Plas­ti­sche Mas­ke aus Be­ton­scha­len

Zweckbauten der SBB erwartet man eher in der Peripherie. Die neue Serviceanlage Herdern steht jedoch mitten in Zürich und dient der Wartung von bis zu 400 m langen Zügen, die komplett in der Halle Platz finden.

Publikationsdatum
22-09-2017
Revision
22-09-2017

Zehntausende Bahnreisende fahren täglich am Neubau der Halle vorbei. Wegen der prominenten Lage am Rand des weiten Gleisfelds bei der Einfahrt in den Hauptbahnhof legte die Stadt Zürich grossen Wert auf die architek­to­ni­sche Ausformulierung des Gebäudes. Daher kon­zentrierten sich EM2N Architekten auf die den Zügen zugewandte Südfassade, um «dem Monster ein Gesicht zu geben», wie sie es ausdrücken. Die Architekten strukturierten die 420 m lange und 10 m hohe Fassade, um ihr einen Massstab und Plastizität zu verleihen.

Die technischen Aspekte des Gebäudes und der anspruchsvollen Bahninfrastruktur mit Krananlagen, ­Hebeböcken, Hochperrons und Fahrleitungen, die den Grossteil des mit 70 Millionen Franken veranschlagten Budgets ausmachten, hat das Ingenieurbüro Ernst Basler & Partner EBP projektiert. Die ARGE der beiden Unternehmen hatte den Projektwettbewerb 2009 für  die Generalplanung und die Totalunternehmer-Submission gewonnen. Bei der Realisierung verfügte sie über ein Qualitätssicherungsmandat zur Begleitung des Totalunternehmers.

Entwerfen im Korsett

Viele Entwurfsentscheidungen waren durch die Einbindung in die ­bestehenden Bahnanlagen bereits vorbestimmt. Die Grösse etwa, die Position auf dem Grundstück und funktionelle Vorgaben waren fest definiert. Die Höhe der Halle ergab sich aus der benötigten Hubhöhe der Krananlagen und den eingebauten Hochperrons. Letztere dienen der Wartung der Antriebe, die sich in den neuen Zügen im Drehgestell befinden und von unten zugänglich sein müssen. Auf dem Dach wurde eine ökologische Ausgleichsmassnahme umgesetzt. Eidechsen, die am Boden ihr Habitat hatten, finden hier wieder Platz.

Feinbeton und Faserzement

Als funktioneller, wärmegedämmter Stahlbau erfüllt die Halle die Mi­nergie-Anforderungen. Die Vorhangfassade ist hinterlüftet ausgeführt und setzt sich an der südlichen Schau­seite aus speziell angefertigten Schalenelementen aus glasfaserverstärktem Feinbeton zusammen (vgl. «Utopie mit System» S. 22). Die 500 kg schweren, 5 m langen und 2.5 m hohen Schalen haben eine Dicke von nur 20 bis 30 mm. Für ihre Herstellung kam ein Druckspritzverfahren zum Einsatz, bei dem die Betonmatrix zusammen mit den Glasfasern schichtweise in eine Schalung eingebracht wird. Rippen an der Rückseite dienen der Elementverstärkung.

Nach der Montage erzeugen die einzelnen kegelsegmentförmigen Schalenteile durch ihre modulare Anordnung eine expressive, drei­dimensionale Wirkung. Die Licht- und Schattenspiele auf der Hülle, die aus Platzgründen am Boden weniger weit auskragenden Fassadenbauteile und die Fensterflächen in ausgesparten Modulen tragen zusätzlich zur ­plastischen Ausstrahlung der Halle bei und verhindern, dass das sehr lange Gebäude monoton wirkt. Die demgegenüber ein Schattendasein fristende Nordseite ist an ein bestehendes Bauwerk angebaut und mit einem Standard­produkt verkleidet, nämlich Faserzement-Wellplatten.

Zwischen dem Bahnhof Zürich-Altstetten und dem Stellwerk des Hauptbahnhofs gelegen – beides Entwürfe des SBB-Haus­architekten Max Vogt –, erinnert die Fassade
des neuen Servicegebäudes wohl nicht zufällig an dessen Betonar­chitektur. Trug diese doch dazu bei, dass die SBB im Jahr 2005 den ­Wakkerpreis für beispielhafte Ortsbilder entgegennehmen konnte.
 

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