Gute Gestaltung begann vor 40 Jahren
Seit 2000 vergibt der Solarenergieförderverein Bayern einen Architekturpreis für Gebäudeintegrierte Solartechnik. Jurymitglied Roland Krippner zieht eine subjektive Zwischenbilanz von der Pioniergeneration bis heute.
Die Geschichte der gebäudeintegrierten Photovoltaik (GiPV) ist noch relativ jung. Gleichwohl blickt man bei Solardächern auf nahezu 40, bei Fassaden auf immerhin 30 Jahre Erfahrungswissen zurück. Dabei fällt auf: Ein Durchbruch dieser Technologie schien schon einmal bevorzustehen. Bereits vor zehn Jahren erreichte der jährliche Zubau der Photovoltaik-Kapazitäten in Deutschland rund 7500 MWp (Stand: 2012), fast doppelt so viel wie heute. Die Transformation von Dächern und Fassaden zurStromproduktion sollte blau schimmernde, anthrazitfarbene, «blühende Landschaften» ergeben.
Trotz aller Fortschritte in der Solartechnologie und der Vorgabe in EU-Staaten, ab 2021 alle Neubauten auf Nahezu-Null-Energie-Standard zu bringen, ist der «weltweit ungebrochene Vormarsch» insbesondere bei der PV-Integration in anspruchsvolle architektonische Projekte bis heute nicht wirklich spruchreif geworden. Treffliche Gelegenheit für ein Zwischenfazit zur Qualität der konstruktiven und gestalterischen Integration der Pholtovoltaik. Respektive: Wie viel haben die PV-Module mit der ganzen Gebäudearchitektur zu tun? Die Umschau anhand von herausragenden, teilweise prämierten Beispielen der jüngeren Zeit soll dazu eine Einschätzung abgeben.
PV an der Kaltfassade
Geneigte PV-Dächer sind in der Regel mit Standardmodulen im Aufdach- und Indachprinzip versehen. Auf Ein- und Zweifamilienhäusern werden vereinzelt Sonderprodukte wie Solarziegel oder Solardachmodule eingesetzt. Vielfach sind Dachflächen voll belegt; zahlreiche PV-Anlagen beschränken sich nur auf Teilflächen. Zum stimmigen Erscheinungsbild tragen solare Dächer unter anderem mit genauer Detaillierung und farblich angepassten Randanschlüssen an First, Ortgang und Traufe bei. Viele Projekte zeigen unprätentiöse, sorgfältig ausgeführte Lösungen und führen etablierte Ansätze der bautechnischen Praxis folgerichtig fort.
Bezüglich der Gestaltung von gebäudeintegrierter Photovoltaik sind vor allem Fassaden interessant. Hinsichtlich Form und Charakter lassen sich einige Besonderheiten und Problemfelder im visuellen Erscheinungsbild erörtern. Konstruktiv dominiert weitgehend der Anwendungsfall in den Kaltfassaden: GiPV ersetzt hier die Bekleidung für vorgehängte, hinterlüftete Konstruktionen. Eine Reihe beispielhafter Hochbauten zeigt zudem einen sinnfälligen Einsatz von PV-Modulen in Balkonbrüstungen. Ein Sonderfall sind dagegen bewegliche Photovoltaikelemente, die als Sonnenschutz dienen; auch hierzu kann auf mannigfaltige instruktive Vorläufer verwiesen werden. Daneben finden sich immer wieder Projekte mit PV-Modulen in Warmfassaden; meistens handelt es sich um Pfosten-Riegel-Konstruktionen mit ein- oder mehrschaligem Aufbau. Solarzellen bieten, dank der Reduzierung der Strahlungsdurchlässigkeit, ebenfalls einen konstruktiven Sonnenschutz.
Architekt Peter Schürch im Interview über das Bewertungsverfahren von Solarpreisen.
Über das Erscheinungsbild von Photovoltaikfassaden lässt sich aktuell bilanzieren: Kristalline Module, die üblicherweise dunkel und an ihren Silberstreifen respektive ihrer Zellanordnung erkennbar sind, werden nur mehr selten sichtbar eingesetzt. Architektinnen und Architekten ziehen homogene, meistens schwarze Oberflächen vor, bisweilen ergänzt durch anthrazitfarbene Varianten der dafür geeigneten Dünnschichtmodule. Farbig bedruckte oder beschichtete Module, allenfalls in Verbindung mit Spezialgläsern, sind ebenfalls weit verbreitet.
