Ma­nu­fak­tur Max Felch­lin: Ja­pa­ni­scher Ba­rock

Die Schokoladenmanufaktur in Ibach SZ fasst Produktion, Administration und Repräsentation seit Anfang 2019 an einem Standort zusammen. Der Bau von Meili, Peter & Partner Architekten verbindet ­japanische Bautradition mit heimischer Zimmermannskunst und spielt damit in einer eigenen Liga – funktionell, atmosphärisch, konstruktiv.

Publikationsdatum
20-11-2019

Seit mehr als 150 Jahren hält der japanische Kaiser Hesonusode Hof in der Innerschweiz. «Die Schweiz in Japan» hiess das Fasnachtsspiel der «Japanesengesellschaft Jeddo-Schwyz», das 1863 erstmals zur Aufführung gelangte. Bis heute bildet der Hauptplatz von Schwyz den Rahmen der alljährlichen Spiele der Japanesen, und so könnte man glauben, der in mancherlei Hinsicht japanisch anmutende Neubau des Verwaltungsgebäudes der Firma Felchlin im Nachbardorf Ibach hätte etwas mit dieser Tradition des innerschweizerischen Exotismus zu tun.

Doch es verhält sich anders. Einerseits kann man die Japonismen als eine Reverenz an einen wichtigen Kundenstamm des Schweizer Schokoladeherstellers verstehen – seit 1980 unterhält die Firma Geschäftsbeziehungen nach Ostasien, insbesondere nach Japan. Und andererseits sind sie ein Beleg für das Interesse der Architekten an japanischen Holzkonstruktionen und Fügungstechniken.

Nur wenigen, die Schweizer Schokolade schätzen, ist der Markenname Felchlin ein Begriff: Im Detailhandel und in spezialisierten Geschäften sucht man Produkte der Firma vergeblich. Grund dafür ist, dass Felchlin nach einem Prinzip arbeitet, das im Geschäftsjargon B2B – Business to Business – heisst. Man richtet sich also nicht an den Endverbraucher, sondern an Konditoren, Konfiseurinnen und Chocolatiers.

Die Halbfertigprodukte von Felchlin, besonders Kuvertüre, genies­sen in der Spitzengastronomie einen hervorragenden Ruf. Etwa 150 Mitarbeitende beschäftigt die Manufaktur, die sich aufgrund der Sorgfalt, mit der auf eine nachhaltige und faire Lieferkette geachtet und auf eine qualitätsbewusste Produktion gesetzt wird, von den industriellen Schokoladeherstellern absetzt.

Regelmässig veranstaltet die Firma für ihre Kunden zumeist einwöchige Schulungen zur Herstellung und Verarbeitung von Schokolade. Das Schulungszentrum, das sogenannte Condirama, befand sich bisher in Schwyz, während die Produktion 1974 nach Ibach verlagert worden war und die Verwaltung sich weiterhin in Seewen befand.

Diese missliche räumliche Trennung zu überwinden, alle Mitarbeitenden an einem Standort zusammenzuführen und überdies attraktivere Räumlichkeiten für die Seminare und Schulungen zu erhalten war Zweck des Bauprojekts von Meili, Peter & Partner Architekten, das aus einem auf Basis von Standortstudien 2014/2015 durchgeführten Studienauftrag als Sieger hervorging.

Gegen die Beliebigkeit

Das Fabrikgelände befindet sich am Westrand von Ibach in einem typischen ländlichen Gewerbegebiet, bei dem sich Landmaschinenhandlungen, anspruchslose Zweckbauten und Weiden abwechseln. Im Süden grenzt das Areal an die Kantonsstrasse, im Norden an die hier kanalisierte und von Dämmen gesäumte Muota. Die weitläufige Ebene, die sich bis nach Brunnen am Vierwaldstättersee erstreckt, wird optisch in alle Richtungen von markanten Bergen der Innerschweiz begrenzt: vom Urmiberg, dem Ausläufer des Rigimassivs, im Norden, von den Mythen im Osten, von Stoos und Fronalp­stock im Süden, von der Brandegg mit Seelisberg und Rütli im Westen.

Die Dachlandschaft – für einmal ist die Metapher wirklich zutreffend – spielt mit dieser Topografie, was besonders eindrucksvoll sichtbar ist, wenn man am anderen Ufer der Muota steht und das Felchlin-Gebäude mit seinen «drei Gipfeln» vor der Silhouette des Fronalpstocks sieht.

An die silbergrau verkleideten Produktionshallen an der Kantonsstrasse schliesst sich ein mit anthrazitfarbenen Blechpaneelen umhüllter Gebäudetrakt an, der ebenfalls zum Bestand gehört und der Produktion dient. Diesem haben Meili, Peter & Partner Architekten mit bewusstem Abstand und im rechten Winkel – sowie schräg zur eingedämmten Muota – ein Ve­r­waltungsgebäude zur Seite gestellt. Zu einem Ensemble zusammengefasst werden die Gebäude durch den lang gestreckten Dachaufbau mit seiner expressiven Struktur.

Als pavillonähnliche Holzkonstruktion überspannt dieses auf allen Seiten auskragende fünfte Geschoss die Lücke zwischen den beiden Baukörpern. Die Architekten integrieren das Bestandsgebäude, und auf den ersten Blick wird auch nicht offensichtlich, dass es sich um vorhandene Bausubstanz handelt. Somit ist ihr Ziel nicht der Kontrast – aber ebenfalls nicht die Homogenisierung.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 47/2019 «Schokoladenmanufaktur Max Felchlin».

Bauherrschaft
Max Felchlin, Ibach SZ


Architektur
Meili, Peter & Partner Architekten, Zürich

 

Baumanagment, Bauleitung
HSSP, Zürich


Tragwerk Massivbau, Baugrube
bpp Ingenieure, Schwyz


Tragwerk Holzbau, Brandschutz, Bauphysik, Akustik
PIRMIN JUNG Schweiz, Rain

 

Mitarbeit Tragwerk Holzbau
Création Holz, Herisau

 

Holzbau Dach und Fassade
ARGE Hecht Holzbau, Sursee / Bisang Holzbau Küssnacht

 

Entwicklung/Lieferung Dachstuhlkonstruktion
Neue Holzbau, Lungern

 

Landschaftsarchitektur
Müller Illien Landschafts­architekten, Zürich


HLK-Planung
3-Plan Haustechnik, ­Winterthur


Lichtplanung
matí, Adliswil


Fachplanung Spenglerarbeiten
Lees, Altikon


Vermessungswesen
HSK Ingenieur, Brunnen SZ

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