Bau­stoff mit Zu­kunft

Bauliche Integration von PV

Das PV-Modul als integriertes Bauelement – welchen Anforderungen muss es genügen, und worin liegen die Unterschiede zu herkömmlicher PV  Ein Forscher der Supsi berichtet über seine Suche nach Antworten.

Publikationsdatum
11-06-2015
Revision
02-11-2015

Gebäudeintegrierte Photovoltaik (Building-integrated photovoltaics, BIPV) ist noch ein Nischenmarkt. Bislang ist diese Technologie zu wenig bekannt, bei den Architekten kaum akzeptiert und im Vergleich mit konventioneller Photovoltaik teuer. Doch was genau ist BIPV, und was leistet sie  

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, Photovoltaik in einem Gebäude zu nutzen. Die eine besteht darin, konventionelle PV-Module mit einem Montagesystem an der Gebäudehülle anzubringen (Building-added photovoltaics, BAPV). Am häufigsten sind dachmontierte PV-Systeme, die an bestehende Gebäude angebracht werden. Besondere ästhetische oder konstruktive Anforderungen müssen dabei nicht erfüllt werden. 

Drin statt nur dran 

Die zweite Möglichkeit besteht darin, Teile der Gebäude­hülle durch PV-Module zu ersetzen, diese also in den Bau zu integrieren (BIPV). In diesem Fall übernehmen diese Module alle Funktionen der ersetzten Objekte. Deshalb müssen sie verschiedene Anforderungen er­füllen. Bis jetzt existiert für gebäudeintegrierte PV-Module kein eigener Standard, die Regulierung ist noch lückenhaft. Zu beachten sind bei BIPV zum einen die elektrotechnischen Anforderungen an das Modul gemäss 2006/95/EG1 oder Cenelec-Normen2, zum anderen die Bauproduktenormen im Sinn der EG-Bauprodukteverordnung (EU) Nr. 305/2011. Es wäre nötig, Produkte­normen für die folgenden Punkte aufzustellen: 

mechanischer Widerstand und Stabilität,  Sicherheit im Brandfall,  Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz,  Sicherheit und Zugänglichkeit im Einsatz,  Schutz gegen Lärm,  Energiehaushalt und Wärmespeicherung,  nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen. 

Da BIPV-Module Teil eines Gebäudesystems sind, ist es sehr wichtig zu untersuchen, wie sich das System als Ganzes verhält – im Gegensatz zum elektrotechnischen Standard IEC, der lediglich ein einzelnes Modul prüft. 

Konstruktive Aspekte 

Gegenüber einem herkömmlichen PV-Modul muss zum Beispiel eine Indachlösung wie Solardachziegel als Gesamtsystem inklusive aller Befestigungsstrukturen mechanische Stabilität, Brandschutz und Wasserdichtigkeit gewährleisten. 

Das PV-Modul-Testzentrum der Scuola universitaria professionale della Svizzera ita­liana in Lugano (Supsi) hat das mechanische Verhalten verschiedener Dachelemente untersucht. Der mechanische Belastungstest aus der Norm IEC 612153 wurde den Anforde­rungen an dachintegrierte PV-Module angepasst. Bei einem integrierten Modul muss nicht nur das Element selbst – wie in der IEC-Norm gefordert – mit 2400 pa Last getestet werden, sondern auch das Befestigungs- oder Klemmsystem und die Montagekonstruktion. Zur Durchführung des Tests wird die gesamte Konstruk­tion entsprechend den Herstellerangaben in Lasttestern montiert.

Die Ausstattung am Testzentrum kann eine Zug- und Druckbeanspruchung von bis zu 10 000 Pa auf das Modul ausüben. Bis zu sechs Sensoren, die eine vertikale Verschiebung mit einer Genauigkeit von 0.5 mm registrieren, lassen sich an der Konstruktion, an den Klemmen oder am Modul befestigen. Die Tests können nach dem Standardprozedere der IEC ausgeführt werden oder mit inkrementellen Zug- und Druckkräften bis zur Schadens- oder Bruchgrenze. Für die Qualifizierung von PV-Modulen in Übereinstimmung mit den Normen IEC 61215 und IEC 616464 ist darüber hinaus die Hagelwiderstandsprüfung zwingend.

Unter realistischen Bedingungen, also mit einer kompletten Konstruktion, kann solch ein Test Schwachstellen im Produktdesign, Wechselwirkungen zwischen den Modulen oder zwischen Modulen und Konstruktion offenbaren, die mit der Zeit zu Schäden führen können. Die Tests zeigen, wie wichtig es ist, die Systemperfor­mance in einer Vorprüfung zu validieren, um die In­stallation und Langlebigkeit des Systems zu optimieren. 

Architektonische Integration 

Heutige PV-Module werden in erster Linie so entwickelt, dass sie die technischen Anforderungen der Energieproduktion erfüllen. Dabei wird die Dimensionierung der Module auf Energieertrag und ­Herstellungsprozesse hin optimiert. Dar­über hinaus sollten sie zu einem Bauteil werden, das sich einfach in die Gebäudehülle (Dach, Fassade, Verschattungselemente etc.) einbauen lässt und dabei langlebig und sicher ist. Fragen nach der Integration in die architektonische und bauliche Gestaltung werden bislang hingegen kaum aufgegriffen. 

