Pas­sa­gie­re nicht im Re­gen ste­hen las­sen

Für das Warten auf Tram und Bus stehen in der Stadt Bern vielerorts kleine Unterstände. Sie gehören ebenso zum Stadtbild wie die roten Fahrzeuge von Bernmobil. Für die nächste Generation dieser Wartehäuschen führte das Hochbauamt eine Konzeptstudie im selektiven Verfahren durch. Das Rennen machte die ARGE Tobias Erb / Dr. Schwartz Consulting / Lukas Ingold Architektur.

Publikationsdatum
24-01-2024

In der Stadt Bern finden sich derzeit 417 ÖV-Haltestellen, im Bürokratendeutsch «Haltekanten» genannt – früher hiessen diese schlicht und einfach «Perrons». 160 davon sind mit Wartehäuschen ausgestattet. Die meisten (143 Stück) besitzt das Tiefbauamt; Bernmobil und Immobilien Stadt Bern teilen sich den Rest.

Das Tiefbauamt Stadt Bern ist dafür verantwortlich, an Halte­stellen des kommunalen öffentlichen Verkehrs die Infra­struktur bereitzustellen. Dazu gehören auch die Wartehäuschen. Sie bilden einen wichtigen gestalterischen Bestandteil des öffentlichen Stadtbilds. Um ein einheitliches Strassen­bild zu gewährleisten, wurde in den letzten 20 Jahren in der Regel der Typ «Stadt Bern» ausgeführt.

Neuer Wartehallen-Typ gesucht

Die hohen Erstellungskosten der bestehenden Wartehallen sowie gestiegene Ansprüche an die Nachhaltigkeit führten zur Beschaffung eines neuen Wartehallentyps. Nebst einer städtebaulich hochwertigen Lösung standen die Kostenop­timierung sowie die Wertigkeit und eine klimaschonende Materialisierung im Fokus. Sparpotenzial sehen die Behörden vor allem bei der Herstellung der künftig neu zu erstellenden oder zu ersetzenden Unterstände. Um eine adäquate Nachfolge­lösung zu finden, führte das Hochbauamt im Mandat des Tiefbauamts eine Konzeptstudie im selektiven Verfahren durch.

Derzeit gelten 800 Passagiere täglich als grober Schwellenwert, der einen Unterstand an einer Haltestelle rechtfertigt. Gemäss Tiefbauamt sind in den kommenden zehn Jahren 55 dieser Unterstände neu zu erstellen, rund die Hälfte davon als Ersatz für bestehende. 38 Wartehäuschen sollen mit einem neuen Typ ausgestattet werden.

Konzeptstudie schafft Klarheit

Fünf Architekturteams wurden im April 2023 zur Teilnahme an einem entsprechenden Wettbewerb eingeladen, sie alle reichten ihre Entwürfe ein. Nach erfolgter Vorprüfung kam die Jury zum Schluss, den Entwurf des Teams 1 (ARGE Tobias Erb/ Dr. Schwartz Consulting / Lukas Ingold Architektur, Bern) mit der Weiterbearbeitung zu beauftragen. Das Motto zu diesem Entwurf wirkt so poetisch wie treffend:«Irgendeinisch fingt ds Glück eim... irgend an ere Bushautsteu» (Züri West, 2004).

Dem Verfasserteam ist ein überzeugender Entwurf mit einer zeitlosen Ästhetik gelungen. Der Vorschlag kann sich als erkennbare Sekun­därbaute in unterschiedlichen städtebaulichen Umfeldern – z.B. Innenstadt oder Aussenquartier – behaupten und passt zudem gut zum bereits bestehenden Wartehallentyp.

Einige Aspekte des Entwurfs sind auf Sicht der Jury zu überprüfen: Zum Beispiel die Positionierung der Stützen sowie die Detaillierung der Anschlüsse gegen das Terrain, die baulichen Vorgaben des Behinderten-Gleichstellung-Gesetzes, Anforderungen an den Betrieb im Blick auf Reinigung und Unterhalt, Anordnung der Möblierung und eine Optimierung der Fundamentplatte bezüglich Versickerungsfähigkeit und Wurzelschutz.

