Holz schafft ei­ne hei­len­de Um­ge­bung

Kinderspital Zürich

Auch wenn die Tragstruktur bei einem der grössten Spitalbauten der letzten Jahre kein Holzbau ist, spielt das Material eine tragende Rolle – vor allem im Hinblick auf einen Ort, an dem die kleinen Patientinnen und Patienten gesund werden können.

Publikationsdatum
09-10-2025

Der Bau des neuen Kinderspitals in Zürich ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert: räumlich aufgrund seiner Grundrissdisposition als Stadt im Haus mit Höfen, Strassen, Gassen und Plätzen, in Bezug auf die organisatorische Leistung, sowohl während der Projektierung, der Erstellung als auch jetzt im Betrieb, architektonisch, beispielsweise durch die gelungene Verbindung von aussen und innen mit Einbezug des Tageslichts, und nicht zuletzt auch mit Blick auf seine Grösse mit einer Geschossfläche von knapp 80 000 m2, rund 3000 Mitarbeitenden sowie jährlich über 100 000 Patienten und Patientinnen. 

Trotz dieser eindrücklichen Zahlen wirkt das neue Akutspital auf Besucherinnen und Besucher nicht erdrückend, sondern ist überschaubar und einladend. Auch das typische, etwas mulmige Gefühl, das sich bei Spitalbesuchen bisweilen einstellen kann, bleibt aus, wenn man das Gebäude über den gläsernen, leicht rosa schimmernden Haupteingang betritt. Diesem ist ein bepflanzter Innenhof vorgelagert, in den man durch das zweigeschossige, in die Fassade eingeschnittene Tor gelangt, das sich gegen aussen weit öffnet. Offensichtlich ist Herzog & de Meuron gelungen, was sie sich bei diesem Bau vorgenommen haben: einen Ort mit einer heilenden Umgebung zu schaffen. Hier soll nun die Frage im Vordergrund stehen, welche Rolle dabei das Material Holz spielt und welche weiteren Aspekte zu dieser Wahrnehmung beitragen.

Holz in seiner ganzen Vielfalt

Konstruktiv sind beim Kinderspital aus-schliesslich die Patientenzimmer Holzbauten. Holz prägt auch deren Innenausbau, angefangen bei den geneigten Decken, die formal eine geborgene Behausung schaffen, über die Möbel bis zum Boden. Hier fallen zudem kind- und familiengerechte Details ins Auge wie das runde Guckloch zur Aussenwelt, das sich öffnen lässt, oder die Bank, die für Angehörige nachts zum Liegebett wird. Christine Binswanger, Architektin und Senior Partner bei Herzog & de Meuron, erklärt, sie hätten das Material auf verschiedene Art und Weise eingesetzt, immer mit dem Ziel, dass es warm und angenehm ist. 

Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft «Stadt aus Holz – Gesundheitsbauten und Kreislaufwirtschaft». Weitere Artikel zum Thema Holzbau finden Sie in unserem digitalen Dossier.

Anders als in Spitälern üblich, gibt es beim Neubau des Akutspitals Zonen mit unterschiedlichen hygienischen Levels: das Restaurant, die Patientenzimmer und hochklinische Bereiche. Ein Anliegen, das die Bauherrschaft unterstützt habe, so Binswanger. Sie hätten das Holz dadurch so einsetzen können, dass sich dessen Präsenz verändere. Im Bereich der Operationssäle zeigt sich das Material nur noch als Profile oder bei den Fenstern, die auch hier aus Holz sind.

Bei der Möblierung hätten sie Holz für horizontale Flächen nur spärlich eingesetzt und wenn, dann versiegelt. Die Spielhöfe aus Holz liegen zwar im Freien, wirken aber sehr präsent, weil sich die Grenzen zwischen aussen und innen verwischen. Ebenso wie die hölzerne Aussenfassade, die die raumhaltige Betonstruktur differenziert ergänzt – und gleichzeitig formal mit den Decken der öffentlichen Erschliessungsbereiche im Inneren korrespondiert. Ausschlaggebend für die Wahl und die Vielfalt des Materials, das auf die unterschiedlichen Nutzungen abgestimmt ist, seien die positiven Erfahrungen mit dem Bau für die REHAB in Basel vor gut 20 Jahren. «Wir wollten, dass das Kinderspital wie ein Holzhaus wirkt», so Binswanger. 

