«Es ist wich­tig, dass In­ge­nieu­rin­nen und In­ge­nieu­re ih­ren Be­rufs­stolz pfle­gen»

Kommenden Juni findet in Luzern die Verleihung des 4. BuildIng Awards statt. Bis am 12. Februar 2021 können Projekte eingereicht werden. Jurypräsidentin Sarah Springman erklärt, warum es diese Auszeichnung braucht.

Publikationsdatum
15-11-2020

TEC21: Prof. Dr. Springman, Sie sind Jurypräsidentin des BuildIng-Awards, der alle zwei Jahre für herausragende Ingenieurleistungen am Bau verliehen wird. Warum braucht es eine solche Auszeichnung?
Sarah Springman: Die Arbeit der Ingenieurinnen und Ingenieure bleibt in der Regel verborgen. Zudem heben die meisten Ingenieurinnen und Ingenieure ihre eigenen Verdienste nur ungern hervor – they don’t blow their own horn, wie es in Grossbritannien so schön heisst. Ihre Motivation, Höchstleistungen zu erbringen, ist intrinsisch. Das ist natürlich sympathisch, aber kein Ersatz für extrinsische Motivation in Form von Anerkennung und Wertschätzung. Auch herausragende Ingenieurinnen und Ingenieure sollen gefeiert werden und die Chance haben, im Rampenlicht zu stehen. Der Award gibt uns die Möglichkeit, exzellente Projekte in sechs verschiedenen Kategorien auszuzeichnen; damit zeigt er auch die Vielfalt der Disziplinen, die faszinierende Bandbreite der Ingenieurberufe rund um das Bauen. Am liebsten hätte ich eine grosse Publikumsveranstaltung, einen richtig glamourösen Academy Award, der auch in den Fernsehnachrichten gezeigt wird, aber das geht leider nicht.

TEC21: Die breite Öffentlichkeit nimmt Ingenieurleistungen kaum zur Kenntnis, obwohl unser heutiger Lebensstandard ohne sie undenkbar wäre: Energieversorgung, Mobilität, Kommunikation, Medizin etc. benötigen technisch hochstehende Infrastrukturen. Warum bekommen die Ingenieurinnen und Ingenieure nicht die gesellschaftliche Anerkennung, die ihnen zusteht? Sind wir so verwöhnt, dass wir ihre Kompetenz für selbstverständlich halten?
Sarah Springman: Damit hat es sicher auch zu tun. Die Fokusstudie des Nationalen Forschungsprogramms NFP 54 «Nachhaltige Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung» schätzt den aktuellen Wiederbeschaffungswert des gesamten Bauwerks Schweiz – technische Infrastruktur und Gebäudepark – auf rund 2380 Milliarden Franken; allein in dessen Unterhalt und Erneuerung investiert die Schweiz jährlich 65 Milliarden Franken oder 12 % des Bruttoinlandprodukts. Da fällt die Wirkung eines einzelnen Ingenieurwerks nicht so stark auf wie an weniger privilegierten Orten. Als ich in Ländern der Dritten Welt gearbeitet habe, wo eine einzelne neue Infrastruktur die Lebensqualität der Menschen markant erhöht, war die gesellschaftliche Wertschätzung deutlich. Doch auch dort gewöhnen sich die Menschen schnell an die verbesserten Bedingungen. Sie vergessen, dass eine funktionierende Infrastruktur, die einen besseren Lebensstandard erst möglich macht, keine Selbstverständlichkeit ist. Deshalb ist es wichtig, dass die Ingenieurinnen und Ingenieure ihren Berufsstolz pflegen, etwa mit diesem Award, und darauf hinweisen, wie viel Kompetenz es braucht, bis ein Projekt wirklich gelungen ist. Damit stärken sie übrigens auch die Position jener Auftraggeber, die Qualität einfordern und angemessen würdigen. Und nicht zuletzt geht es auch darum, jungen Leuten die Ingenieurberufe näherzubringen – insbesondere jungen Frauen, die in technischen Berufen immer noch untervertreten sind.