Kleine Bauaufgabe, grosse Wirkung

Ein Unterstand oder Wartehäuschen für die Passagiere des ÔV erscheint auf den ersten Blick als einfache, eigentlich sogar unscheinbare Aufgabe. Doch diese Kleinarchitektur am Strassenrand hat Signalwirkung und prägt das Stadtbild mit.

Die Bedürfnisse der Passagiere und die Anforderungen der Stadt sind unter einen Hut zu bringen, das Konzipieren einer städtischen Möblierung im öffentlichen Raum erweist sich in jeder Hinsicht als anspruchsvoll. Die unterschiedlichen Lösungsansätze aus diesem Wettbewerb haben eine breite Diskussion der wesentlichen Fragen zu Aufgabe ausgelöst und der Jury erlaubt, eine eindeutige Empfehlung an die Bauherrschaft abzugeben. Auch bei kleineren Aufgaben lohne sich der Aufwand für ein zwar schlankes, aber qualifiziertes Auswahlverfahren – so die Überzeugung der Jury.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer

 

Team 1

ARGE Tobias Erb / Dr. Schwartz Consulting / Lukas Ingold Architektur

 

Team 2

ARGE 10:8 Architekten / Ingenta

 

Team 3

ARGE Alias Architects / tragwerk + Bauingenieure

 

Team 4

ARGE Bauzeit Architekten / Stafem

 

Team 5

ARGE Kolabor / Müller-Wildbolz Partner / Indermühle Bauingenieure  / Ing. Structum

Fachjury

 

Madeleine Bodmer, Architektin, Hochbau Stadt Bern (Vorsitz)

Peter Berger, Architekt, Zürich

Stefan Lauber, Dr. sc. ETH, Stadtplanungsamt

Tivadar Puskas, Ingenieur, Basel

Ursula Stücheli, Architektin, Bern/Zürich

Alexandra Clausen, Hochbau Stadt Bern, Verfahrensleitung, (Ersatz)

Kurze Geschichte des öV in der Stadt Bern

 

Die Geschichte des öffentlichen Verkehrs in Bern geht zurück ins Jahr 1871. Damals – vor über 150 Jahren – legten die Bernerinnen und Berner die Strecke zwischen Bärengraben und Linde erstmals mit Pferde-Omnibussen zurück.

 

Mit der Berner Tramway-Gesellschaft (BTG) 1888 begann die eigentliche Geschichte des städtischen Personentransports. 1890 nahm sie das erste Drucklufttram in Betrieb. Das «Lufttram» war nach dem System des Pariser Ingenieurs Louis Mékarski gebaut. An beiden Endstellen befand sich eine Drehscheibe zum Wenden der Fahrzeuge.

 

Bis ins Jahr 1902 fuhr es zwischen Bärengraben via Bahnhof zum Friedhof. Die Trams waren beliebt: Im Jahr 1892 beförderten sie über eine Million Fahrgäste, was bei bloss 16 Sitz- und zwölf Stehplätzen eine stolze Leistung ist. Das um 1890 erstellte Warthäuschen dieser Linie beim Bärengraben, ein bretterverschalter Ständerbau mit Giebeldach, ist erhalten und leistet weiterhin treu seine Dienste. Es stammt von Anselmier & Gautschi, Technisches Büro in Bern (vgl. Bild 6 in der Galerie).

 

Für die zweite Linien zwischen Länggasse und Wabern erhielt die BTG die Konzession für den Dampfbetrieb. Sie wurde im Mai 1894 eröffnet.

 

Doch die Dampftrams hatten ebenfalls bald ausgedient. Der elektrische Antrieb machte grosse Fortschritte. Die saubere Energieform spielte nun gerade in städtischen Gebieten ihre Vorteile aus. Auf dem Berner Tramnetz begann das Stromzeitalter 1901. Die Dampftrams wurden nach und nach ausgemustert – eines hat bis heute überlebt (Berndeutsch: «Glettise», also Bügeleisen)) und wird für Extrafahrten eingesetzt.    

(Quelle: Bernmobil / Charles von Büren)

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