For­schen für die Pra­xis

HiLo und DFAB House kompakt

Mit den heute gängigen Baumethoden ist es unmöglich, nichtstandardisierte Geometrien in Beton nachhaltig herzustellen. Forscher der ETH Zürich testen verschiedene Methoden zur Herstellung freier Formen mit dem Ziel, diese zur Marktreife zu bringen.

Publikationsdatum
28-05-2020

Die tragenden Elemente eines mehrstöckigen Gebäudes machen bis zu 50 % seiner grauen Energie aus. Insgesamt beträgt der Anteil der Bauindustrie an den weltweiten Treibhausgasemissionen 40 %. Beim Materialverbrauch nimmt die Bauwirtschaft ebenfalls einen Spitzenplatz ein: 10 Mrd. t Beton werden jährlich verbaut. Für 2050 gehen die Hochrechnungen von einen Verbrauch von 60 Mrd. t aus. Auch beim Abfall bringt es die Branche auf 25 %.1

Mehrere ­Forschungsgruppen der ETH Zürich gehen daher der Frage nach, wie sich mithilfe digitaler Werk­zeuge und Fertigungsmethoden materialgerecht und umwelt­schonend entwerfen und produzieren lässt. Die Ergebnisse werden vor allem im NEST (Next Evolution in Sustainable Building Technologies) sichtbar, der Brücke zwischen Forschungslabor und Markt (vgl. TEC21 22/2016 «Empa NEST, Brutplatz für die Forschung»).

Realbetrieb ab 2021

Die Unit HiLo (High performance, Low energy) auf der obersten Plattform des NEST ist ein Versuch, Gebäudeelemente neu zu denken. Das Dach – eine doppelt gekrümmte Struktur – und die Bodenelemente in Leichtbauweise entwickelten die Forscher der Block Research Group (vgl. «Wir suchen Wege, Materialien effizient zu nutzen»).

Die Schalung für das Dach setzt sich zusammen aus einem Kabelnetz und einer darüber gespannten Membran. Das Netz ist in einem wiederverwendbaren Holzrahmen eingespannt, der von einem herkömmlichen Gerüst gestützt wird. Es ist so ausgelegt, dass es unter dem Gewicht des nassen Betons die gewünschte Form annimmt. Dafür sorgt die ungleichmässige Kräfteverteilung in den einzelnen Kabeln.

Für die Berechnung und Optimierung ent­wickelten die ­Forschenden eigene Algorithmen. Drei Personen errichteten die Netzstruktur in nur wenigen Wochen (vgl. «HiLo – Beton in neuer Schale», TEC21 10–11/2018). Das Tragwerk des Dachs wurde in einer Versuchshalle im Massstab 1 : 1 errichtet; bis voraussichtlich Ende 2020 entsteht es an seinem eigentlichen ­Bestimmungsort ein weiteres Mal.

Eine ausführlichere Version dieses Artikels finden Sie in TEC21 15–16/2020 «Beton, frei geformt».

Um Material zu sparen, ohne das Tragverhalten zu beeinflussen, entwickelte man ein nur 5 cm dickes, gewölbtes Bodenelement mit aussteifenden ­Rippen, das Druckbelastungen standhält. Durch die Reduktion auf ausschliesslich tragendes Material, das für einen effizienten Kräftetransfer unter Druck notwendig ist, lassen sich Rohre, Kabel und mechanische Systeme offen führen, die früher nicht zugänglich ­waren.

Diese Konstruktion erlaubt die Verwendung von schwächeren Materialien wie rezykliertem Beton bei einer Material­ersparnis von bis zu 70 % – das verringert zugleich den CO2-Ausstoss. Die Herstellung erfolgt durch das Giessen in ein Sandbett, das von einem 3-D-Drucker erzeugt wird. Die Bodenelemente sollen sich künftig modular vorfertigen und einfach vor Ort installieren lassen.

Beim Einbau in der Unit HiLo werden sie zwar auf der Baustelle betoniert, Ziel ist es jedoch, das System bis Mitte 2021 bis zur Marktreife weiterzuentwickeln.

Anmerkung

1 Zitiert aus dem Video des Vortrags «Strength through geometry» von Philippe Block am 19.9.2019 in der Schweizer Baumuster-Centrale.

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