Ter­ras­se mit Büh­nen­bild

Als letztes Stück Bauland vor der Landschaftsschutzzone war das Grundstück an der Luzerner Salzfassstrasse hoch begehrt – die Südhanglage und das Panorama auf See und Berge taten ein Übriges. Die Lage war indes nicht nur wirtschaftlich, sondern mit einem Gefälle von 45% auch architektonisch herausfordernd: Daniele Marques reagierte darauf, indem er einen Grossteil des Bauvolumens in die Erde verlegte. Während dieses nach aussen hin vergleichsweise bescheiden in Erscheinung tritt, zeigt sich der Raum im Innern grosszügig.

Publikationsdatum
13-11-2013
Revision
30-10-2015

Am rechten Seeufer der Stadt Luzern schlängelt sich die Salzfassstrasse kurz vor der Stadtgrenze vom Vierwaldstättersee den Berg hinauf. Unspektakuläre Einfamilienhäuser säumen den Strassenrand. Das Gebiet Salzfass gehört zu den Luzerner Aussenquartieren, die während des Bevölkerungsbooms der Nachkriegszeit erschlossen wurden. In rund 500m ü. M. schweift der Blick über See und Bergpanorama. Waren diese Landreserven damals noch erschwinglich, sind sie heute – aufgrund der begehrten Faktoren Hangsüdlage und Seeblick –schwer finanzierbar. Eine Herausforderung waren überdies die topografischen Bedingungen des Grundstücks: Die drei Gebäude mussten auf 1500 bebaubaren Quadratmetern und einem Gefälle von 45% Platz finden.

Baurechtlich sollte die Neubebauung das gleiche Verhältnis von Grundfläche zu Bauvolumen aufweisen wie die benachbarten Einfamilienhäuser, wobei das sichtbare Volumen als Gradmesser galt. Um das Grundstück wirtschaftlich sinnvoll zu bespielen und eine maximale Ausnützung zu erreichen, nutzte der Architekt das steile Gefälle und legte einen Grossteil des Bauvolumens unterirdisch an. Nach aussen hin sichtbar blieben lediglich die aus dem Terrain ragende Südfassaden sowie die seitlichen, dreiecksförmigen Gebäudekanten. 

Nähert man sich dem Grundstück von der Strasse her, tritt zuerst eine waagrechte Linie in Erscheinung, darüber hohe Gräser, sonst nichts. Genau dies war die Absicht: möglichst viel Ausblick bei möglichst wenig Einblick, maximale Privatheit trotz maximaler Dichte. Über der Tiefgarage stapeln sich drei eingeschossige Häuser, deren Gärten auf den Dächern der jeweils unteren Gebäude liegen. Dennoch handelt es sich nicht um gewöhnliche Terrassenhäuser, sondern um drei verdichtete, in die Erde gegrabene Einfamilienhäuser. So funktionieren sie auch klimatisch, d. h., sie wirken wie Erdhäuser und bewahren durch ihre grosse Speichermasse eine konstante Raumtemperatur.

Die tatsächliche Dimension der Bebauung ist von aussen nicht wahrzunehmen. Erst durch die Begehung wird sie räumlich erlebbar. Eine schmale, von den Rebstöcken des Nachbargrundstücks begleitete Treppe führt seitlich den steilen Hügel hinauf. Abgeschrägte Betonschotten schützen die privaten, terrassierten Aussenräume vor unerwünschten Blicken. Hinter diesen Mauern sind die Eingänge weit in den Hang zurückversetzt. Bergseitig liegen Flure, Sanitär- und Nebenräume. Der grandiose Ausblick ist den Wohn- und Schlafräumen vorbehalten. Die Form der Grundrisse ergab sich aus der maximalen Ausschöpfung der topografischen Gegebenheiten. In der Breite wurde das Grundstück voll ausgenutzt, wodurch sich eine Gebäudebreite von 25 bis 32m ergibt. Die Gebäudetiefe von 12m resultiert aus den Bedingungen der einseitigen Belichtungssituation. 

Grundrisse und Innenausbau der drei Häuser variieren je nach Eigentümer. Die tragende Struktur basiert auf den von Erdreich umschlossenen Rück- und Seitenwänden sowie den innen liegenden Fassadenstützen der Fensterfront. Einzelne Mauerwerkswände übernehmen eine zusätzlich aussteifende Funktion. Die Räume sind mit einer lichten Raumhöhe von 2.80m grosszügig bemessen. Gegen Süden weiten sich die Wohnräume optisch durch die vollverglaste Fassade, die die Landschaft in das Haus bringt.