Eine echte Integration von PV-Modulen in die Gebäudehülle hat funktionale, konstruktive und formale Aspekte. Für Letztere sind Solarteure, die vor allem technische Gesichtspunkte im Auge haben, wenig sensibilisiert. Auch den Herstellern bereitet die Frage der Ästhetik Schwierigkeiten, weil sie normativ nur schwer zu fassen ist. Experten der EPFL haben nun ein System entwickelt, anhand dessen auch die Ästhetik von Photo­voltaik nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien beurteilt werden kann.

Das thermische Verhalten von BIPV 

Wird ein PV-Modul voll in die Gebäudehülle integriert, ändert sich sein elektrisches und thermisches Verhalten. Die wichtigsten Faktoren für diese Leistungsänderung sind die Art der Integration (Grad der Belüftung, Montagekonstruktion) und die Neigung/Orientierung der Module, denn diese Parameter haben einen grossen Einfluss auf die Arbeitstemperatur. Vollständig inte­grierte Module sind im Durchschnitt deutlich höheren Betriebstemperaturen ausgesetzt als BAPV. Je nach Technologie erhöht oder senkt die höhere Betriebstemperatur den Wirkungsgrad des Moduls und damit die Abgabe elektrischer Leistung durch das System. 

Um dieses Verhalten unter möglichst realitätsnahen Bedingungen zu evaluieren, wurde am Supsi-­Campus ein BIPV-Prüfstand realisiert. Dabei wurde ein Baustandard hoher Qualität (SIA 380/1) zugrundegelegt. Die Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Werte) der «Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich»5 wurden eingehalten. Alle Bauelemente, inklusive der in die Gebäudehülle integrierten PV-Glaselemente, mussten diesen Verordnungen entsprechen.

Die meisten der 22 ausgewählten BIPV-Technologien basierten auf der amorphen Siliziumtechnologie (a-Si). Daneben wurden auch semitransparente kristalline (c-Si) Glas/Glas-Module mit unterschiedlichen Abständen zwischen den Zellen getestet. Die amorphen Silizium-Glas/Glas-Module, die normalerweise opak sind, wurden speziell für dieses Projekt transparent ausgeführt. Diese als Fenster eingesetzten Module wurden mit einer zweiten Glasschicht gekoppelt, um eine Isolierglaseinheit zu bilden. Der Spalt zwischen dem PV-Glas und der zweiten Schicht wurde mit Argongas gefüllt, um einen niedrigen U-Wert zu erreichen. 

Die Untersuchungen sollten aufzeigen, wie die verschiedenen Module funktionieren, wenn sie in eine hinterlüftete Fassade, ein hinterlüftetes Dach oder in eine Zweischeibenverglasung (Fenster) – entweder vertikal (90°) oder als Oberlicht (30°) – eingebaut sind. Es zeigte sich, dass die Temperatur über das Jahr bei den um 30° geneigten Modulen stärker variiert. Wenn die Sonne im Sommer im Zenit steht, bestrahlt sie die um 90° geneigten Module nur indirekt; im Winter hingegen steht die Sonne meistens sehr tief und bescheint primär die Fassade. Das dämpft die sommerlichen und winterlichen Extremwerte der fassadenintegrierten Module. Die um 30° geneigten Module zeigten daher im Frühling und Sommer höhere Temperaturen, im Herbst und ­Winter niedrigere Temperaturen als die um 90° geneigten Module. 

Bei der Untersuchung der verschiedenen Technologien hat sich die Erwartung bestätigt, dass die c-Si-Module (kristallin) aufgrund ihres negativen Temperaturkoeffizienten im Winter bessere Leistungen bringen. Umgekehrt wurde die Leistung der a-Si/­a-Si-Module (amorph) durch die hohen Temperaturen im Juli begünstigt. Am Teststandort in Lugano beträgt die optimale Neigung für kristalline Siliziummodule 90° und für a-Si/a-Si-Module 30°. Darüber hinaus spielt die Art der Integration eine signifikante Rolle. Die hinterlüfteten Module zeigten generell niedrigere Temperaturen. Es zeigte sich, dass sich bei der a-Si/a-Si-Technologie die Leistung der Module erhöht, wenn sie integriert sind, weil sie so höhere Zelltemperaturen erreichen. 

In der «BIPV-Vision» ist Photovoltaik nicht nur ein technisches Gerät (wie eine Lüftungsanlage oder Satellitenschüssel), das zur Stromerzeugung an ein ­Gebäude geschraubt wird, sondern wird zu einer funktionalen, konstruktiven Komponente, die ein klassisches Gebäudeelement (wie Fenster, Verkleidungen oder Ar­chitektur­elemente) ersetzt und dabei auch noch in der Lage ist, Energie zu erzeugen. In diesem Fall kann man die PV-Module nicht vom Gebäude entfernen, ohne dabei die darunterliegende Schicht oder das gesamte Gebäude (das per Definition ohne PV unvollständig ist) zu kompromittieren. 

So wesentlich die funktio­nale Rolle von BIPV in Zukunft werden wird, entscheidend für den Erfolg der Technologie ist es, dass Projektentwickler (vor allem ­Architekten) neben den technischen auch und insbesondere die ästhetischen und architektonischen Aspekte in den Blick nehmen. Die Akzeptanz und Qualität dieser dezentralen Energiesysteme können davon nur profitieren.

Anmerkungen

  1.  Comité Européen de Normalisation Électrotechnique.
  2. DIN EN 61215 VDE 0126-31:2006-02, Terrestrische kristalline Silizium-Photovoltaik-Module.
  3. IEC 61646, Terrestrische Dünnschicht-Photo­voltaik-Module – Bauarteignung und Bauartzulassung
  4. Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn), www.endk.ch/de/

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