«Holz hat bis­her ­kei­ne ­hoch­wer­ti­ge ­Nach­nut­zung»

Das Forschungsprojekt cir­cu­lar­WOOD untersucht die Grund­lagen für einen Paradigmenwechsel in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft im Holzbau. Wir haben die Projektleiterinnen Sonja Geier und Sandra Schuster gefragt, was sich ändern muss, damit die Umsetzung in der Praxis gelingt.

Publikationsdatum
29-09-2023

Welche Eigenschaften hat ein kreislauffähiger Holzbau?

Sandra Schuster: Er ist ein Materiallager, seine Einzelkomponenten bestehen aus nachwachsenden Rohstoffen, die schadstofffrei, trennbar und wiederverwendbar sind. Bei seiner Erstellung stammt das Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft und zukünftig kommen voraussichtlich auch geringe Holzqualitäten zum Einsatz. Am Ende des Lebenszyklus ist die zerstörungsfreie Demontage der Bauteile gewährleistet, die Komponenten sind trennbar. Das bedingt, dass kreislauffähige Gebäude einfach umgebaut und an aktuelle Anforderungen angepasst werden können: Verbindungen sind zugänglich und der Austausch von Komponenten ist einfach. Ein vorge­fertigter Holzbau der Zukunft ist langlebig und ein temporärer Kohlenstoffspeicher.

Wo stehen wir auf dem Weg dahin?

Sonja Geier: Die Voraussetzungen sind gut. Der moderne Holzbau ist durch hohe Vorfertigungsgrade, die Elementierung und die Logik der Fügung grosser Bauteile charakterisiert. Das erlaubt es, ganze Teile oder Elemente und auch Einzelkomponenten wiederzuverwenden. Die vorwiegend trockenen Verbindungen haben das Potenzial, wieder gelöst zu werden. Damit lassen sich Bauteile, im Gegensatz zu anderen Bauweisen, leichter und ohne Wertverlust demontieren.

Schuster: Wir sind aber noch nicht da, wo wir sein sollten. Nur ein Teil des aktuellen Altholzaufkommens wird in der Spanplattenproduktion eingesetzt. Der grösste Teil wird thermisch verwertet, das heisst nach der ersten Nutzung verbrannt. Das Potenzial der kaskadischen Nutzung von Holz wird heute nicht ausgeschöpft. Hinzu kommt die Nutzungskonkurrenz, die durch die wachsende Nachfrage nach Biomasse in anderen Sektoren entsteht, wie im Bereich der Energieversorgung oder der chemischen Industrie.

Die Kaskadennutzung sollte also länger werden?

Geier: Ja, die kaskadische Nutzung ist wichtig, um die Ressourceneffizienz zu steigern und die klimastabilisierende Kohlenstoffspeicherung zu erhöhen. Damit liesse sich das Treibhauspotenzial um bis zu 10 % reduzieren.1 Noch grös­sere Vorteile bringt die Einsparung der Primärrohstoffe, die durch Gebraucht­holz substituiert werden. Weiter kann Holz fossile und mineralische energie- und emissionsintensive Baustoffe ersetzen. Im Optimalfall kann es ohne aufwendige Wiederaufbereitungsprozesse mehrfach hintereinander genutzt werden.

Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft «Stadt aus Holz – Hotel- und Freizeitbauten in Holz». Weitere Artikel zum Thema Holz finden Sie in unserem digitalen Dossier.

Wo sehen Sie hierzu Entwicklungs­möglichkeiten?

Geier: Primär auf zwei Ebenen: Einerseits bei der Bewusstseinsbildung für den Wert des Materials und andererseits bei Innovationen im technischen und konstruktiven Bereich. Holz ist in der einschlägigen Literatur und damit im Verständnis vieler Akteurinnen und Akteure noch immer dem biologischen, nicht dem technischen Kreislauf zuge­ordnet. Da es sich um eine erneuerbare Ressource handelt, wird sie von der Notwendigkeit der hochwertigen Nachnutzung, wie sie im technischen Kreislauf gefordert wird, ausgeklammert. Andererseits ist der Rückbau oft aufwendig und arbeitsintensiv. Das liegt an den bisherigen Umsetzungspraktiken, wie schichtenreichen Aufbauten mit geklebten und geklammerten Verbindungen, sowie an den verwendeten Folien und mineralischen Dämmstoffen. Um eine sortenreine Trennung für das Recycling zu erreichen, muss alles aufwendig zerlegt werden.

Das führt wohl zur zweiten Ebene, den technischen Entwicklungen …

Schuster: Genau, das ist der zweite Punkt. Einige Fachleute sehen die Entwicklungen der letzten Jahre kritisch. Zum Beispiel ist bei Verbundwerkstoffen das in Konzepten wie Cradle-to-Cradle geforderte Prinzip der Sortenreinheit nicht gegeben. Die in circularWOOD untersuchten Fallstudien zeigen auch, dass zerstörungsfrei lösbare Verbindungen mit einem erheblichen Planungs- und Entwicklungsaufwand einhergehen. Bislang existieren keine Standardlösungen für solche Verbindungen. Statisch wirksame Schraubverbindungen sind nicht lösbar, wie erste Voruntersuchungen in der Forschung zeigen. Demgegenüber stehen Entwicklungen von reversiblen Verbindungsmitteln mit dem Potenzial einer schnellen Marktreife.

Geier: An der materialeffizienteren Produktentwicklung wird geforscht, wie zum Beispiel beim Projekt LaNaSys. Das Potenzial von Holz-Holz-Verbindungen, auch mit hochleistungs­fähigem Laubholz, wird in Pilotprojekten angewendet und soll sich in den kommenden Jahren auch in der Praxis etablieren.

Anmerkungen

 

1 Höglmeier et al. 2015

CircularWood
Das Projekt untersuchte die Situation der Kreislaufwirtschaft im Holzbau in Deutschland und der Schweiz. Die Fragestellung war, wie die Skalierbarkeit von Pilotprojekten in der breiten Umsetzung gelingt. Untersuchungsfelder waren die Anpassung der Rahmen­bedingungen, die Motivation der Auftraggebenden und notwendige Entwicklungen in der Holzbaupraxis. Die Beteiligten analysierten die Grundlagen der Literatur und aktuelle Forschungsaktivitäten. Ein Grossteil der Arbeit basiert auf empirischen Unter­suchungen mit Expert:inneninterviews, vier Fallstudien und teilstandardisierten ­Befragungen. Das Projekt wurde gefördert vom deutschen Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) aus Mitteln des Innovationsprogramms ­Zukunft Bau.

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