Re­nais­sance am Brun­nen

«Gasthaus am Brunnen» in Valendas

Beim Um- und Ausbau des früheren Engihuuses arbeitete der Architekt Gion A. Caminada in enger Absprache mit den lokalen Akteuren. Das neue Gasthaus setzt einen weiteren Meilenstein für die Dorfentwicklung.

Publikationsdatum
24-07-2014
Revision
18-10-2015

Im 28. Juni 2014 wurde das «Gasthaus am Brunnen» in Valendas GR feierlich eingeweiht. Für den Architekten Gion A. Caminada war dieser Um- und Neubau sowohl eine architektonische als auch eine gesellschaftliche Aufgabe, deren Bewältigung für das Gelingen des Bauprojekts entscheidend war.

Die kleine Bündner Gemeinde Valendas liegt auf der südlichen Seite der Rheinschlucht Ruinaulta, gegenüber von Flims und Laax. Während diese beiden Orte in der Nachkriegszeit eine fast ungebremste bauliche und touristische Entwicklung durchliefen, war in Valendas die Zeit stehen geblieben. Selbst am Dorfplatz mit dem grössten hölzernen Brunnen Europas, dessen Original aus dem Jahr 1760 stammt, standen Häuser leer. Der bauliche Zerfall des Dorfs war bis vor Kurzem offensichtlich. Doch in der Zwischenzeit hat sich diese Situation grundlegend geändert.

Wachgeküsste Schönheit

Zentral für diese Renaissance ist der Verein «Valendas Impuls», der mit viel Elan und Geschick Projekte vorangetrieben, Geld gesammelt und gezielt Akteure involviert hat. Der Verein setzt auf eine Politik der kleinen Schritte im Sinn einer nachhaltigen Dorfentwicklung. Dazu zählen «die Erhaltung des Dorfbilds» und der Erhalt schützenswerter Bauten und Freiräume, aber auch die Förderung der «Nutzung der bestehenden Bausubstanz nach heutigen Bedürfnissen». Zudem wird die touristische Erschliessung der Ruinaulta vorangetrieben.

Erste grosse Projekte sind die Instandsetzung des Brunnens (2011) und die Renovationen von Engihuus und Türalihus. Letzteres ist ein herrschaftliches Wohnhaus, dessen ursprüngliche Teile von 1485 stammen. Es wird derzeit von den Architekten Capaul Blumenthal aus Ilanz saniert und ab Herbst 2014 von der Stiftung des Heimatschutzes «Ferien im Baudenkmal» betrieben.

Das Engihuus schenkte die Gemeinde der 2007 gegründeten Stiftung «Valendas Impuls» mit der Auflage, das historische Gebäude im Interesse der Dorfgemeinschaft zu nutzen. Der Architekt hatte sich also mit dieser als Bauherrin zu einigen; die Bausubstanz war nicht zwingend erhaltenswert. Laut dendrochronologischen Untersuchungen datieren die ältesten Bestandteile des Hauses aus dem Jahr 1517. Es war ein kleines Bauernhaus mit gemauertem Feuerhaus und gestricktem Wohn- und Schlafteil. Der Haupteingang erschloss nur die ursprüngliche Wirtsstube. Um das Jahr 1674 wurde ein Anbau in Strickbauweise mit einer zum Brunnen hin orientierten Loggia angefügt.

Der neue, von Caminada entworfene Gebäudekomplex besteht aus Alt- und Neubau. Im komplett renovierten Engihuus ist im EG das Restaurant untergebracht, in den zwei OG befinden sich sieben Hotelzimmer. An die Stelle des alten Stalls trat ein Neubau mit Café, Küche, einem Bühnenzimmer und einem Festsaal. Im Zwischenbereich der beiden Hausteile befinden sich die eigentlichen Herzstücke der gesamten Anlage: die Erschliessungstreppe und dahinterliegend die Réception. Als Bar, Theke, Empfang für Hotelgäste und Infopunkt für die Region ist sie der eigentliche Angelpunkt des Betriebs. 

«Die Dorfgemeinschaft zurückerobern»

Der Neubau orientiert sich am Grundriss des abgerissenen Stalls, reicht aber weniger hoch. Die zweischalige Mauer hat innen ein Traggerüst aus Beton, das aussen mit Zementsteinen gemauert wurde. Eine einheitlich weisse Kalkfarbe verbindet Neu- und Altbau zu einem zusammenhängenden Baukörper. Bis auf Details – etwa die aus einem Grandhotel rückgebauten Heizkörper in den Hotelzimmern oder die von Hand gefertigten Keramikkacheln in den Badezimmern – kamen fast alle Komponenten aus der Ruinaulta oder haben einen direkten Bezug dazu. Die Steinplatten des Bodens stammen aus Vals. Die meist in der Gegend ansässigen Handwerker trugen mit ihrem Geschick zur engen Verbindung der Bevölkerung mit dem neuen Bauwerk bei.

Die Architektur des «Gasthauses am Brunnen» widerspiegelt die Gemeinschaft der Dorfbewohner, die aufeinander angewiesen sind. Entscheidend war, dass Caminada der Stiftung nicht einfach ein fertiges Projekt vorlegte, sondern dass es ihm gelang, aus der Gemeinschaft der Dorfbewohner heraus «die Dorfgemeinschaft zurückzuerobern».

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