Ost-West – gleich und doch an­ders

Mit dem Bauhaus in Weimar, Dessau und Berlin hat Deutschland zwischen 1919 und 1933 Designgeschichte geschrieben. Eine Ausstellung im Vitra Design Museum zeigt die Entwicklung des deutschen Designs von 1949 bis 1989 in West und Ost – zwei Länder, eine Geschichte.

Publikationsdatum
12-04-2021

Die Bauhaus-Entwürfe für Gebrauchsgegenstände, Möbel und auch Bauwerke sind im Vergleich zu entsprechenden Produkten aus Italien oder Frankreich nicht immer besonders elegant geformt, bestimmt aber sachgerecht und nützlich ausgedacht. Jedenfalls fanden die aus der Bauhausbewegung hervorgegangenen Architekturen und Produktgestaltungen weltweit Beachtung.

Das Jahr 1933 markiert eine Zäsur dieser Entwicklung, und nach dem Zweiten Weltkrieg gingen Architektur und Produktgestaltung im zweigeteilten Deutschland weitgehend unterschiedliche Wege. Die Ausstellung «Deutsches Design 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte» stellt das Design der damaligen DDR und Bundesrepublik vergleichend gegenüber und zeigt ideologische und gestalterische Unterschiede wie auch Parallelen und Querbezüge von Ost und West.

Nutzen vs. Luxus

Dass Produkte der beiden getrennten Länder unterschiedlichen Philosophien, Standpunkten und Bedürfnissen folgten, illustrieren zwei Automarken: Der von 1958 bis 1991 in der DDR gebaute Kleinwagen Trabant mit seiner Duroplast-Karosserie, auch Trabi oder Plastebomber genannt, war ein populäres Nutzfahrzeug, das es 1976 auf 47 % aller in der DDR benutzten Pkw brachte.

Ganz anders im Westen der 1963 erstmals vorgestellte und ab 1964 gebaute Porsche 911 und 912, Targa genannt – ein luxuriöser Sportwagen, der kaum als praktisches Auto zu bezeichnen ist, sondern vielmehr der puren Fahrfreude verpflichtet war.

Im Gegensatz dazu das vom gebürtigen Ungarn Peter Ghyczy 1968 in der Bundesrepublik entworfene Garten-Ei, ein futuristisch angehauchter Kunststoffsessel. Dieser erlangte zuerst im Westen Serienreife; dann aber, 1971 mit dem Verkauf der Firma Elastoplast Reuter an BASF und damit der Polyurethantechnik in die DDR, wurde das Ei noch knapp zwei Jahre in Schwarzheide in der Nähe der Ortschaft Senftenberg in Ostdeutschland als Kleinserie weiter produziert – zu kostspielig für den Ostmarkt. Daher der Name «Senftenberger Ei» und auch der verbreitete Irrglaube, es handle sich um ein ostdeutsches Produkt.

Design und Zeitgeist

Die Ausstellung im Vitra Design Museum unterläuft die Klischeevorstellung «DDR-Design mit billig-buntem Plastik und klarer Funktionalismus in der BRD». Sie entfaltet vielmehr ein Panorama der deutsch-deutschen Designgeschichte der Nachkriegszeit und verdeutlicht Zusammenhänge von Design und Zeitgeist, Alltagskultur und weltpolitischem Umfeld, die das damalige Deutschland des Kalten Kriegs prägten.

Zudem besteht auch eine gemeinsame Geschichte des deutschen Designs, jene vor dem Zweiten Weltkrieg. Denn während der Weimarer Republik hatten zahlreiche Gestalter am Bauhaus oder an anderen Hochschulen gemeinsam studiert. Das thematisiert der erste Ausstellungsteil mit verschiedenen Szenen in Bezug auf das Design im geteilten Deutschland.

Eine Chronologie der Entwicklung

Im Anschluss an diese einleitende Darstellung im ersten Raum wird die deutsch-deutsche Designgeschichte in chronologischer Folge gezeigt. Das Jahr 1949 markiert den Beginn – die westlichen Besatzungszonen wurden zur Bundesrepublik Deutschland (BRD), die sowjetische Besatzungszone zur Deutschen Demokratischen Republik (DDR).