TEC21: Sie sind Rektorin der ETH Zürich und selbst Ingenieurin, nämlich Professorin für Geotechnik. Wie entwickelt sich der Frauenanteil an der ETH und speziell in den Ingenieurdisziplinen? Gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Fachrichtungen?
Sarah Springman: Zwischen 2003 und 2016 stagnierte der Anteil weiblicher Studierender an der ETH Zürich bei rund 30 % Prozent. Ich wurde 2014 zur Rektorin ernannt und habe am 1. Januar 2015 begonnen. Seit 2016 steigt der Anteil nun leicht, aber konstant; zurzeit liegt er bei 32.3 %. Das freut mich sehr und zeigt einmal mehr, wie wichtig Role Models sind. Diese positive Tendenz zeigt sich in vier der fünf typischen Ingenieurwissenschaften-Departementen. Im Departement Bau, Umwelt und Geomatik (D-BAUG) ist der Anteil der weiblichen Studierenden in den letzten fünf Jahren gestiegen und entspricht heute dem ETH-Durchschnitt. In den Departementen Maschinenbau und Verfahrenstechnik (D-MAVT), Informationstechnologie und Elektrotechnik (D-ITET) und Informatik (D-INFK) ist der Anteil ebenfalls gestiegen, allerdings ist er mit weniger als 20 % immer noch deutlich unterdurchschnittlich. Das Departement Materials (D-MATL) ist das einzige, in dem der Studentinnenanteil gesunken ist; er beträgt etwas weniger als 30 %. Allgemein ist es immer noch so, dass Frauen in eher technischen Disziplinen untervertreten sind. An der ETH weist das Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie (D-HEST) mit gut über 60 % den höchsten Studentinnenanteil auf. Übrigens: Wenn man Wissenschaften und Ingenieurwissenschaften zusammen betrachtet, beträgt der Frauenanteil in der Schweiz rund 41 %, was ziemlich genau dem EU-Durchschnitt entspricht.

TEC21: Was ist das Faszinierende, das allen Ingenieurberufen gemeinsam ist?
Sarah Springman: Dass man wirklich etwas Sinnvolles bewirken, einen unmittelbaren Unterschied machen kann. Ingenieurberufe sind konstruktiv, ihr Ziel ist es, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern, damit diese ihr eigenes Potenzial erreichen können. Das ist durch und durch positiv. Natürlich heisst das nicht, dass Ingenieurinnen und Ingenieure die langfristigen Folgen ihrer Tätigkeit vergessen dürfen. Sie tragen eine grosse Verantwortung: Sie können – und müssen – dazu beitragen, die Klimaerwärmung zu bremsen und ihre Auswirkungen zu lindern, indem sie sorgfältig mit Material, Energie, CO2-Ausstoss etc. umgehen. Wir können es uns nicht mehr leisten, Umweltkosten zu verursachen, die die nächste Generation abstottern muss. Dafür braucht es Kompetenz und Mut, intelligentes Handeln: action, not reaction. Ingenieurinnen und Ingenieure sind bestens dafür qualifiziert.

BuildIng-Award 2021

 

Am 17. Juni 2021 wird im KKL Luzern zum vierten Mal der Building-Award verliehen. Bewertet und prämiert werden herausragende, bemerkenswerte und innovative Ingenieursleistungen am Bau. Die besten Akteure und ihre Teams werden im würdigen Rahmen geehrt und gefeiert.

 

Die diversen Ingenieurgattungen prägen die Bauwerke bezüglich Statik, Technik, Nachhaltigkeit und Formgebung massgeblich. Die Geschichten von Bauten und Köpfen sind spannend, die Berufsperspektiven ausgzeichnet.
Der Building-Award verschafft den Ingenieurberufen am Bau und ihre Vertretern eine Plattform und damit Aufmerksamkeit. Die mediale Berichterstattung macht die Berufe, die Möglichkeiten und die Vorbilder bekannt.

 

In folgenden Wettbewerbskategorien werden Auszeichnungen verliehen: Hochbau, Infrastrukturbau, Energie- und Gebäudetechnik, Gesamtsieger Forschung und Entwicklung, Young Professionals, Nachwuchsförderung im Bereich Technik.

 

Weitere Infos und die Ausschreibungsunterlagen gibt es hier.

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