Auf das Ge­bau­te bau­en

Zukunftsprojekt «Die Schweiz 2050»

Raumentwicklung und Planung neu denken: Mit einem unkonventionellen, transdiziplinären Ansatz startet das Studio Basel der ETH in das Projekt «Die Schweiz 2050 – Bauwerk und Lebensraum».

Publikationsdatum
22-04-2016
Revision
19-04-2017

Wie wird die Schweiz in 35 Jahren aussehen? Das ETH Studio Basel beabsichtigt als Krönung der Lehrzeit von Jacques Herzog und Pierre de Meuron an der ETH Zürich auf provokative, aber realistische Art und Weise Möglichkeiten darzustellen, wie sich unser Land räumlich entwickeln könnte. 

Entgegen der vorherrschenden, thematisch fragmentierten ­Planungsrealität konfrontieren die Basler die Stadtplanung mit der Sichtweise des Architekten und Generalisten. Dabei werden mithilfe eines präzisen Vokabulars und eines systematischen Analyseverfahrens Probleme ganzheitlich angegangen, wobei die Planungsrealität – etwa das revidierte Raumplanungsgesetz – als kritisch zu hinterfragende Grundlage angenommen wird. 

Neue Lesart von Urbanisierung

Herzog und de Meuron knüpfen mit dieser Arbeit an Themen an, die sie schon zuvor am ETH Studio Basel untersucht haben und deren Forschungsergebnisse in mehrere Pu­blikationen einflossen: «Die Schweiz. Ein städtebauliches Portrait» (2006) und «The Inevitable Specificity of Cities» (2014), sowie «Achtung: die Landschaft. Kann man die Stadt anders denken? Ein erster Versuch» (2015).

Diese Studien, die für eine neuartige Lesart von Urbanisierungsprozessen stehen und eine Neuentdeckung des dem Territo­rium innewohnenden Potenzials fordern, werden dem neuen Projekt sowohl eine Arbeitsgrundlage als auch erprobte methodische Ansätze liefern.

Wie geht man ein so ambi­tioniertes Projekt an? In der Initialphase fokussierte das Studio Basel mit dem trinationalen Metropolitanraum Basel auf heimisches Terrain, um hier eine anschauliche und radikale Arbeitsmethode zu entfalten. Das an diesem Fallbeispiel entwickelte Vorgehen und Vokabular soll, unter Berücksichtigung der jeweiligen spezifischen Gegebenheiten, als Modell für die Untersuchung weiterer Gebiete in der Schweiz adaptiert und anwendbar gemacht werden.

Als wichtigste These der Arbeit wurde die Maxime «Auf das Gebaute bauen» aufgestellt: Ist es möglich, das Bevölkerungswachstum (10 Millionen Menschen – oder mehr oder weniger?) innerhalb der schon bestehenden Siedlungsgebiete aufzunehmen und damit die fortschreitende Zersiedelung zu stoppen und gleichzeitig das Nicht-Gebaute, die Landschaft ins Zentrum zu stellen? Und wie kann diese Idee umgesetzt werden? 

Territorium – Mensch – Macht

Ausgehend von den bestimmenden Faktoren Territorium – Mensch – Macht wurde eine konzeptionelle Matrix aufgestellt. Sie soll den bestimmenden Kräften, wie politischen, ökonomischen, technischen, sozialen und kulturellen Faktoren, aber auch der komplexen Interak­tion zwischen den entscheidenden Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Öffentlichkeit und Planung Rechnung tragen und diese nachvollziehbar darstellen. 

Das «Territorium» wird dabei in vier gewichtete thematische Typologien unterteilt: «Die Rolle der Landschaft stärken», «Aus Agglo­meration Stadt werden lassen», «Die unverrückbare gebaute Stadt infrage stellen», «Die Räume der Infrastruktur neu denken» – und an konkreten Standorten (im Metropolitanraum Basel z.B. Gempen, Muttenz-Pratteln, Grossbasel, Lange Erlen) systematisch untersucht.

Um ein besseres Verständnis dieser Orte zu ermöglichen, werden der Mensch mit all seinen Aktivitäten sowie die politische Macht mit all ihren Ausprägungen in die Beurteilung miteinbezogen. Einfache, planerische Maximen – «auf das Gebaute bauen», «den öffentlichen Raum gestalten», «verbinden statt trennen», «Schönheit fördern», «programmatisch und baulich verdichten», «versorgen und entsorgen», «über politische Grenzen hinaus denken» – stützen spezifische Eingriffe.

Die Projektautoren sind auf die aktive Unterstützung und den Austausch mit ETH-internen und externen Fachleuten unterschiedlicher Gebiete angewiesen; auch die Berufsgruppen und Fachvereine des SIA sowie die Sektionen sollen in den Prozess einbezogen werden. Hinzu kommt ein als «Sounding Board» bezeichnetes Element, in dessen Rahmen Philosophen, aber auch Schriftsteller oder Historiker zu Wort kommen und den Prozess kritisch kommentieren. So erhält er bewusst fachfremde Impulse. 

Die Ergebnisse des Projekts sollen in möglichst anschaulicher Form einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden mit dem Ziel, eine konstruktive und produktive Debatte über «Die Schweiz 2050» zu initiieren.

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