«Ce­ci n'est pas Gio Pon­ti!»

Das Einrichten einer Ausstellung ist eine raffinierte Kunst – wer dabei zudem etwas von Grafik versteht, ist klar im Vorteil. Ein gutes grafisches Konzept hilft nicht nur, die Grundlagen deutlich hervorzuheben, sondern lässt durch eine geschickte Anordnung auch unerwartete Facetten aufscheinen. Ein Gespräch mit dem Grafiker der aktuellen Gio-Ponti-Ausstellung im römischen MAXXI.

Publikationsdatum
10-02-2020

Die Ausstellung «Gio Ponti. Amare l’architettura» konzentriert sich auf die architektonische Tätigkeit des Mailänder Meisters und ist noch bis zum 13. April zu sehen. Das grafische Konzept stammt von Leonardo Sonnoli – in Zusammenarbeit mit den Architektinnen Elena Tinacci und Silvia La Pergola. Ihnen ist es gelungen, den «Architektur»-Aspekt von Pontis Werk zu interpretieren, indem sie diesen mit ihrer eigenen Projektkultur vermischen. Daraus entstand eine integrale Gestaltung auf allen Ebenen – von den Ausstellungsräumen über den Katalog, vom Foyer bis hin zum Internetauftritt des Museums.

Gabriele Neri: Herr Sonnoli, woher stammt die Idee für das grafische Konzept?

Leonardo Sonnoli: Mein erster Vorschlag an die Kuratorinnen war «typografischer» Natur. Ich hatte mich mit Gio Pontis Umgang mit Typografie und Schriftdesign befasst. Dabei stiess ich auf Skizzen und Beispiele für die Gestaltung von Keramikfliesen, denen ein quadratisches Modul in verschiedenen Variationen zugrunde lag. Im Innern der Module befanden sich Buchstaben. Ausgehend von diesen Mustern zeichnete ich ein Logo «GIO PONTI». Dieses fand bei den Kuratorinnen jedoch keinen Anklang, sie fanden es zu designlastig, wo sich die Ausstellung in erster Linie doch mit Pontis architektektonischem Werk, namentlich mit dem weniger bekannten, befassen wollte.

Gabriele Neri: Also mussten Sie die Richtung wechseln. Wie hat sich dann der zweite Vorschlag – der schliesslich Gnade fand – ergeben?

Leonardo Sonnoli: Die Inspiration entstand aus den Architekturmodellen der Gebäude, die Ponti für die FEAL entworfen hatte. Dabei handelt es sich um standardisierte Wohnungen, bei denen, wenn man sie sich aus der Nähe anschaut, ähnliche modulare Kompositionen zu erkennen sind wie im Design der Keramikfliesen. Basierend auf dieser neuen Referenz, also den Architekturmodellen – die übrigens alles andere als genau sind –, kreierte ich das neue Logo. Es ist ein Schrifttyp, den ich vorher in meiner Vorstellung niemals mit Gio Ponti assoziiert hätte, der aber viel mehr jenem «anderen» Ponti entspricht, nämlich dem Architekten, dem Schöpfer der «Casa esatta» von «variabler Perfektion».
Während der Entwurfsarbeit erinnerte mich dieser Schrifttyp an die modularen Grafiken der Zeitschrift «Wendingen» [der legendären Amsterdamer Architektur-Revue, die von 1918 bis 1931 produziert wurde und für ihren quadratischen, mit Litho- und Xylografie bedruckten Umschlag berühmt war, Anm. d. Red.]. Einige der Umschläge von «Wendingen» bestanden gar aus kleinen Holzblöcken und verfolgten demnach das gleiche Prinzip.

Gabriele Neri: Das Erscheinungsbild dieses Grafikkonzepts unterscheidet sich jedoch stark von der durch die Einrichtung der Ausstellungssäle geschaffenen Atmosphäre. Diese zitiert nämlich 1:1 Formen und Materialien von Entwürfen Gio Pontis, mit vertikalen Schnitten, Tischen in Kristallform, Details in Messing usw. Es wird sozusagen ein positiver Ausscheidungswettbewerb geschaffen, ein Kontrast angestrebt zwischen Referenzen aus den 1950er-Jahren und früher digitaler Versuche. Von «Wendingen» zu Pac-Man sozusagen, mit einem Exkurs durch die goldenen Jahre italienischen Designs.