Ein wichtiges Thema war der Umgang mit dem einfallenden Tageslicht. Um es nicht zu stark zu reduzieren, verzichtete der Architekt auf eine Dreifachverglasung und gestaltete sein eigenes, zuoberst gelegenes Haus ganz in Weiss. Einerseits optimiert der Verzicht auf Farbe die Reflexionsfläche, andererseits schafft er einen ruhigen Hintergrund für die Farbigkeit der Landschaft.

Der Fussboden im Innern besteht aus weiss eingefärbtem Estrich auf Anhydritbasis (Calciumsulfat). Im Aussenraum schliesst ein gleichfarbiger Zementestrich an. Die Wände sind mit Sumpfkalk verputzt und reflektieren matt das Licht. Die Räume sind von einzelnen Stehlampen und hinter Blenden angebrachten Leuchtstoffröhren indirekt belichtet. Zugunsten freier Räume sind an den Wänden flächendeckende Einbauschränke angebracht. Wie bei den Küchenmöbeln handelt es sich um massgefertigte Schreinerarbeiten, die wegen ihrer unauffälligen Details optisch im Raum verschwinden.

Im Eingangs- und Flurbereich befinden sich Garderobenschränke, im Wohnzimmer eine Schrankschicht für Audio- und Videogeräte, die sich seitlich mit raumhohen Akustikpaneelen öffnen lässt. Technische Installationen sind in diese Stauräume verbannt, dazu gehört im weitesten Sinn auch die Küche, die sich hinter einer Schiebetür verstecken lässt. 

Räumliche Vielfalt und theatralische Wirkung 

Obwohl der Grundriss klar und reduziert scheint, ergeben sich auf den zweiten Blick erstaunlich vielfältige Raumvariationen. Ein Hauptanliegen des Architekten war, die Innen- und Aussenräume miteinander zu verzahnen. Dies erzielte er nicht durch fixe Gebäudevor- und -rücksprünge, sondern durch ein flexibles Verschieben einzelner Raumeinheiten. 

Die grossformatigen Fassadenschiebetüren, bei denen beide Flügel beweglich sind – eine technische Neuerung, die das Architekturbüro zusammen mit der Firma Huber Fenster entwickelt hat, lassen sich mindestens über die halbe Zimmerbreite öffnen und mit den im rechten Winkel angrenzenden Schiebetüren der Zimmer zu neuen Räumen zusammenschieben. So verwandelt sich die Küche zusammen mit der Terrasse in ein abgetrenntes Aussenzimmer. Oder man verbindet das Badezimmer des Elternschlafzimmers mit der Terrasse und badet – räumlich gesehen –im Garten.

Eine weitere Möglichkeit, differenzierte Raumeinheiten zu erzeugen, bilden die Sonnenstoren. Diese liegen vor den Fenstern sowie zwischen Terrasse und Garten. Lässt man beide Storen herunter, sitzt man draussen in einem zeltartigen Gebilde. Ähnlich wie Bühnenbilder im Theater inszeniert jede Veränderung andere Szenen. Auch der Vorhang im Innenraum hat eine durchaus theatralische Wirkung. Verschiebt man die einzelnen Vorhangpakete, ordnen sie die Fassade neu und rahmen andere, kleinteilige Bilder von See und Landschaft. 

Daniele Marques betont, dass das Wohnen am Hang ein Leben in der Landschaft sei. Er spricht von einem «gartenhallenartigen Wohnen». Bei angemessenen Temperaturen wird der Aussenraum als gleichwertiger Wohnraum genutzt. Wie die Architektur ist die Gartengestaltung auf das Minimum reduziert. Die gesetzlich geforderte Brüstung an der Geländekante wird durch die Wand des Schwimmbeckens optisch aufgelöst beziehungsweise ist an der abfallenden Gartenseite mit Büschen «getarnt». Die Einbettung der Architektur in die Landschaft ist die grösste Stärke des Projekts. Den Bezug zur Stadt hingegen suchen die inszenierten Kamine, die als einzige vertikale Elemente herausstechen. 

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