Puz­zle Stras­sen­ent­wäs­se­rung

Strassenentwässerung ist ein komplexes Thema mit vielen Einzelaspekten. Um den Erfahrungsaustausch unter Fachleuten zu fördern, hatte das Badener Beratungsbüro R + R Burger und Partner im November 2011 Vertreter der Bauherrschaften, der Gewässerschutzbehörden und der Unterhaltsdienste sowie Planerinnen und Planer zum Forum «Strassenentwässerung und -abwasserbehandlung» geladen.

Publikationsdatum
01-06-2012
Revision
01-09-2015

Die gesetzliche Verpflichtung, Strassenabwasser ab einer gewissen Belastung vor der Rückgabe in den Wasserkreislauf zu behandeln, scheint auf den ersten Blick keine besonders komplexe Aufgabe zu sein. Das Fassen und Ableiten des Strassenabwassers ist aus der Siedlungsentwässerung eine durch Normen gesicherte Praxis. Für die Behandlung sind aus mehreren Pilotprojekten der letzten Jahre Verfahren mit guten Ergebnissen bekannt. Warum nicht einfach das am besten geeignete Verfahren aussuchen und realisieren? Schwierigkeiten entstehen hauptsächlich aus der starken Abhängigkeit der Einflussgrös­sen untereinander wie zum Beispiel Topo­grafie, Linienführungs- oder Gewässerparameter. Sie entstehen aber auch, weil ein aussagekräftiges und ganzheitliches Variantenstudium für die Strassenabwasserbehandlung Daten des fast fertigen Stras­sen­projektes benötigt. Die Unsicherheit bei der Projektentwicklung und -beurteilung ist hier jeweils spürbar.

Gute Lösungen sind gefragt

Generell und insbesondere im urbanen Umfeld verschärfen sich die Konflikte zwischen den Anforderungen an die Hochleistungsstrassen und den Interessen von Raum und Umwelt. Zusätzliche Ausrüstungen der Stras­sen für den Schutz der Umwelt – wie die Ertüchtigung der Strassenentwässerung – sind immer schwieriger realisierbar. Schlüsselelemente einer guten Lösung sind der Entscheid für einen Entwässerungstyp sowie die geeignete Kombination von Entwässerung und Behandlung. Die Entscheidung für einen Entwässerungstyp hängt einerseits von den Belastungen der ­Strasse ab. Dazu zählen standortabhängige Faktoren sowie das Verkehrsaufkommen und -verhalten, die Verkehrszusammensetzung und der Strassenunterhalt. Andererseits sind Landnutzung und Gewässerschutzstatus beidseits des Strassenkorridors wichtige Kriterien. Soll das Strassenabwasser versickern, hat dies Auswirkungen auf den Strassenquerschnitt – der Entscheid sollte deshalb möglichst früh gefällt werden. Für das Entwässerungskonzept werden Einzugsgebiete meist zusammengefasst, seltener unterteilt, und das Wasser über Transportleitungen und, wo nötig, mit Hebewerken an geeignete Einleitpunkte gebracht. Für eine gute Lösung ist es wichtig, die zur Verfügung stehenden aufnehmenden Gewässer, deren maximale Aufnahmefähigkeit und die Einleitorte im Projektabschnitt und seiner näheren Umgebung umfassend abzuklären. Braucht es Rückhalte- und/oder Behandlungsanlagen, so bedeutet dies zusätzlichen Landbedarf, meist ausserhalb des Strassenperimeters. Gewässerschutzziele kollidieren hier mit dem Waldgesetz, den Fruchtfolgeflächen sowie den Richtplanfestsetzungen anderer Nutzungen. Daraus resultieren meist teurere Lösungsvarianten, vor allem in urbanen Bereichen (ein Beispiel für den grossen Flächenbedarf einer Öko-SABA zeigt Abb. 1). Es ist daher wichtig, bereits in der Anfangsphase der Projektierung die nötigen Fachleute mit Raumplanungs- und Umweltkompetenz einzubeziehen und die erforderlichen Rechte frühzeitig zu sichern. Auch die Betreiber der späteren Anlage und die Ereignisdienste wie Polizei und Feuerwehr sollten in die Projektentwicklung involviert werden.
Diese ganzheitliche Bearbeitung bedeutet, dass die Strassenbauingenieure ihre Entwurfs- und Methodikkompetenz um die Anforderungen der Entwässerung ergänzen müssen. Mit einem Variantenstudium auf Niveau Vorprojekt wird der Fächer technisch machbarer Lösungen dargestellt und bewertet. Dabei sollte die laufende Technologie- und Prozessentwicklung berücksichtigt werden. Zukunftspotenzial könnten Lösungen mit lokalen Behandlungssystemen von vielen kleinen Einzugsgebieten haben, da sie den Vorteil bieten, kein zusätzliches Land zu benötigen. Hierzu sind in den Kantonen Nidwalden und Zürich bereits Pilotprojekte angelaufen. Bei der Bewertung ist neben der technischen Machbarkeit und der Umweltverträglichkeit wichtig, dass das Kosten-Wirksamkeits-Verhältnis stimmt und auch der Unterhalt berücksichtigt wird.

Phasenverschobene Planung

Auf den Phasenablauf bezogen bedeuten die obigen Ausführungen, dass idealerweise bereits im Rahmen der Vorstudie Vorleistungen für die Strassenentwässerungsplanung erbracht werden. So kann im Generellen Projekt nach Nationalstrassenrecht ein Entwässerungskonzept erstellt werden, das eine ­realistische Einschätzung der notwendigen Bauten und der Kosten erlaubt. Im Ausführungsprojekt kommen die Fachplaner für die Strassenentwässerung und -abwasserbehandlung erst gegen Ende zum Zug, weil ihre Arbeit stark auf das fast fertige Strassenprojekt bezogen ist. Die Bearbeitung dieses Bereichs hinkt der übrigen Projektierung immer um mindestens eine halbe Phase hinterher und liegt damit im kritischen Sta­dium der Fertigstellung des Projektes. Die Ergebnisse wiederum müssen im Umweltverträglichkeitsbericht verarbeitet werden. Diese zeitlichen Zusammenhänge sind von der Projektleitung im Voraus zu planen, und es sind realistische Zeiten für den Abschluss des Projektes vorzusehen. Erfahrungsaustausch wichtig Die am Forum aufgestellten und oben erläuterten Thesen wurden im anschliessenden Fachgespräch bestätigt. Insbesondere der frühzeitige Einbezug der Erkenntnisse aus Betrieb und Unterhalt wurde nochmals betont. Es bleibt eine spannende Aufgabe, zum Schutz von Gewässer und Umwelt, aber auch im Wissen um Kosten und Machbarkeit eine optimale Lösung zu suchen.

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