Ge­mein­schaft­li­ches Woh­nen neu den­ken

«Zusammenhalt kann durch Wohnen befördert werden», und integrative Wohnprojekte seien eine Chance, dies zu erreichen – so zwei Erkenntnisse eines deutschen Forschungsprojekts. Wie dies gut und weshalb es teils weniger gut gelingt, zeigt das Team in Aufsätzen und mit Fallbeispielen.

Publikationsdatum
07-01-2021

Die Erkenntnisse der Studie «Zusammenhalt braucht Räume – integratives Wohnen mit Zuwanderern» sind das hochaktuelle und interessante Thema dieser Neuerscheinung. Von Oktober 2017 bis März 2020 wurden dafür integrative Wohnprojekte in Deutschland untersucht; im Fokus stand die Frage, wie aufgrund des aktuellen Wandels der Zusammenhalt moderner Gesellschaften gesichert werden kann.

«Zusammenhalt» ist dabei als Integration und Teilhabe zu verstehen, «integrativ» als freiwilliges und interkulturelles Zusammenwohnen mit dem Fokus auf Neuzugewanderte und Ortsansässige. Das Projektteam ist entweder an der Fakultät Architektur und Stadtplanung der Universität Stuttgart oder am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) tätig.

Für die Lektüre des optisch eher kleinen Buchs sollte man ausreichend Zeit mitbringen, denn es bietet viel fundierten Inhalt und eine teils sehr wissenschaftliche Sprache. Hervorzuheben ist auch, dass die wichtigsten Begrifflichkeiten im Kontext des Buchs definiert und viele der verwendeten Methoden detailliert beschrieben werden. Das schafft Klarheit und vermeidet Missverständnisse.

Im ersten Teil schildern die Beteiligten die Ausgangssitua­tion, die Ziele und die Herangehensweise des Projekts sehr genau. Dieser ­Abschnitt umfasst eine Einleitung, einen Aufsatz mit vielen Hintergrundinformationen und die schriftliche Fassung eines Vortrags, gehalten im Rahmen der Abschlusstagung des Forschungsprojekts. Darin erläutert die Autorin Ingrid Beckner mit bekannten und neuen Thesen den Zusammenhang zwischen Wohnen und gesellschaftlicher Teil­habe im Kontext von Wanderung und Zu­wanderung.

Den Auftakt für den zweiten Teil mit den Fallbeispielen bildet ein Beitrag zum Difu-Teilprojekt, das aktuelle kommunale Handlungsansätze zur Förderung von Integration neu zugewanderter Menschen erfasste. Zitate der Interviewpartner bereichern den Text und vermitteln ein direktes Bild der vorherrschenden Probleme und Möglichkeiten.

Im Weiteren beschreiben die Herausgeberinnen den mehrstufigen Auswahlprozess der Fallbeispiele, der mit 35 Bauten startete. Auf eine erste Bewertung nach sozialen und architektonischen Kriterien folgte eine Feingliederung, beispielsweise nach ihrer Verteilung in Deutschland, der Bewohnerstruktur und der Grösse, die wiederum zur Endauswahl von sechs Projekten führte. Diese werden sodann umfassend und sehr gut ­verständlich anhand von neun Merkmalen vorgestellt. Dazu gehören architektonische Botschaft, interne Begegnungsmöglichkeiten und gesicherte Wohnperspektive. Damit die Leser immer parat haben, wie diese Merkmale in der Studie definiert wurden, hat das Team ein praktisches und gelungenes Hilfsmittel entwickelt: ein Lesezeichen mit den neun Titeln und Kurztexten, das ­herausgetrennt und dann neben das Buch gelegt werden kann.

Damit die einzelnen Projekte gut miteinander vergleichbar sind, ist jedes Kapitel identisch in fünf Bereiche unterteilt, darunter «Impressionen», «Steckbrief» und die Sekundäranalyse mit den Motiven des Zusammenwohnens. Bilder, übersichtlich gestaltete und sehr gut lesbare Karten, wie zu fussläufig erreichbarer Infrastruktur und zu Bewegungsabläufen im Haus, sowie ebenso schön angelegte und eigens aufbereitete Pläne bereichern die Projektdarstellungen inhaltlich und optisch sehr.

So bietet dieses Buch den ersten bundesweiten Überblick zu integrativen Wohnprojekten inklusive einer fundierten Bewertung und einer Darstellung der Möglichkeiten, wie sie weiter verbreitet und übertragen werden können. Denn, so das Fazit: Diese können «einen positiven Einfluss auf Integration haben».

Angaben zur Publikation

Christine Hannemann / Karin Hauser (Hrsg.): Zusammenhalt braucht Räume. Wohnen integriert. Jovis Verlag, Berlin 2020. 192 S., ca. 150 farbige Abbildungen, 17 × 24 cm, Schweizer Broschur, ISBN 978-3-86859-640-3, 34.90 Fr.

 

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