La don­na è mo­bi­le

Ein abstraktes Bühnenbild verleiht der Inszenierung von «Rigoletto» am Theater Basel einen vielfach interpretierbaren Raum.

Publikationsdatum
26-04-2023

Wenn ein Theater zur Neuinszenierung einer Oper von Giuseppe Verdi einlädt, beschleicht mich neben der Vorfreude jeweils eine leichte Beklemmung. Werden die Protagonisten in ewig gleichen Mann-Frau-Konflikten kreisen und in grotesken Kostümen und einem wackeligen Bühnenbild zu ihren Meisterleistungen vorne an der Rampe ausholen?

In diesem Fall, dem «Rigoletto» am Theater Basel, ist die Sorge unbegründet. Wie bei der Uraufführung im venezianischen La Fenice 1851 ist auch die Betrachtung des Regisseurs Vincent Huguet zeitgemäss. Das psychologische Geflecht zwischen Vater/Hofnarr, Tochter/Objekt der Begierde und dem übergriffigen Grafen, der sich stets mit einer Gruppe trinkfreudiger Machos umgibt, wird hier als ein zeitgenössisches Beziehungsdrama zwischen Schutzbedürftigkeit, Abenteuerlust und Überprotektionismus wiedergegeben. Die Gemütszustände, die sich im Laufe der Geschichte verdichten und dramatisieren, finden sich in der Veränderung des abstrakt gestalteten Bühnenbilds wieder.

Zu Beginn stehen weich gebogene Wandscheiben schuppenartig vor der Rückwand der Bühne. Im kühl blauen Licht eröffnen sie einen weiten Raum, den die Sängerinnen und Sänger beleben. Mehr Requisiten als ein einfaches Daybed, später ein Tisch und Stühle sind nicht nötig. Durch eine geschickte Lichtregie verlagert sich der Fokus des Geschehens entsprechend den wechselnden Stimmungen und der Abfolge von Tages- und Nachtzeiten. Die im Schatten liegenden Zwischenräume bieten Verstecke für die Protagonisten, die aus dem Ungefähren agieren. Eine Treppe zwischen den beiden äusseren Schichten ermöglicht nicht nur ungewöhnliche Auftritte und Abgänge, sondern macht den Raum auch für die Zuschauenden in der Höhe erfahrbar.

Je mehr die Figuren im Laufe der Geschichte in psychische Not geraten, desto enger werden sie von den Wänden umschlossen. Dazu bewegen sich die fahrbaren Elemente schichtweise auf konzentrisch gelegten Bodenschienen um die Raummitte herum. Ihre Vorder- und Rückseiten haben unterschiedliche Farben und entfalten mithilfe von farbiger Beleuchtung differenzierte Wirkungen. Zugleich wechselt die gesamte Lichtstimmung hin zu dramatischen Rottönen.

Der Kontrast zwischen der bedrückenden Atmosphäre des zunehmend klaustrophobischen Raums und des vermeintlich heiteren Geschehens erzeugt eine ungeheure Spannung. Die leichtfüssigen Arien, darunter einige «Gassenhauer», bekommen einen bitteren Beigeschmack.

Im Hinblick auf die Akustik sind die Schalen geradezu ideal. Auch die leisesten Melodien werden gut in den Zuschauerraum hinein reflektiert. So kann man dem Pariser Bühnenbildner Pierre Yovanovitch zu seinem stimmigen Entwurf auch in technischer Hinsicht nur gratulieren. Vom Modedesign kommend, befasst sich der Produktgestalter und Innenarchitekt hier das erste Mal mit einer solchen Aufgabe. Die geschwungenen Formen finden sich nicht nur in seinen Möbelentwürfen wieder: Beim Verlassen des Theaters erscheint die monumentale Stahlskulptur von Richard Serra auf dem Vorplatz in einem ganz neuen Licht.

Weitere Infos: theater-basel.ch/de/rigoletto

Aufführungen: 29. April; 18 Mai; 6. Juni; 21. Juni

 

Einen Podcast mit Stückeinführung, Trailer und ein Interview mit dem Regisseur Vincent Huguet finden Sie in der Mediathek des Theaters.