«Wir sind wei­ter­hin auf Kurs»

Am 12. Dezember 2020 wird der Eiger Express, der zweite Teil der V-Bahn in Grindelwald, an den Start gehen. Durch die Einstellung des touristischen Betriebs ist die Betreiberin, die Jungfraubahnen, von der Corona-Krise direkt betroffen. Wir erreichten den Oberbauleiter der V-Bahn, Dominik Liener, und befragten ihn über die aktuelle Situation.

Publikationsdatum
14-04-2020

Espazium: Herr Liener, seit wann haben die Jungfraubahnen den Betrieb aufgrund des Coronavirus eingestellt?

Dominik Liener: Seit dem 15. März sind die Zahnradbahnen oberhalb von Wengen und Grindelwald geschlossen, inklusive jener zu First und Jungfraujoch. Die Schliessung gilt voraussichtlich bis Ende April 2020. Die Erschliessung der Gebiete Wengen, Grindelwald und Lauterbrunnen-Mürren mit dem öffentlichen Verkehr stellen die Jungfraubahnen weiterhin mit einem ausgedünnten Fahrplan analog jenem der SBB und der BLS sicher.


Sind auch die Arbeiten an den Baustellen der V-Bahn eingestellt, oder laufen dort noch diverse Arbeiten?

Unsere Baustellen waren nie von einer Schliessung betroffen, somit auch nicht die Baustellen der V-Bahn. Personal- und Güterzüge dürfen weiterhin fahren. Für die Baustellen gelten die gleichen Sicherheits- und Hygienevorgaben in Sachen Corona wie überall sonst in der Schweiz. Diese Regeln werden auf den Baustellen der V-Bahn vollumfänglich eingehalten.


Wie viele Mitarbeiter arbeiten derzeit (im Normalbetrieb) an der Umsetzung der V-Bahn?

Rund 100 Planer sind involviert, dazu kommen rund 200 Bauarbeiter und Handwerker.


Als Eröffnungstermin für den Eiger Express, den zweiten Teil der V-Bahn, ist der 12. Dezember 2020 geplant. Ist dieser Termin aufgrund der Corona-Krise realistisch?

Da die Arbeiten nicht unterbrochen sind, sind wir weiterhin auf Kurs. Der Termin steht nach wie vor.


In Österreich wurde die «Corona-Lage» bereits früher als in der Schweiz als kritisch eingestuft, und diverse Massnahmen wurden eingeleitet. Doppelmayr Garaventa, der Hersteller der neuen Seilbahn, hat seinen Hauptsitz in Vorarlberg. Hatte dies negative Auswirkungen auf die Umsetzung der V-Bahn?

Die erforderlichen Bauteile von Garaventa sind bereits alle vor Ort in Grindelwald. Das Montageteam kommt aus der Schweiz.


Nach dem Rekordjahr 2019 – die Jungfraubahnen erzielten mit 53.3 Millionen Franken den höchsten Gewinn in ihrer Geschichte – wird der Unterbruch des Betriebs der Jungfraubahnen voraussichtlich einen herben Verlust bedeuten. Kann man dies schon abschätzen?

Die Folgen der Pandemie sind nicht abzuschätzen. Deshalb muss die Jungfraubahn-Gruppe davon ausgehen, dass das Ergebnis 2020 deutlich unter den Vorjahren liegen wird. Generell gilt: Es geht jetzt darum, das Jahr 2020 trotz allem so erfolgreich wie möglich zu gestalten. Die Windrichtung ist durch das Coronavirus vorgegeben, die können wir nicht ändern. Aber wir können die Segel anders setzen. Es war schon immer eine Stärke unseres Unternehmens, sich rasch und effizient veränderten Marktbedürfnissen anzupassen.


Ein beträchtlicher Teil der Gäste des Jungfraujochs kommt aus dem asiatischen Raum. Wie hoch ist etwa der Anteil aus China?

China ist einer von vielen asiatischen Märkten, aus denen jedes Jahr zahlreiche Gäste die Jungfrau Region und die Destination «Jungfraujoch – Top of Europe» besuchen. 17 bis 20% der Besucherinnen und Besucher pro Jahr auf dem Jungfraujoch stammen aus China, rund 40% davon sind Individualreisende.


War ein Rückgang der Besucherzahlen bereits feststellbar, als das Coronavirus nur auf Asien beschränkt war?

Wir hatten Ende Januar, Anfang Februar einige Absagen von Gruppenreisen. Bis Ende Februar besuchten 74.000 Besucherinnen und Besucher das «Jungfraujoch – Top of Europe». Das entspricht einem Rückgang von 1300 Gästen bzw. 1.7% im Vergleich mit dem Vorjahr. Die Monate Januar bis und mit April zählen generell zu den besucherschwächeren Monaten.


Welche Hilfe erwarten Sie von der öffentlichen Hand?

Wir finanzieren uns auf dem Kapitalmarkt und nicht über die Überbrückungskredite des Staats. Für uns steht– neben der Gesundheit unserer Mitarbeitenden – ganz klar der Zusammenhalt innerhalb unseres Teams im Fokus. Wir haben deshalb Kurzarbeit für zwei Drittel unseres Personals angemeldet. Oberste Priorität hat für uns, dass es zu keinen Entlassungen kommt.

 

Zur Person
Dominik Liener, Oberbauleiter V-Bahn, Leiter Infrastruktur, Jungfraubahnen Management AG, Interlaken

Zum Unternehmen

Jungfraubahnen AG, Interlaken; ca. 1000 Mitarbeitende

Baukultur in Zeiten von Covid-19
Die Krise, die wir derzeit erleben, trifft alle Planerinnen und Planer. Wie bewältigen sie die wirtschaftlichen und juristischen Schwierigkeiten, die die Pandemie mit sich bringt? Was sind die Auswirkungen auf die Schweizer Baukultur? Antworten von Baufachleuten, Links und Informationen versammeln wir im E-Dossier «Covid-19» – als Austauschplattform und als Hilfe in unsicheren Zeiten.

Verwandte Beiträge