Farbe als Pluspunkt?
Die Farbigkeit ist für die gebäudeintegrierte Solartechnik seit den Pionierjahren bedeutend; eine möglichst breite Palette wurde häufig als besonderer Pluspunkt der Photovoltaik hervorgehoben. Rückblickend lässt sich feststellen, dass die Farbvielfalt zur gestalterischen Einbindung von PV-Modulen jedoch zunächst keinen derart dominanten Beitrag leistet. Eine Reihe von überzeugenden Gebäuden zeigt, dass Blau und Anthrazit architektonisch sehr gut mit Baumaterialien wie Beton, Stahl, Glas sowie Holz und Ziegel harmonieren.1 Massgebend für das Erscheinungsbild einer Solarfassade sind ausserdem Belegungsart, Randausbildung und Befestigungstechnik. Dieses Repertoire zeigt beispielsweise die Paul-Horn-Arena in Tübingen (2004, Allmann Sattler Wappner) auf vorbildliche Weise.
Die Südfassade ist mit hochformatigen, rahmenlosen Solarmodulen in vier verschiedenen Grössen bestückt. Die Architekten entschieden sich in Referenz zu Standort und Gesamtkonzept für grüne polykristalline PV-Zellen. Ein rückseitiges Folienlaminat schimmert am Rand weiss durch, was Modul und Fassade strukturiert. Konzeptionell damit vergleichbar sind Projekte, die allenfalls Paneelgrösse und Farbigkeit variieren respektive zusätzlich additive oder auskragende Bauteile wählen oder die Befestigungsart modifizieren.
Festzuhalten ist: Fein strukturierte, vollflächige solare Fassadenbilder lassen sich inzwischen auch mit marktüblichen Standardformaten erreichen. Selbst komplexe Bestandsfassaden können mit sichtbarer, aktiver Solartechnik zu einem schlüssigen Gesamtkonzept ergänzt werden.2 Dennoch vollzog sich bei der Gestaltung von Photovoltaikfassaden diesbezüglich ein Paradigmenwechsel: Frühe Projekte wählten ein flächiges, teils semitransparentes Erscheinungsbild mit PV-Dünnschichttechnologie. Ergänzend dazu wurden Variationen mit kristallinen PV-Modulen entworfen, die einer Glasfassade mit homogener Oberfläche gleichen.
Anschaulich macht dies die Kindertagesstätte in Marburg (2014, opus Architekten): Die shedartige Dachkonstruktion mit nach Süden geneigten PV-Bändern setzt ihre Struktur vertikal in der Südwestfassade fort. Hier treten die monokristallinen Zellen und die eingefärbten Lötbändchen zugunsten einer gleichmässigen Flächenwirkung zurück; aus der Ferne und selbst in Nahsicht zeigt sich eine perfekt detaillierte Glasfassade.
Gut strukturierte Flächengliederung
Ein weithin sichtbares und bis ins Detail gut strukturiertes Zeichen für die Sonnenenergie setzt auch die katholische Propsteikirche St. Trinitatis in Leipzig (2015, Schulz und Schulz). Dem Bauwerk liegt ein ambitioniertes Nachhaltigkeitskonzept zugrunde, von der sichtbaren Solarstromanlage bis zur Wahl regionaler, dauerhafter Materialien. An der schmalen Südfassade des Kirchturms ist ein dunkles Band aus Dünnschichtmodulen präzise und flächenbündig integriert. Die querformatigen, rahmenlosen PV-Paneele gliedern die Binnenfläche und kontrastieren wirkungsvoll die horizontal fein differenzierte Bekleidung aus rotviolettem Rochlitzer Porphyrgestein.
