«Das ‹Da­vos Qua­li­täts­sys­tem für Bau­kul­tur› ist ein wich­ti­ger An­knüp­fungs­punkt»

Was verbindet die Lichtmarke Zumtobel mit dem Prix SIA? Im Gespräch mit Sebastian Gann, Sustainability Director bei der Zumtobel Group, wird schnell klar: die Nachhaltigkeit. TEC21 fragt nach, was für Zumtobel konkret hinter diesem grossen Begriff steckt.

Publikationsdatum
27-02-2024


Zumtobel, eine Lichtmarke der Zumtobel Group, ist Partner des Prix SIA. Wie kam es zu dieser Partnerschaft und welche Ziele verfolgt Zumtobel damit?

Zumtobel arbeitet seit vielen Jahren national und international mit Architektinnen und Architekten zusammen. Sie sind wichtige Partner bei der Umsetzung nachhaltiger Lichtlösungen und -konzepte. Im Bereich der Nachhaltigkeit gibt es viele Synergien und gemeinsame Ziele, denn auch wir wollen das Bewusstsein für das Potenzial einer innovativen Beleuchtung bei Neubau und Sanierung schärfen.


Was verstehen Sie unter «gemeinsamen Zielen»?

Als Hersteller sind wir in ein System eingebunden, das von Investorinnen über Bauherrschaften und Planern bis hin zu Industrieunternehmen reicht. Die Nachhaltigkeitsanforderungen, die im Bau­wesen immer stärker werden, müssen von allen Beteiligten mitgetragen werden. Architektinnen und Architekten spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie helfen Zielbilder zu formulieren, die man dann im Verbund bis hin zum Hersteller gemeinsam umzusetzen versucht.


Der Prix SIA bewertet die Projekte nach dem «Davos Qualitätssystem für Baukultur». Spielen die acht Kriterien auch für die Zumtobel Group eine Rolle, zum Beispiel in der Nachhaltigkeitsstrategie?

Die Begriffe des «Davos Qua­litätssystem für Baukultur» sind für Zumtobel wichtige Anknüpfungspunkte. Zum Beispiel die Funktionalität: Gutes Licht fördert nicht nur die visuelle Erkennbarkeit, sondern trägt auch zum allgemeinen Wohlbefinden und zur Gesundheit bei. So auch der Umweltgedanke: Dieser beginnt bei der Energieeffizienz und den Einsparpotenzialen. Zunehmend rücken aber auch graue Emissionen und Materialeffizienz in den Fokus – das sind Themen, die wir unter dem Blickpunkt der Kreislaufwirtschaft betrachten. Und zum Punkt «Genius Loci» fällt mir das Sanierungsprojekt der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel ein. Dort war die Prä­misse: Das Raumerlebnis steht unter Denkmalschutz. Deshalb sollten wir nichts verändern, aber trotzdem alles verbessern. Wir haben auf moderne Technik um­gestellt, die Lichtqualität verbessert und den Energieverbrauch reduziert, ohne den «Genius Loci» des Raums anzutasten.


Was machen Sie konkret, um die Nachhaltigkeit zu fördern?

Die Zumtobel Group reduziert Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von den Rohstoffen über den Betrieb bis hin zur möglichen Wiederverwendung oder -verwertung der Produkte. Ökobilanzen von Leuchten zeigen, dass über 90 % der Umweltauswirkungen in der Nutzung liegen. Die Emissionen entstehen dabei indirekt, also durch den Energieverbrauch. Allein durch den Technologiesprung von der Leuchtstofflampe zur LED können wir den Energieverbrauch im Betrieb halbieren. Zudem treiben wir die Digitalisierung weiter voran, sodass sich das Licht je nach Tageszeit beispielsweise automatisch dimmt. Ein weiterer wesentlicher Faktor sind die Emis­sionen bei der Herstellung der Materialien. Hier kann die Kreislaufwirtschaft, die wir als eines unserer Nachhaltigkeitsziele im Unternehmen etablieren, gute Lösungen bieten.

In einem Pilotprojekt Ende 2023 haben wir alle Leuchten in einem Supermarkt ausgetauscht. Es stellte sich heraus, dass sie einen geringeren Lichtstromrückgang aufwiesen als erwartet. Die Produkte, die also noch in einem sehr guten Zustand waren, wurden abgebaut und für die Shops der Caritas in Vorarlberg wiederverwendet. In der Kreislaufwirtschaft geht es immer darum, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen. Das kann nur in Netzwerken gelingen – und hier kommt unser Ziel «Partner der Wahl» ins Spiel. Wir brauchen starke Partnernetzwerke und müssen wissen, woher unsere Mate­rialien kommen, damit wir zum Beispiel bei der Demontage und Wiederverwendung unserer Leuchten die Bestandteile genau identifizieren können. Das erfordert eine enge Abstimmung mit unseren Lieferanten. Im Idealfall ist die Zusammenarbeit sogar bidirektional.


Lohnt sich die Kreislaufwirtschaft auch ökonomisch?

