Kli­ma­de­sign für die Zu­kunft

Resiliente Gebäude

Der Klimawandel schreitet voran, so viel ist sicher. Aber wie gut sind die Gebäude, die wir heute bauen, darauf vorbereitet? In der Forschung werden derzeit Strategien zur klimatischen Gebäudeanpassung untersucht.

Publikationsdatum
30-03-2017
Revision
31-03-2017
Viola John
Redaktorin TEC21 / Konstruktion und nachhaltiges Bauen

Was erwartet uns in der Zukunft? Zumindest was die voraussichtlichen klimatischen Veränderungen betrifft, muss hierzu nicht erst die Kristallkugel befragt werden: Das Intergovernmental Panel of Climate Change (Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen) IPCC1 wartet schon heute mit detaillierten Prognosen und regionalen Szenarien für das 21. Jahrhundert auf. Das Fazit daraus: Klimaexperten rechnen mit einer ganzjährigen Erhöhung der Aussentemperaturen in der Schweiz bei einer gleichzeitigen Zunahme trockener Tage in der wärmeren Jahreszeit (vgl. Grafiken).2 Dies hat auch Auswirkungen auf die Behaglichkeit in Innenräumen. Der Temperaturbereich, den der Mensch als angenehm empfindet, liegt zwischen 17 und 24 °C, wobei die Behaglichkeit auch abhängig ist von der relativen Luftfeuchtigkeit im Raum (vgl. Grafik).

In Zukunft wird es in unseren Breiten im Sommer aufgrund der höheren Aussentemperaturen zu einem erhöhten Kühlbedarf innerhalb von Gebäuden kommen, um die Behaglichkeit sicherzustellen. Gleichzeitig wird das prognostizierte mildere Klima im Winter eine niedrigere Heizlast und kürzere Heizperioden zur Folge haben. Heizsysteme heutiger Bauten sind für das zukünftige Klima also vermutlich zu gross ausgelegt, während heute eingebaute Kühlsysteme für zukünftige Anforderungen unterdimensioniert sind. Gebäude von heute können somit auf die bis zum Ende dieses Jahrhunderts zu erwartenden Temperaturänderungen nur bedingt reagieren, da sie vom Stand der Technik her nicht dafür konzipiert sind.

Gebäude für den Klimawandel fit machen

Wollen wir unsere Häuser fit für die Zukunft machen, müssen wir rechtzeitig ihre Wandelbarkeit und An­passungsfähigkeit sicherstellen. Das Schlagwort hierbei heisst «Gebäuderesilienz». Unter Resilienz versteht man ganz allgemein die Fähigkeit eines Systems, auf Veränderungen oder Störungen zu reagieren und sie auszugleichen bzw. unbeschadet zu überstehen (vgl. «Ein Begriff, zwei Definitionen – Resilienz»). Resiliente Gebäude sind krisenfest konzipiert, sodass sie ohne grossen Aufwand an sich ändernde Umwelt- und Nutzungsbedingungen angepasst werden können.

Im Gebäudekontext ist Resilienz eng mit den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung verknüpft. Für den Störungsfall Schaden und Reparatur am Gebäude – etwa wenn ein Bauteil oder die Haustechnik ausgetauscht werden muss – werden modulare Systeme und Strategien zur Systemtrennung als besonders resilient ­eingestuft, also jene Strategien, die auch als nachhaltig gelten (vgl. «Höhere Fügung»). Sie ermöglichen eine schnelle und einfache Schadensbehebung. Ein Wandel von Nutzeranforderungen kann ebenfalls einen Störungsfall darstellen, der insbesondere bei Bürobauten zu beobachten ist. Hier schaffen flexible Raumnutzungskonzepte und hohe Deckenhöhen Abhilfe.

Obwohl uns diese Aspekte schon aus den Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung im Bauwesen bekannt sind, werden sie für das Thema Resilienz in einen etwas anderen Kontext gestellt. Denn während es bei der nachhaltigen Entwicklung vorrangig darum geht, menschenwürdige Lebensumstände zu schaffen und Gefahren zu minimieren – dies soll über gesellschaftliche Ideale und durch die aktive Gestaltung der gegebenen Verhältnisse erreicht werden –, geht es bei der Resilienz nicht um eine Korrektur zerstörerischer Verhältnisse, sondern darum, sich an den voranschreitenden Zerstörungsprozess anzupassen.

Widersprüchliche Anforderungen

Bezogen auf Aspekte des Klimawandels werden Gebäude beispielsweise durch das Zusammenspiel von Gebäudehülle und -technik und einer vorausschauenden Auslegung der erforderlichen Heiz- und Kühlsysteme resilient. Forscher der Hochschule Luzern haben verschiedene Kühlabgabesysteme in Bürobauten miteinander verglichen und analysiert, wie gut sie sich jeweils an zukünftige Klimaentwicklungen anpassen lassen.3 Für die Untersuchung wurden Umluftkühlung, Kühldecken und Betonkernaktivierung betrachtet. Dabei wurde die Robust­heit der Systeme in Bezug auf Energiebedarf und thermische Behaglichkeit untersucht. Gut geeignet für eine Klimaanpassung sind laut der Studie Kühldecken und Betonkernaktivierung. Letztere steht allerdings im Widerspruch zum Wunsch nach Systemtrennung für resiliente Gebäude.