Gleichzeitig entsteht durch die gewählte Bauweise mit der raumhaltigen Struktur der Fassade, mit Stützen und Erschliessungskernen in Beton in Kombination mit der Leichtbauweise in Holz und weiteren Materialien eine Flexibilität, die es den Abteilungen erlaubt, zu wachsen oder sich zu verkleinern. So ergibt sich trotz der markanten äusseren Form eine für den Spitalbau essenzielle innere Variabilität.

Natur, Poesie und Pragmatismus

Neben der Holzarchitektur übernehmen die Bepflanzung der Innenhöfe und das Konzept der Umgebungsgestaltung von August + Margrith Künzel einen wichtigen Part bei der Wirkung des Spitals als Ort, an dem man gesund werden kann. Bereits seit den 1980er-Jahren sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass der Blick in die Natur den Krankheitsverlauf verbessere, sagt Binswanger. 

Neben der sachlichen Spitalatmosphäre lassen die Innenhöfe eine Art zweite Welt entstehen, als informelle Struktur, wie in einer Stadt eben, wo es Strassenfassaden und Hinterhöfe gibt. Und manchmal spielt auch der Zufall eine Rolle: Erst beim Aushub entdeckte man Findlinge, die nun Teil des Konzepts sind – platziert im Freien und in den Innenhöfen, auch im Zusammenspiel mit den Kunstinstallationen. Die Findlinge liegen jetzt da, als ob das schon immer so gewesen wäre.

Teil des Landschaftskonzepts sind ebenso die rund 250 Obstbäume, die um das Gebäude gepflanzt wurden, in Fortführung des Naturgartens des benachbarten Burghölzli, der unter Schutz steht. Essenziell für die Raumwahrnehmung ist auch das Tageslicht, das es sogar in den Operationssälen gibt, wo aber in erster Linie das Reinigungspersonal davon profitiert, denn während der Operation wird der Saal verdunkelt. Das ist nur ein Beispiel für die Aspekte einer sozialen Nachhaltigkeit, die beim Entwurf die Bedürfnisse der kleinen Patienten, der Angehörigen und der Mitarbeitenden gleichberechtigt ins Zentrum stellte.

AM BAU BETEILIGTE

 

Bauherrschaft: Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung, Zürich

Architektur: ARGE HdM Basel Ltd. / Gruner, Switzerland, Basel; Jacques Herzog, Pierre de Meuron, Christine Binswanger

Statik Holz: Pirmin Jung, Frauenfeld (Fassade); ZPF Ingenieure, Basel (Elementbau Patientenzimmer)

Landschaft: August + Margrith Künzel Landschaftsarchitekten, Binningen; Andreas Geser Landschaftsarchitekten (Ausführung)

Holzbau Ausführung: Künzli Davos (Fassaden); kifa Holzbau (Elementbau Patientenzimmer)

Pfosten-Riegel, Fenster und Türen in Holz, Schiebetüren aus Metall: 4B, Hochdorf

Fenster und Eingangstüren in Holz: Huber Fenster, Herisau

Glastrennwände, Empfangsanlagen: Springline, Regensdorf

 

GEBÄUDE

 

Geschossfläche: 79 215 m2 (Akutspital)

Gebäudevolumen: 346 307 m3 (Akutspital)

Fassadenfläche in Holz: 10 000 m2

Label: SGNI Platin (Swiss Sustainable Building Council)

 

HOLZ UND KONSTRUKTION

 

Konstruktion: Holz und Beton

Holz: Ständer Aussenwände in Fichte/Tanne FSC, Fassade Douglasie sägeroh oder gehobelt FSC

 

DATEN UND KOSTEN

 

Bauzeit: 2018–2024

Baukosten: nicht kommunziert

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