Stellvertretend für weitere vorzeigbare Beispiele – unter anderem der Grosspeter Tower in Basel (2017, Burckhardt+Partner) – verdeutlicht sich daran der eminente Unterschied zwischen einer einfachen Bekleidung von opaken Aussenwänden mit Solarmodulen und einer PV-Fassade mit guter Struktur und proportionierter Gliederung respektive einem ausgeprägt eleganten Öffnungsraster. Im Vergleich dazu können grossflächige PV-Generatoren mit weitgehend homogener Oberfläche auch ein ziemlich belangloses, tristes Fassadenbild zeichnen. Aber nicht nur Bauteilabmessungen und -proportionen sind wirkungsvolle Gestaltungsstrategien. Diesbezüglich sei auf architekturtheoretische Prinzipien wie die «Kunst der Proportion» oder «die gelungene Teilung» frei nach Bruno Taut verwiesen. Auch eine leicht veränderte Integration der PV-Module akzentuiert das Fassadenbild, etwa mit Paneelen, die leicht aus der Ebene gedreht und geneigt sind oder deren Befestigung sichtbar ist.
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Die CO2-neutrale Wohnüberbauung in Männedorf ZH (2020, René Schmid Architekten) vereint mehrere Gestaltungsmassnahmen. Die Fassaden sind zweifarbig: Auberginefarbene PV-Module bedecken die Wandflächen und die Balkonbrüstung, weisse unterstreichen jeweils die Öffnungen. An den dunklen Paneelen ist zudem im Nahbereich ein feines vertikales Streifenmuster erkennbar; sie sind mit gleichfarbigen Schrauben und Distanzstücken befestigt. Hier handelt es sich um einen Kompromiss aus konstruktiven Gründen, um den Unterhalt zu vereinfachen. Entschiedene Detailarbeit, die aus der Ferne nicht auffällt.
Braucht es Ornamente?
Architekten wie René Schmid profitieren aber auch vom technischen Fortschritt, weil die Gestaltung «in keiner Weise mehr farblich eingeschränkt ist und Photovoltaik bald überall als ganz normales Baumaterial eingesetzt wird». Beschichtungen und Bedruckungen erweitern die Option zur kontextuellen Bezugnahme der GiPV, sei es durch ein behutsames Einordnen oder durch das Kontrastieren mit dem Bestand. Das geht so weit, dass auf die Zeichenhaftigkeit und Symbolwirkung «herkömmlicher» PV-Module mit ihrem typischen Kristallinlook gestalterisch fast ganz verzichtet wird. Homogene Farboberflächen schaffen für sich allein aber keinen gestalterischen Mehrwert.
Das Ornament gewinnt in der zeitgenössischen Fassadengestaltung allerdings wieder deutlich an Aktualität, wie die deutsche Kunsthistorikerin Uta Caspary in einer profunden wissenschaftlichen Arbeit aufzeigt. Auch diesem Trend folgt die GiPV: So tauchen immer wieder gestalterische Konzepte auf, PV-Module mit ornamental bedrucktem Frontglas aufzuwerten. Im Rahmen des EU-Projekts «Construct-PV» entwickelte UN Studio aus Amsterdam unterschiedliche Siebdruckmuster, mit denen Brüstungspaneele beim Z3-Gebäude (2012)/PV-Fassade (2017) in Stuttgart belegt wurden. In einem rautenförmigen Netz mit verschiedenen Dichtegradienten, die auch eine visuelle räumliche Tiefe erzeugen, wird der Bereich der Bedruckung spielerisch variiert, sodass monokristalline Zellen teilweise wieder deutlich sichtbar werden. Aus der Reflexion mit Sonnenlicht entstehen lebhafte, facettenreiche Oberflächen.
Die sanierte Westfassade des Energiehauses in Luzern (2019, Schärli Architekten) ist etwa mit einem Muster aus halbierten Parabeln verziert. Aus nur vier wiederkehrenden Modultypen entsteht eine abwechslungsreiche Flächenzeichnung an den drei Geschosse hohen Wandfeldern, die durchaus an die Patina historischer Ziegelbehänge erinnert. Im Kontext von historischen Ensembles und an Baudenkmälern eröffnen solche Ansätze weitere Einsatzmöglichkeiten für die GiPV – ohne auf allzu banale Applikationen aus dem Fundus der Kunstgeschichte zurückgreifen zu müssen. An der Architekturfakultät der TH Nürnberg untersuchten Studierende mit Unterstützung des Energie Campus Nürnberg, inwieweit die druckbare «Organische Photovoltaik» als Kombination aus Fassadenornament und Solarstromproduktion für die Erneuerung von Bestandsfassaden einsetzbar ist.
