Ein Preis für Architektur und Tragwerk
Beim Prix Acier sollen sich Architektur und Tragwerk gegenseitig bedingen und darüber hinaus meisterhaftes Können beweisen. Die ausgezeichneten Projekte verkörpern dies in beeindruckender Weise.
Zum neunten Mal wurde der Prix Acier vergeben. Der prestigeträchtige Schweizer Stahl- und Metallbaupreis, der alle zwei Jahre ausgelobt wird, ging am 28. November 2023 an der Preisverleihung im Rahmen des steelday+ im Forum Fribourg an sechs Bauwerke, bei denen der Einsatz von Stahl überzeugte.
Insgesamt wurden 30 Projekte eingereicht, die seit 2021 in der Schweiz von hiesigen Unternehmen oder im Ausland unter relevanter Beteiligung eines Schweizer Planungsbüros und einem Schweizer Stahl- beziehungsweise Metallbauunternehmen umgesetzt wurden. Die Jury des Prix Acier 2023 unter der Leitung von Astrid Staufer traf sich Ende August 2023 in der Schweizer Baumuster-Centrale in Zürich, um die Einreichungen zu analysieren, zu beurteilen, zu werten und schliesslich die Siegerprojekte zu küren. Die Bewertung fokussierte dabei auf den kreativen, nachhaltigen und wirtschaftlichen Umgang mit dem Material Stahl sowie auf technische und konstruktive Innovation in den Bereichen Neubau, Umbau, Instandsetzung, zirkuläres Bauen, Verbundbauweise.
«Der Prix Acier würdigt explizit die Zusammenarbeit zwischen Bauherrschaft, Architekten, Ingenieurinnen und Stahl- beziehungsweise Metallbauunternehmen, die gemeinsam zum Gelingen eines Bauwerks beitragen», betonte Isabel Gutzwiller im Vorwort des steeldoc 04/23. Dies spiegelte sich auch in der Jury wider, die sich aus Fachpersonen aus der Architektur und dem Ingenieurwesen, aus Planungsbüros und Stahlbauunternehmen zusammensetzte.
Herauskristallisiert haben sich vier Hauptpreise, zwei Anerkennungen und zum ersten Mal auch ein Publikumspreis, der mittels Public Voting ermittelt wurde. Wichtig war, die Unabhängigkeit der Jury auch dieses Mal während des gesamten Prozesses zu wahren. Es kommt oft vor, dass Jurymitglieder an Projekten beteiligt sind, die zur Bewertung eingereicht werden. Um die Zulassung eines solchen Projekts nicht zu gefährden, trat Philippe Menétrey nicht nur in den Ausstand, sondern gänzlich aus der Jurierung zurück, als klar wurde, dass das Projekt, an dem sein Unternehmen massgeblich beteiligt war, zu den zwölf Finalisten gehörte. Auch die (nicht federführenden) Stahlbauunternehmer enthielten sich bei der Besprechung von Projekten, an denen sie mitgearbeitet hatten.
Vielfältige Siegerprojekte
Die Bandbreite der Bauwerksarten in den Einreichungen war gross, und diese Vielfalt zeigt sich auch bei den siegreichen Projekten. Sie stehen für die unterschiedlichen Bereiche, in denen Stahl zum Einsatz kommen kann. Die Preisträger sind der Ultraleichte Pavillon in Bulle, der zugleich auch den Publikumspreis erhielt, das Kreislaufwohnhaus am Herbstweg in Zürich, die Passerelle in Ecublens und das Sammlungszentrum Augusta Raurica in Augst. Anerkennungen wurden dem Ersatz dreier Stahlbrücken im Oberengadin und dem ewz-Werkhof Herdern in Zürich zuteil.
Der Stahlbau weist nach wie vor eine beeindruckende Fülle an Projekten auf, die nicht nur technisch anspruchsvoll, sondern auch ästhetisch und innovativ sind. Ein herausragendes Beispiel ist der Pavillon «Porte de la forêt» in Bulle, der mit repetitiven Stahlbögen eine futuristische Struktur schafft. Die Möglichkeit, diese Bögen in beliebiger Länge aneinanderzureihen, macht den Pavillon zu einem multifunktionalen Raum, der Ressourcen effizient nutzt. Dieses Stahlbauprojekt dient als Wegweiser für zukünftige Bauvorhaben, indem es zeigt, wie mit minimalem Aufwand maximaler Nutzen erzielt werden kann.
Ein weiteres faszinierendes Projekt ist das Wohnhaus am Zürcher Herbstweg, das eine Stahlkonstruktion aufweist. Diese prägt nicht nur die Grundrisse, sondern auch die Wohnatmosphäre und ermöglicht eine Anpassung an künftige Bedürfnisse. Die intelligente und sorgfältige Planung des Hauses macht es zu einem gelungenen Beispiel für eine leichte und hybride Bauweise, wobei die Eigenschaften von Stahl besonders betont werden.
Bemerkenswert ist auch das neue Sammlungszentrum Augusta Raurica, das sowohl als Arbeitsplatz als auch als Lagerhalle fungiert. Eine modulare Stahlkonstruktion umgibt ein vielfältiges Raumkonzept, das nach aussen geschlossen wirkt, im Innern jedoch leicht und transparent erscheint. Das einheitliche Tragwerk des Gebäudes ermöglicht eine flexible Nutzung für verschiedene Anforderungen, von Arbeitsplätzen mit viel Tageslicht bis hin zu Lagerräumen, in denen vor allem Kunstlicht benötigt wird.
