Ungebrannt
Ein ungewöhnlicher Turm ergänzt das Ziegelei-Museum in Cham. Die vorgespannte Konstruktion, die Boltshauser Architekten mit Studierenden dafür anwenden, verweist auf geeignete Methoden beim erdbebensicheren Bauen mit Elementen aus Lehm.
Zur Entstehungsgeschichte von Backsteinen und Dachziegeln bietet das Ziegelei-Museum in Cham ZG reichlich Material, das in den Ausstellungsräumen mit allen Sinnen zu erfassen ist. Das didaktische Programm findet seit April 2021 Ergänzung in Gestalt eines Turms aus Lehm. Er bietet eine kleine zusätzliche Ausstellungsfläche, einen Brennofen für Ziegel und eine Dachterrasse.
Von dort ist das geschützte Ensemble der früheren Ziegelhütte zu überblicken; auch die historische Lehmgrube, die allerdings nur noch als Biotop zu bestaunen ist. Die eigentliche Geschichte erzählt aber der Turm selbst, indem er auf das Ausgangsmaterial verweist, aus dem Ziegel entstehen.
Auf der Basis eines Entwurfs von Studierenden der TU München, der das Vorspannen von Stampflehmelementen vorsieht, stellten Studierende der ETH Zürich die Elemente unter Anleitung her. Als Material diente fetter Lehm aus Körbligen, vermengt mit Mischabbruch aus dem Kanton Schwyz – der nicht aufbereitete Aushub vor Ort kam aus Zeitgründen nicht zur Verwendung.
Der Clou liegt in der Stapelung der Module inklusive des Holzes, auf dem der Lehm gestampft wurde. Zwischen dem Betonsockel und einem oberen Ringanker aus Holz, der steif mit der Holzdecke verbunden ist, sind die Lehmelemente auf einer Höhe von rund 8 m über Zugseile vorgespannt. Im Wochenrhythmus ist das Museumspersonal dazu angehalten, die Last und die Umgebungstemperatur mittels eines Messgeräts festzuhalten. Bei grossen Abweichungen kann der Seilhersteller den Druck anpassen.
Die Erfahrungen mit dem so stabilisierten Baukörper erlauben weitere Forschungen in Bezug auf die Erdbebensicherheit. Die Befürchtung, eine fortwährende Reaktion des Lehms auf äussere Bedingungen könnte langfristigen statischen Ansprüchen nicht standhalten, hat sich bisher nicht bestätigt. Im Gegenteil: Betrachtungen historischer Lehmbauten weisen darauf hin, dass sich das Material unter Druck auf die Dauer verdichtet und festigt. Verwendet man das druckbelastbare Material in einer Bauweise, die die Zugkräfte aufnimmt, ergibt sich eine Hybridkonstruktion, mit der sich auch mehrgeschossige Baukörper stabil herstellen lassen.
Die Züge verlaufen in breiten Fugen – innenseitig mit einem Glasstreifen geschlossen – zwischen den Wandteilen und ergänzen das Netz der horizontalen Linien, das die Holzplatten bilden. Die Rhythmisierung löst die schwere und kompakte Erscheinung des Baukörpers auf und erhebt seine Konstruktion zum Gestaltungsmittel. Praktisch betrachtet haben sich die Holzplatten nicht nur als hilfreich beim Transport erwiesen, sondern schützen die Lehmelemente auch vor Erosion.
An den Ecken wurde dem Lehm nach historischem Vorbild Trasskalk zugefügt. Der von aussen zu bestückende Ofen besteht jedoch aus in diesem Zusammenhang schon fast konventionell zu nennenden Terrablocs – industriell gefertigte, stabilisierte Lehmsteine, die aufgrund zementhaltiger Zuschläge den Brenntemperaturen standhalten.
Der Turm muss in zehn Jahren wieder rückstandslos abgebaut werden, weil er in einem Naturschutzgebiet steht. Ein erneuter Einsatz der Lehmelemente als Ganzes ist denkbar, in jedem Fall aber ermöglicht eine teilweise Wiederverwendung der Grundmaterialien die Integration des Projekts in die Kreislaufwirtschaft.
Am Bau Beteiligte
Bauherrschaft
Verein Ofenturm Ziegelei-Museum, Cham ZG
Architektur
Boltshauser Architekten, Zürich, mit Studierenden der TU München und der ETH Zürich
Tragkonstruktion
Seforb, Uster ZH
Lehmbau
Lehmag, Brunnen ZG, mit Studierenden verschiedener Hochschulen
Lehmsteinmauerwerk
Terrabloc, Genf
Vorspanntechnik
Jakob Rope Systems, Trubschachen BE
Facts & Figures
Planung: 2017–2021Geschossfläche: 60 m2
Gebäudevolumen: 480 m3
Baukosten (BKP 1–9): 780 000 Fr.