SIA: Be­schaf­fung in­tel­lek­tu­el­ler Dienst­leis­tun­gen

Wegleitung zur Ordnung SIA 144

Die ergänzende Wegleitung zur Ordnung SIA 144 für Ingenieur- und Architekturleistungsofferten ist publikationsreif. Kommissionsmitglied Andreas Steiger erläutert ihre Bedeutung für die Akzeptanz der Ordnung.

Publikationsdatum
08-10-2015
Revision
10-11-2015
Andreas Steiger
Dipl. Bau-Ing. ETH/SIA, Präsident SIA 144 Kommission für Leistungsofferten

Im Mai 2013 hat die Delegiertenversammlung des SIA die Ordnung 144 genehmigt und per 1. August 2013 in Kraft gesetzt. Nachdem die gesetzlichen Regelungen zum Vergabewesen 1996 in Kraft getreten waren, hatte das Ringen um diese Ordnung nach nunmehr 17 Jahren zu einem Ergebnis geführt.

Von den Anwendern (insbesondere der öffentlichen Hand) wurde die Ordnung 144 nicht mehr mit besonderem Enthusiasmus erwartet, was nicht ganz überraschend kommt. Die Aufnahme seitens der Beschaffungsstellen darf, diplomatisch gesprochen, als verhalten bezeichnet werden. Dennoch hat die neue Ordnung an der einen oder anderen Tagung Diskussionen ausgelöst. Welche Wirkung sie längerfristig haben werden, ist heute noch nicht sicher einzuschätzen. Doch ist unübersehbar, dass die öffentlichen Beschaffungsstellen zu einigen wenigen Festlegungen in der Ordnung Vorbehalte anbringen und deshalb von einer Anwendung der Ordnung absehen.

Unveränderte Probleme

Ein Blick auf die Beschaffungslandschaft zeigt deutlich: Nachdem die Ordnung 144 nun zwei Jahre in Kraft ist, sind in der Praxis noch wenig bis keine Auswirkungen auszumachen. Die alten Probleme sind weiter virulent. Hier sind insbesondere zu nennen:

Preisdruck: Der Preisdruck bei Beschaffungen mit Leistungsofferten ist – insbesondere im Ingenieurbereich – nach wie vor sehr hoch. Verbunden mit einer gewissen Spekulation ist die Tiefpreisproblematik insbesondere bei grösseren Beschaffungen verbreitet. Kriterien: Hinsichtlich der Eignungs- und Zuschlagskriterien besteht weiterhin ein gewisser Wildwuchs. Anforderungen: Hohe und höchste Anforderungen, die in vielen Fällen nicht durch die zu beschaffende Leistung zu begründen sind, führen zu Verzerrungen. Beschaffungsablauf: In vielen Beschaffungen treten im Ablauf Ungereimtheiten auf, die sich zum Nachteil der Anbieter auswirken können.

Die Kommission SIA 144 hat schon in der neuen Ordnung in Aussicht gestellt, deren Einführung und Anwendung mit zusätzlichen Wegleitungen zu unterstützen. Orientiert an den in der Praxis festgestellten Defiziten behandelt die nun zur Publikation vorliegende erste Wegleitung zur Ordnung 144 die Grundsätze des Beschaffungsprozesses.

Beschaffung intellektueller Dienstleistungen

Der Titel der neuen Wegleitung «Grundsätze zum Ablauf der Beschaffung intellektueller Dienstleistungen im Ingenieurwesen sowie Architektur und Umwelt nach Ordnung SIA 144» ist lang geraten. Jedoch hat jeder Teil des Titels seine Bedeutung. Der Titel soll neben dem Inhalt «Ablauf der Beschaffung» auf die wichtige präzisierende Rahmenbedingung «intellektuelle Dienstleistungen» und den Anwendungsbereich «Ingenieurwesen, Architektur und Umwelt» hinweisen.

Nachdem in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche fachbezogene Ratgeber für die Beschaffung herauskommen sind, beinhaltet der Anhang der Wegleitung Hinweise auf diese fachspezifischen Hilfen, gegliedert nach den Ordnungen SIA 102, 103, 105, 108, 110 sowie den Normen 111 und 112.

Das Ziel der Wegleitung ist gleichzeitig einfach und ambitioniert: Die Zahl der Mängel im Ablauf des Beschaffungsprozesses soll deutlich verringert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt die Wegleitung darauf, die notwendigen Entscheide im Ablauf sicherzustellen. Ein geplantes und strukturiertes Vorgehen soll Transparenz und Gleichbehandlung gewährleisten.

Phasengliederung

Im Beschaffungsprozess lassen sich vier Teilphasen unterscheiden:

Vorbereitungsphase Angebotsphase Prüfung und Bewertung der Angebote Zuschlag und Abschluss

Den grössten Raum in der Wegleitung nimmt die Vorbereitungsphase ein. In dieser Teilphase werden die Weichen gestellt; dabei treten immer wieder gravierende Fehler auf, die sich im weiteren Verlauf für die eine oder andere Seite nachteilig auswirken. In dieser Phase sind also auch die Auftraggeber gefordert.

Die Wegleitung soll die Beschaffungsstellen in zwei wesentlichen Dingen unterstützen: In der Vorbereitungsphase müssen die tatsächlichen Bedürfnisse der Beschaffungsstelle und in der Folge die zu beschaffenden planerischen Leistungen geklärt sein. Da an diesem Punkt jedoch ein Verzicht auf eine Beschaffung zunächst nur geringe Auswirkungen hat, wird auf Seiten der Institutionen ein bewusster Grundsatzentscheid pro oder contra Beschaffung empfohlen. Erst nach diesem Entscheid soll die Ausarbeitung der Ausschreibungsunterlagen erfolgen.

Die Kommission SIA 144 hofft, mit dieser ersten Wegleitung der Praxis und insbesondere den weniger erfahrenen Beschaffungsstellen eine willkommene Hilfestellung anzubieten und gleichzeitig die Ordnung SIA 144 besser bekannt zu machen.

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