Es kommt auf das Produkt und den Projektkontext an. Wenn wir zum Beispiel Rasterleuchten austauschen, die heute noch die gleiche Leuchtenarchitektur haben, muss im Idealfall nur die Elektronik erneuert werden. Der Rest – das Gehäuse und der Reflektor – ist in der Regel noch in einem guten Zustand. Da kann es, gerade wenn man die Logistik berücksichtigt, wirtschaftlich sein, die Komponenten zurückzunehmen, die Mechanik zu erhalten, die Elektronik auszutauschen und das Produkt wieder in den Verkauf zu bringen. Die Digitalisierung wird uns dabei helfen, diesen Prozess einfacher und direkter zu gestalten: Digitale Produktpässe können beispielsweise aufzeigen, in welchem Zustand sich die Leuchten befinden. So kann entschieden werden, ob die Leuchte direkt weiterverkauft werden kann, modernisiert oder durch High-Value-Recycling in den Produktkreislauf zurückgeführt wird.


Seit wann ist die Nachhaltigkeit ein zentrales Thema in der Strategie der Zumtobel Group?

Bereits unser Gründer Dr. Walter Zumtobel hat sich vor über 70 Jahren damit beschäftigt, die Energieeffizienz unserer Leuchten zu erhöhen. Solche Themen sind uns seit jeher ein Anliegen. Auf Produkt­ebene haben wir, um ein Beispiel zu nennen, 2009 begonnen, uns systematisch damit zu beschäftigen, wie wir den CO2-Fussabdruck unserer Produkte erheben können. Damals war das sehr teuer und es dauerte Monate, eine Öko­bilanz für ein Produkt zu erstellen. Wir haben eine Software entwickeln lassen, die die Stückliste sowie die Anschlussleistungen einliest und eine Verbindung zu einer Umweltdatenbank herstellt. Da steht dann drin, wie viel Kilogramm CO2 für jede Komponente verursacht wird. Dieses System verwenden und verbessern wir seit 15 Jahren. Seit 2021 gibt es ein zentrales, dezidiertes Nachhaltigkeits­team, das sich mit Themen wie CO2-Fussabdruck, Kreislaufwirtschaft, Re-Manufacturing, Re-Use oder High-Value-Recycling beschäftigt. Dieses Team ist eine zentrale Anlaufstelle und unterstützt die jeweiligen Fachbereiche in ihren Fragestellungen.


Wie definiert die Zumtobel Group Nachhaltigkeit?

In unserem Narrativ von «Kreislaufwirtschaft etablieren, Emissionen reduzieren, Partner der Wahl sein» verstehen wir Nachhaltigkeit als Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung entlang der Wertschöpfungskette. Das beginnt mit unseren Lieferanten. Dazu gehören Aspekte wie Menschenrechte und Umwelt­standards in der Lieferkette, aber auch Gesundheit am Arbeitsplatz, entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten etc.


Und mit Blick auf Ihre Kunden?

Wir möchten unsere Kunden dabei unterstützen, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die Herausforderung besteht oft darin, herauszufinden, welcher Nach­hal­tig­­keitsaspekt für unsere Kunden relevant ist und wie wir dazu beitragen können. Der Dialog mit unseren Kunden ist für uns sehr wichtig, um immer am Puls der Zeit zu sein. Nachhaltigkeit ist aus unserer Sicht auch ein wesentlicher Innovationstreiber. Die Innovation liegt nicht mehr nur im Produkt, sondern auch im Prozess und im Netzwerk. Das kann dazu führen, dass man neue Geschäftsfelder erschliesst und zum Beispiel Circular Services (Kreislaufdienstleistungen) anbieten kann. 


Welche Rolle spielen die Sustainable Development Goals (SDGs) für die Nachhaltigkeitsstrategie der Zumtobel Group?

Sie sind der grosse Kompass. Im Nachhaltigkeitsbericht der Zumtobel Group verweisen wir bei jeder Massnahme auf die entsprechenden SDGs. Sie helfen uns auch, besser mit unseren Kunden zu kommunizieren: Sie sind eine gemeinsame Sprache. Andere Darstellungen sind beispielsweise ESG oder der Wertschöpfungskettenansatz. Das sind unterschiedliche Perspektiven auf einen Würfel, in dessen Kern die­selben Themen stecken. Aus meiner Sicht ist eine der Herausforderungen der Nachhaltigkeit, dass jeder einen anderen Zugang hat.


Zurück zum Prix SIA: Welchen Einfluss hat die Partnerschaft mit dieser Auszeichnung auf Zumtobel?

Viele Nachhaltigkeitsthemen sind gesellschaftlich relevant, aber industriell noch nicht konsequent umgesetzt. In der Jury des Prix SIA sitzen Fachleute, die nicht nur darüber reden, was man tun sollte, sondern die bereits etwas getan haben. Der Kontakt mit solchen Menschen kann uns helfen, diese Themen sichtbar zu machen und gemeinsam voranzutreiben. Wir hoffen, dass wir mit Gleichgesinnten in Kontakt kommen, dann können wir Dinge verknüpfen und Prozesse gemeinsam beschleu­nigen. Und das wiederum führt vielleicht zu kleinen Leuchtturmprojekten wie dem erwähnten Beispiel mit dem Supermarkt und der Caritas.

Weitere Infos

prixsia.ch

sustainability.zumtobel.com

 

 

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