Warmfassaden ohne Varianz
Ein direkter Vergleich von PV-Kaltfassaden mit PV-Warmfassaden zeigt: An Ersteren werden die Module mannigfaltig integriert. Bei Letzteren ergab sich bislang noch keine derartige Varianz. Die grundlegenden Strategien, wie kristalline Zellen als Teile einer Pfosten-Riegel-Konstruktion einsetzbar sind, machen bereits die frühen Beispiele aus den 1990er-Jahren sichtbar. Sie sind nahezu selbstverständlich in einer Isolierverglasung eingesetzt und dienen oft auch als halb durchsichtiger Sonnenschutz.
Einige veranschaulichen zudem, wie die PV-Warmfassade als Statussymbol fungieren kann. Dies bedingt aber bisweilen, die Maximierung des Solarertrags dem Gesamtbild unterzuordnen. Einer derart hochwertigen Fassadengestaltung entspricht das Geschäftshaus in der Hohen Strasse, Köln (2003, Georg Feinhals). Im unteren Fassadenbereich sind die polykristallinen PV-Module in schmale vertikale und horizontale Wandflächen eingebaut, im Dachgeschoss sind sie grossflächiger angeordnet. Zur Akzentuierung der Schaufenster sind die Rahmen verchromt. Der repräsentierende Ansatz wird mittlerweile gern wiederholt: Solarhersteller und Forschungsinstitutionen nutzen die GiPV an eigenen Neubauten – als integralen Bestandteil des Fassadenkonzepts und als Kommunikationsmedium für Solartechnik und Energieeffizienz.
Ein Spezialfall für die funktionale und gestalterische Bereicherung von (Glas-)Fassaden ist der Einsatz von PV-Modulen als vorgesetzte Sonnenschutzsysteme. Deren Anordnung lässt sich variieren, entweder in Kombination mit einem fixen baulichen Sonnenschutz wie Vordächer und Auskragungen oder integriert in beweglichen Schiebeläden und Lamellen. Als sogenannte Adaptive Fassaden tauchten diese vor 20 Jahren in der Schweiz und Deutschland erstmals auf, zur solaren Aufrüstung von alten und neuen Wohnhäusern ebenso wie an grossformatigen Zweckbauten. Bis heute greifen Architekten die grosse Bandbreite an fixen oder beweglichen Systemen auf, um den Sonnenschutz mit einer Energiegewinnung zu verbinden.
Ein aktuelles Beispiel ist das Verwaltungszentrum im Stadtteil Stühlinger (2017, Ingenhoven Architects) in Freiburg i. Br. Vor die Fassadenöffnungen sind jeweils geschosshohe, vertikale PV-Module versetzt angeordnet. Diese Lamellen folgen in unterschiedlicher Ausrichtung der «ellipsoiden» Grundrissform. Im oberen Bereich schimmert das rückseitige Lärchenholzpaneel durch und akzentuiert die Holzfassade hervorragend.
Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 6/2021.
Internationale Solarwettbewerbe
Der Solarenergieförderverein (SeV) Bayern vergibt seit 2000 alle drei Jahre einen Architekturpreis für Gebäudeintegrierte Solartechnik. Der Preis ist international ausgerichtet und stösst in der Schweiz auf ein grosses Echo: Mehr als ein Drittel der letztjährigen Eingaben stammt von Schweizer Architekten. Bewertungskriterien sind: Ertrag und Effizienz der Solartechnik, der Innovationsgrad von Konzept und Konstruktion sowie architektonische Aspekte, wie Gestaltqualität und Funktionalität von Gebäude und Solaranlage. www.sev-bayern.de
Die Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien Eurosolar ist ein Branchenverband mit 13 Länder- und Regionalsektionen, der seit 1994 jährliche Solarpreise unter anderem in Deutschland, Österreich und für Europa vergibt. Die Solaragentur Schweiz nimmt Einsitz in die Jury des Europäischen Solarpreises. www.eurosolar.de
Anmerkungen
1 H.-B. Busse et al.: Photovoltaik. Integration einer neuen Technologie in die Architektur. Forschungsbericht. Dortmund 1996 (S. 10ff).
2 R. Krippner: Energietechnik und Baukultur gehen Hand in Hand. Integration von Solarfassaden in den Gebäudebestand. In: B+B Bauen im Bestand, 4/2015 (S. 10–14).