Projekte im gegebenen Kontext
Auch Brücken waren beim diesjährigen Prix Acier vertreten. Die elegante Stahlbrücke in Ecublens stellt eine gelungene Verbindung zwischen Stadtquartieren über eine Verkehrsschneise dar. Die filigrane und leichte Stahlkonstruktion vereint dabei Sicherheit und Ästhetik und folgt den Prinzipien der Nachhaltigkeit, insbesondere der drei «R»: Reparieren, Re-Use und Recyceln. Stahl ist ein Material, das sich gut wiederverwenden oder recyceln lässt und im Vergleich zu anderen Baumaterialien wie beispielsweise Holz langfristig weniger Wartung erfordert.
Die Flazbachbrücken im Engadin überraschen hingegen durch die geschickte Zusammenfassung dreier bisheriger Brückenbauwerke, wodurch Ordnung in die zuvor unruhige Umgebung gebracht wird. Die Stahlkonstruktion ermöglicht kurze Wege und eine sichere Verbindung zwischen Dorf und Gewerbezone. Die Brücken sind wiederum ein Ensemble und integrieren sich adäquat in die Landschaft.
Auch die Vertikalbegrünung am Zentrallager der ewz zeigt, wie Architektur und Natur zusammenkommen können. In diesem Fall steigert sie die Lebensqualität im urbanen Raum. Das Projekt verdeutlicht, dass der Stahlbau Raum für kreative Entwicklungen bietet und die eingereichten Arbeiten von mutigen Ideen getragen sind. Die Bandbreite reicht von grossen, beeindruckenden Strukturen bis hin zu kleinen, feinen Details.
Der Stahlbau als Schnittstelle
Die Jury stand vor der Herausforderung, bei der Bewertung sowohl ingenieurspezifische Aspekte als auch die architektonische Gestaltung und ästhetische Integration in die Umgebung zu berücksichtigen. Dies führt oft zu kontroversen Diskussionen. Doch diese fördern die vielfältige Perspektive und das kritische Denken, sodass innovative Lösungsansätze erkannt werden und eine fundierte Entscheidung erfolgen kann. Die intensive Auseinandersetzung mit den verschiedenen Facetten dieser herausragenden Projekte verdeutlicht, dass der Stahlbau als Schnittstelle zwischen architektonischer Kreativität und ingenieurstechnischer Innovation eine zentrale Rolle für die aktuelle und zukünftige Gestaltung unserer Bauwerke spielt. Die prämierten Projekte setzen nicht nur ein Zeichen für die Gegenwart, sondern fungieren auch als wegweisende Impulse für die fortwährende Entwicklung im Bauwesen. Preise wie der Prix Acier sind besonders wertvoll, da sie Projekte publik machen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen bemerkenswert sind.
Prix Acier 2023
AUSLOBER
Stahlbau Zentrum Schweiz SZS
PREISE
Ultraleichter Pavillon, Bulle
Bauherrschaft: Stadt Bulle
Architektur: Brauen Wälchli Architectes
Tragwerksplanung: Vannart Ingénieurs
Stahl-/ Metallbauunternehmen: Morand Constructions Métalliques
Kreislaufwohnhaus Herbstweg, Zürich
Bauherrschaft: privat
Architektur: Graser Troxler Architekten
Tragwerksplanung: Büeler Fischli Bauingenieure
Stahl-/ Metallbauunternehmen: Senn
Passerelle RC76, Ecublens
Bauherrschaft: Gemeinde Ecublens
Architektur / Tragwerksplanung: INGPHI
Stahl-/ Metallbauunternehmen: Morand Constructions Métalliques
Sammlungszentrum Augusta Raurica, Augst
Bauherrschaft:Kanton Basel-Landschaft Hochbauamt
Architektur: Arge Karamuk Kuo / Rapp
Tragwerksplanung: Weber + Brönnimann AG (m. Subplaner Kartec Engineering)
Stahl-/ Metallbauunternehmen: Gysin Asiko
ANERKENNUNGEN
Ersatz dreier Stahlbrücken, Oberengadin (Samedan, Pontresina, Celerina)
Bauherrschaft: Rhätische Bahn
Architektur: Gredig Walser Architekten
Tragwerksplanung: INGE CWZ ChiWi, Casutt Wyrsch Zwicky, Chitvanni + Wille
Stahl-/ Metallbauunternehmen: Officine Ghidoni
Landschaftsarchitektur: Kohler Landschaftsarchitektur
ewz-Werkhof Herdern, Zürich (Fassadenbegrünung des Zentrallagers)
Bauherrschaft: ewz – Elektrizitätswerk der Stadt Zürich
Architektur: Meili, Peter & Partner Architekten
Tragwerksplanung: Basler & Hofmann
Stahl-/ Metallbauunternehmen: R&G Metallbau
PUBLIKUMSPREIS
Ultraleichter Pavillon, Bulle
Jury
Astrid Staufer, Architektin Jurypräsidentin
Dres. sc. techn. Uwe Bremen, Bauingenieur
Dr. sc. Andreas Galmarini, Bauingenieur
Anna Jessen, Architektin
(an der Jurierung krankheitshalber abwesend)
Adrien Meuwly, Architekt
Prof. Dr. sc. Jacqueline Pauli, Bauingenieurin
Stephan Sintzel, Architekt
Judit Solt, Architektin, Fachjournalistin
Sven Tiemann, Ingenieur
(an der Jurierung krankheitshalber abwesend)