Kühldecken haben Einfluss auf die empfundene Temperatur und verfügen über mehr Leistungsreserven als andere Systeme. So können sie die Behaglichkeit auch dann gewährleisten, wenn der Kühlbedarf steigt. Für die Untersuchung wurde eine geschlossene Kühldecke aus Kunststoff-Kapillarrohrmatten im Kunststoffputz auf einem Putzträger betrachtet.

Das System Betonkernaktivierung schnitt zwar in puncto Klimaanpassung gut ab, was den Energie­bedarf sowie die Überhitzungsstunden im Sommer anbelangt, wurde es in der Studie allerdings fast durchgehend schlechter bewertet als die anderen Systeme. Eine Betonkernaktivierung bietet den Vorteil, dass die Nachtbetriebszeit des Systems angepasst werden kann, aber hierzu wird eine Nachtvorkühlung benötigt. Diese wiederum senkt die Raumtemperatur auf ein tieferes Niveau als eigentlich nötig wäre und erhöht so den Bedarf an Nutzenergie. Für die Betonkernaktivierung wurde eine 30 cm dicke Betondecke mit einem wasserdurchflossenen Rohrsystem betrachtet.

Umluftkühlsysteme schnitten in der Studie in Bezug auf den Energiebedarf gut ab, eignen sich aber weniger gut zur Klimaanpassung als die anderen ­Systeme. Bei Gebäuden mit grösserer Masse hat die Umluftkühlung einen kleineren Klimakältebedarf im Vergleich zur Kühldecke. Betrachtet wurde ein Umluftkühlgerät ohne Entfeuchtung, das auf der Sekundärseite mit Kaltwasser betrieben wird. Die Raumluft wird mit einem Ventilator und mit konstantem Volumenstrom durch einen Wärmetauscher geschickt.

Die Ergebnisse legen ausserdem nahe, dass Kälteabgabesysteme, die für heutige Klimabedingungen dimensioniert sind, nicht in der Lage sind, den Kühlbedarf der Zukunft zu decken. Es ist sinnvoll, sie zum Zeitpunkt der Erstellung bis zu einem gewissen Grad überzudimensionieren, damit sie auch einen zunehmenden Klimakältebedarf problemlos abdecken.

Proaktive Anpassung an den Klimawandel

Die Tragweite des Klimawandels ist noch immer mit Ungewissheit behaftet. Wie schwer sich der Wandel auswirkt, wird abhängig sein von der Klimasensibilität der Erde und ihrer Resilienz gegenüber den Kräften, denen sie ausgesetzt ist. Die Frage ist, wie schnell wir es schaffen können, uns und unsere Gebäude proaktiv an klimatische Veränderungen anzupassen. Dass die Zeiträume zur Abwendung der Klimakata­strophe und zur Anpassung unserer gebauten Umwelt jenseits von typischen politischen und sozioökonomischen Zeithorizonten liegen, vereinfacht die Aufgabe nicht unbedingt. Um langfristig potenzielle zukünftige Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden und dessen Effekte zu mildern, müssen dennoch bereits heute dringend Massnahmen ergriffen werden.

Entwurfsleistungen zur Gebäudeadaption hinsichtlich zukünftiger Anforderungen des Klimawandels sind im Bauwesen momentan noch kaum erkennbar. Und das, obwohl die Risiken, die aus dem Klimawandel für Gebäude und deren Bewohner entstehen können, bereits heute bekannt sind. Es braucht politische Vorgaben, die Bauherren und Planern deutlich die Signifikanz von klimaadaptiven Gebäuden und die damit verbundenen Anforderungen an das Gebäudedesign signalisieren. Architekten und Ingenieure müssen Gebäude in der Planungsphase stärker auf diese Anforderungen hin ausrichten und darin geschult werden, wie gutes Klimadesign für die Zukunft aussehen kann. Denn, um es mit den Worten des griechischen Staatsmanns Perikles zu sagen: «Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorauszusagen, sondern darauf, auf die Zukunft vorbereitet zu sein.»

Anmerkungen
1 IPCC: Climate Change 2014: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (Core Writing Team, R.K. Pachauri and L.A. Meyer [eds.]), Genf 2014.
2 E.M. Zubler et al.: Key climate indices in Switzerland; expected changes in a future climate, Climatic Change 123:255., 2014, DOI: 10.1007/s10584-013-1041-8.
3 Bundesamt für Energie BFE (Hrsg.): Robustheitsbewertung von integrierten gebäudetechnischen Kühlkonzepten in Verwaltungsbauten hinsichtlich Klima und Nutzervariabilität, Schlussbericht, Bern 2017.
 

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