zu denken. 

Der mit insgesamt 10.000 Euro dotierte Preis generierte er über 50 Eingaben, darunter neben Entwürfen aus dem deutschsprachigen Raum auch Ideen aus Südamerika und Israel. Am 19. September fand die Preisverleihung in Langenthal statt. Ungewöhnlich für einen Designwettbewerb: Anders als sonst üblich, hatten hier die Ideen einen Vorteil, die zur Umsetzung möglichst viel Material benötigen – schliesslich sollen damit die Lager geräumt werden. 

Stoff zum Weiterdenken

Ausgezeichnet wurden fünf gleichwertige Projekte. Zu Recht honorierte die Jury hauptsächlich materialbezogene Ideen. So nähten Helen Hofmann und Daniel Daub von der Hochschule für Gestaltung Offenbach in ihrem Vorschlag «Dawinikusli» Stoffe so aneinander, dass die Stoffkante die sichtbare Oberfläche bildet. Auf diese Weise entsteht ein dreidimensionales Textil von ansprechender Haptik und Optik – leicht ausgefranst und so, dass man es am liebsten streicheln möchte. Ein weiterer Vorteil: Für das Verfahren spielen weder Farbe noch Muster der Stoffe eine Rolle, und der Materialverbrauch ist hoch. 

Den Anteil an Polyester in vielen der Textilien machte Stefanie Powell von der Weissensee Kunsthochschule Berlin zu ihrem Thema. Bei «Hot Dots» liegen mehrere Stoffe übereinander, verbunden mittels Ultraschallschweissen. So treffen sich die Lagen nur an den Schweisspunkten, die wiederum ein eigenes Muster bilden – ein neues Material ohne Zusatzstoffe, bei dem Gestaltung und Konstruktion eine Einheit bilden. 

Anna Dähne und Katharina Schäfer von der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart arbeiteten in «Reset» mit Überlagerungen. Sie beschichteten die Stoffe mit Lackdruckfarbe und pressten sie bei 180° Celsius. Dann stanzten sie sie in geometrische Kleinteile und kombinierten sie mit unbeschichteten Textilien erneut in der Presse. Auf diese Weise entstand ein neues Material, das durch die gestaffelte Transparenz und den nicht steuerbaren Moiré-Effekt einen eigenen Reiz entwickelt. 

Einen ganz anderen Ansatz wählte Jennifer Hier, ebenfalls von der Akademie der Künste. Sie verband das lockere Textil mit Kunstharz zu einem festen Werkstoff. «Trias» mit seiner samtenen Oberfläche erinnert an Gesteinsschichten oder auch an Holzringe. Das ungewöhnliche Material irritiert und inspiriert optisch und haptisch in positiver Hinsicht.

Die letzte der ausgezeichneten Arbeiten, «Fold» von Anja Hungerkamp von der Hochschule Niederrhein, fiel in dieser Auswahl aus der Reihe, weil hier ein fertiges Produkt, kein Material präsentiert wurde. Mit einem Textilhärter versteifte die Autorin den Stoff so weit, dass er sich zu Behältern falten liess. Bei diesem Entwurf beeindruckte die Jury vor allem der schon weit fortgeschrittene Bearbeitungsgrad.

In den kommenden sechs Monaten wird das Unternehmen gemeinsam mit den jeweiligen Preisträgern evaluieren, ob und wie sich die Ideen zu marktfähigen Produkten weiterentwickeln lassen. Die Arbeiten der Preisträger können gemeinsam mit allen Eingaben bis zum 4. Oktober 2013 bei Création Baumann in Langenthal besichtigt werden.

Preisträger


«Dawinikusli»: Helen Hofmann und Daniel Daub, Hochschule für Gestaltung Offenbach
 

«Hot Dots»: Stefanie Powell, Weissensee Kunsthochschule Berlin 
 

«Reset»: Anna Dähne und Katharina Schäfer, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
 

«Trias»: Jennifer Hier, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
 

«Fold»: Anja Hungerkamp, Hochschule Niederrhein 

Jury
 

Philippe Baumann, Inhaber und CEO von Création Baumann, Langenthal
 

Katja Born, Dipl. Ing. Innenarchitektin der Being Born Building Brands, Hamburg


Dieter Hofmann, Geschäftsführer und Inhaber der Blickfang GmbH, Stuttgart


Christian Paul Kaegi, Industrial Designer und Partner Aekae, Zürich
 

Lars Quadejacob, Chefredakteur des Designmagazins design report, Leinfelden-Echterdingen

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