Das Ge­sicht der Stadt be­wah­ren

Winfried Brenne Architekten erhalten für ihren vorbildlichen Umgang mit Baudenkmälern der Moderne die Heinrich-Tessenow-Medaille 2014.

Publikationsdatum
26-11-2014
Revision
25-08-2015

Seit 1963 verleiht die Heinrich-Tessenow-Gesellschaft eine Medaille an euro­pä­i­sche Persönlichkeiten, die Ausseror­dentliches in der architek­toni­schen, handwerklichen und industriellen Formgebung und in der Erziehung zur Wohn- und ­Baukultur geleistet haben oder ­deren Wirken dem Werk Heinrich ­Tessenows entspricht. Frühere Preisträger waren unter anderen Kay Fisker, Hans Döllgast, Giorgio Grassi, Juan Navarro Baldeweg, Peter Zumthor, David Chipperfield, Eduardo Souto de Moura, Peter Märkli, Gilles Perraudin, Miroslav Šik, Sergison Bates, Richard Sennett und Roger Diener.

Winfried Brenne erhält die Medaille 2014 für sein Engagement für den Erhalt von Baudenkmälern und ihre bauliche Pflege. Die Wertschätzung von Gebautem ist zeit­gebunden und die Veränderung ­gängiger Aufassungen von Umdenkprozessen abhängig. Ein solcher wurde mit dem Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 ausgelöst, unter dem Motto «Eine Zukunft für unsere Vergangenheit». Nach den Um­wälzungen der Wirtschaftswunderjahre machte es Denkmalschutz und Denkmalpflege populär und verschaffte ihnen eine breite Ak­zeptanz. In der Folge stellten sich Anerkennung und Förderung im ­politischen und parlamentarischen Raum ein. Die Gesellschaft wurde sensibilisiert, nicht zuletzt für die Möglichkeit bis anhin uner­kannter, noch zu entdeckender Baudenkmäler.

Ein Manifest

Vor diesem Hintergrund leistete Winfried Brenne Pionierarbeit: 1977 wies er, damals zusammen mit Helge Pitz, auf die Vorzüge und Eigenheiten einer Wohnung sowie der Häuser in der Berliner Waldsiedlung Zehlendorf hin – die Siedlung, die auch unter dem Namen «Onkel Toms ­Hütte» als Werk von Bruno Taut ­bekannt ist. Er beschloss, sich um ihren Erhalt zu kümmern. Dies ­mündete nach intensiver, privater Forschungsarbeit, Farbuntersuchungen und Analysen in ein Gutachten, wie mit den Häusern denkmalpflegerisch umzugehen sei. Brenne forderte, das Ensemble als Baudenkmal eintragen zu lassen und mit seinen Werten zu erhalten. Das war nichts anderes als ein Manifest.

Gut drei Jahrzehnte später sind sechs Berliner Siedlungen der 1920er-Jahre Unesco-Weltkultur­erbe geworden – als Resultat von Eigeninitiative, Überzeugungsarbeit, gewachsener fachlicher Kompetenz und Anerkennung einerseits und einsichtigen Denkmalbehörden, Eigentümern und Bauherrschaften andererseits. Winfried Brenne fasst das Wesentliche zusammen: «Wir fanden, dass Taut mit seinen Siedlungen der Stadt ein Gesicht ver­liehen hat. Wir wollten nicht, dass die Stadt dieses Gesicht verliert.» Heute ist das wieder­entdeckte Werk Bruno Tauts gut dokumentiert und in vielen Publikationen präsent.

Diese erhaltende Architektenarbeit unterscheidet sich von der klassischen, auf Neubau ausgerichteten Tätigkeit: Vor dem eigenen Gestaltungswillen steht das Sich-Einlassen auf das, was ein anderer erdacht hat. Dieses Werk gilt es in Wert zu setzen. Bedingung dafür ist eine Haltung, die sich mit dem zeitfremden Wort Demut umschreiben lässt. Entschädigt wird dieser Architekt mit jenen besonderen Momenten, in denen das ursprüngliche Leuchten wieder zutage tritt – im einen Fall kräftig, im anderen still und nebenbei, zauberhaft. Diese Arbeit bedingt andere Methoden und Techniken, und entsprechend ist das Büro zusammengesetzt. Unter den rund 25 Mitarbeitern finden sich Bauhistoriker, Kunsthistoriker, Res­tauratoren und Denk­malpfleger. 

Geschichtsträchtiges Werk

Weitere Projekte von Winfried Brenne Architekten sind die denkmalgeschützten Berliner Grosssiedlungen Siemensstadt, die Weisse Stadt, die Hufeisensiedlung, die Siedlung Am Schillerpark und die Wohnsiedlung Carl Legien. Für die Renovation der ehemaligen Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds in Bernau von Hannes Meyer und Hans Wittwer hat Brenne den Architekturpreis der Brandenburgischen Architektenkammer 2007 und den First World Monument Fund / Knoll Modernism-Prize 2008 erhalten. Auf seiner Projektliste stehen auch die Renovationen der Villa Urbig von Ludwig Mies van der Rohe in Berlin sowie des Bauhauses und des Meisterhauses Muche-Schlemmer von Walter Gropius in Dessau. Brennes Fachwissen floss zudem
in zahlreiche Publikationen ein. 

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