Beide Staaten förderten mit Wohnungsbauprogrammen den Wiederaufbau, was die Nachfrage nach Konsumgütern markant steigerte – das betraf Mobiliar, Geschirr, Elektrogeräte ebenso wie die Automobile. Was als modern galt, versinnbildlichen Alltagsgegenstände und zeigen fotografische Dokumente aus der Zeit.

Dabei sind verblüffende Parallelen auszumachen, aber auch Gegensätze festzustellen. So etwa ist das 1958/59 von Nick Roericht an der Hochschule für Gestaltung in Ulm entwickelte Hotelstapelgeschirr «TC100» (ab 1962 in Serie bei Rosenthal) wie der Pressglassatz Europa (VEB Glaswerk Schwepnitz 1964) von Margarete Jahny und Erich Müller ein platzsparendes stapelbares Produkt.

Und auch der zwar bullig wirkende Röhren-TV «Alex» (1957/58) von Horst Giese und Jürgen Peters (DDR) und das Radio-Plattenspieler-Kompaktgerät «Stereo-Phonosuper SK6» (1956/60) von Dieter Rams und Hans Gugelot (BRD) zeigen Gemeinsamkeiten.

Teils krass sind indes die Gegensätze in der Damenmode. Ein 1978 vom Model Irene Staub alias Lady Shiva präsentiertes gestricktes Oberteil der Kollektion «Fruits» von Claudia Skoda (Berlin West) drückt eine gänzlich andere Auffassung von Mode und damit auch des Lebensstils aus als die im selben Jahr vor einer Industrieanlage präsentierten bunten Gewänder aus dem VEB Textilkombinat Cottbus in der DDR.

Von der Zäsur 1961 zum Mauerfall 1989

Am 13. August 1961 begann der Bau der Berliner Mauer. Die strikte Trennung zwischen der DDR und der Bundesrepublik markierte letztlich auch eine Zäsur im Bereich der Gestaltung. Vordem hatten einige deutsche Unternehmen und Designer noch grenzüberschreitend gewirkt. Nun wurde Design zur Szenerie zweier politisch unterschiedlichen Systeme.

In der Bundesrepublik entwickelte sich Design zu einem wesentlichen Faktor für kommerziellen Erfolg in der Konsumgesellschaft. Die sozialistische Planwirtschaft in der DDR steuerte während dieser Ära das Design zentralistisch durch das Amt für industrielle Formgestaltung. Ziel war es, erschwingliche Produkte für breite Bevölkerungskreise zu schaffen.

Bundeskanzler Willy Brandts Ostpolitik löste während der 1970er-Jahre eine Annäherung zwischen den beiden deutschen Staaten aus – die Mauer fiel am 9. November 1989. Weite Teile der DDR-Industrieproduktion fielen diesem Zusammenschluss zum Opfer, damit verschwanden auch zahlreiche jener Produkte, die im Alltag der DDR allgegenwärtig waren.

Vorurteilslose Betrachtung

Die Ausstellung «Deutsches Design 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte» erzählt von bekannten und auch weniger bekannten Episoden des Designs in der DDR und der Bundesrepublik. Sie zeigt eine beeindruckende Vielfalt an Entwurfshaltungen und Stilauffassungen im Bereich der alltagsprägenden Produkte der Industrie und des Handwerks und bewirkt einen differenzierteren Blick auf die ideologischen Gegensätze zwischen Ost und West.

Erzählt wird über das deutsche Design der Nachkriegszeit als gemeinsame Geschichte. Unterschiede und Brüche wie auch Gemeinsamkeiten und Querverbindungen lassen sich so ausmachen. Die Schau im Vitra Design Museum trägt dazu bei, auch mögliche Mauern und Vorurteile des Denkens zu beseitigen.

 

Die Ausstellung Deutsches Design 1949-1989. Zwei Länder, eine Geschichte. ist bis 5. September 2021 im Vitra Design Museum in Weil am Rhein (D) zu sehen.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Paul Betts, Greg Castillo, Petra Eisele, Siegried Gronert, Jana Scholze, Katharina Pfützner, Eli Rubin, Katrin Schreiter, Oliver Sukrow, Carsten Wolff u.a.

 

 

 

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