Leonardo Sonnoli: Über den Bezug zwischen der Ausstellungseinrichtung und Pontis architekturalem Werk haben wir viel diskutiert. Ich denke, dass wir schlussendlich ein spannendes Amalgam gefunden haben zwischen einer Ponti’schen Rekonstruktion und etwas völlig Neuem. Was das grafische Konzept anbelangt, schlägt auf der einen Seite gewiss meine eigene kulturelle Prägung durch, nämlich die künstlerische und architekturale Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts von den Niederlanden bis Russland. Auch ein Rodtschenko schuf Werke dieses Genres. Wenn also jemand das Cover des Ausstellungskatalogs sieht und sich fragt: «Was, um alles in der Welt, hat das mit Ponti zu tun?!» – gerade das wäre doch lustig!

Gabriele Neri: Doch dann betritt die Besucherin, der Besucher die Ausstellung, stösst auf die FEAL-Modelle und erkennt sofort den Bezug. Ist das nicht ein schöner Einstieg?

Leonardo Sonnoli: Wenn man mit den grossen Meistern arbeitet, ist es immer so: Man will einen direkten Bezug herstellen, ohne ihn jedoch nachzuäffen. Eigentlich kann man dabei nur verlieren … aber das ist schon im Voraus klar. Deshalb ist es wichtig, sein eigenes Ding zu machen, aber als Hommage sozusagen, als Zitat, nach eigenem Gefühl. Interessant ist, dass ebendiese Modularität die Entwicklung der Kommunikation auf allen Ebenen und in den erforderlichen Formaten erlaubt hat, was ja immer ein schwieriges Thema ist: Wir konnten die Anzahl der «idealen Fassaden» multiplizieren und gleichzeitig reduzieren, spalten, halbieren und dieses System gleich auf sämtliche Materialien übertragen, von der Einladungskarte bis hin zum Ausstellungskatalog.

Gabriele Neri: Einen ersten Eindruck des Grafikkonzept erfährt man schon beim Eingang in das MAXXI.

Leonardo Sonnoli: Mir war wichtig, dass die Ausstellung bereits beim Eintreten in das MAXXI präsent ist. Deshalb schlug ich vor, von der Decke im Foyer bis direkt über die Rezeption hängende Banner zu installieren. Dazu passten die Proportionen der FEAL-Modelle geradezu perfekt.

Gabriele Neri: Die Architektur des MAXXI ist eine Herausforderung: In den Ausstellungsräumen fällt der Boden ab, die Wände sind gebogen usw. …

Leonardo Sonnoli: Die Räume sind effektiv alles andere als ideal für die Ausstellungsmacherinnen – für die Nutzung also sehr anspruchsvoll. Man tritt ein und steht schon in einer Kurve – nirgendwo eine Wand, die den Namen tragen könnte. Also hat man wiederum auf Vertikalität gesetzt: Auf einem grossen Säulenelement, versehen mit drei Monitoren, erscheinen als Animation Titel, Untertitel, Daten der Ausstellung sowie weitere Informationen, die im horizontalen Raum viel mehr Platz beanspruchen würden. Indem man die vierte (die zeitliche) Dimension nutzt, passt alles perfekt. Diese Idee reflektiert übrigens die zeitliche Dimension von Pontis Architektur, gedacht für Tag und Nacht, wie ein Zusammenspiel von Positiv und Negativ.

Gabriele Neri: Ein weiterer Dialog findet sich schliesslich in jenen Teilen der Ausstellung, wo einige Produkte im Zusammenhang mit Pontis Designertätigkeit gezeigt werden, wie zum Beispiel die ikonischen Fliesen.

Leonardo Sonnoli: Ich habe die Fliesen so angeordnet, wie es ursprünglich wohl nicht Pontis Absicht war, und damit neue Formen kreiert. Herausgekommen sind florale Muster, die an barocke Kirchen erinnern … Irgendwie hat es Spass gemacht zu sehen, wie das Resultat, obwohl nicht im Sinn seiner Ästhetik, dennoch unverkennbar den Bezug zum Meister herstellt. Es sind zwei Muster, bestehend aus den Fliesen von Ponti. Das erinnert mich ein wenig an Bruno Munaris Vorgehensweise: Wenn er Muster für Textilien machen sollte, liess er sich Siebdrucke herstellen. Dann fragte er: «Was gilt es zu vermeiden?» Und genau das machte er dann.


Die Ausstellung «Gio Ponti. Amare l’architettura» läuft noch bis zum 13. April 2020 im Museo nazionale delle arti del XXI secolo (MAXXI) in Rom.

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