In Wür­de al­tern – ge­stal­te­ri­sche und tech­ni­sche Mö­gli­ch­kei­ten

Holzbautag Biel 2019

Bei der Frage, was würdevoll altern bedeutet, gehen beim Holzbau wie auch schon beim Massivbau die Meinungen auseinander. Die Referierenden am Holzbautag in Biel stellten verschiedene Mittel und Massnahmen vor, um den Alterungsprozess von Holz zu beeinflussen.

Data di pubblicazione
21-05-2019

Um es vorwegzunehmen, nur in einem ist man sich beim Altern von Holzfassaden einig: Viel eingehender und früher als bisher muss die Bauherrschaft über den voraussichtlichen Veränderungsprozess durch Regen, Wind und Sonne in Kenntnis gesetzt werden. Nur so reicht die Zeit, die Vorstellungen der Bauherrschaft bezüglich Unterhalt und optischen Veränderungen der Fassade zu diskutieren und allenfalls Konstruktion oder Holzart daran anzupassen. 

Das Spektrum der Massnahmen ist weit: Ein einfaches Mittel, um eine Fassade vor Veränderung zu schützen, ist die Chemie: Fungizide, Insektizide, Imprägnierung gegen Feuchtigkeit, mittels Essigsäure acetyliertes Holz oder UV-Schutz – da das Meiste davon mit der Zeit durch den Regen ausgeschwemmt wird, muss es sporadisch erneuert werden. Im Lauf dieses Prozesses gelangt aber ein Grossteil der verwendeten Mittel unkontrolliert in die Umwelt.

Wie es auch ohne Oberflächenbehandlung geht, erläutert Richard Jussel von Blumer-Lehmann anhand qualitativer Holzmerkmale und Konstruktionsdetails: «Bei der Holzwahl ist darauf zu achten, dass sich nicht schon nach dem Fällen im Wald Pilze angesetzt haben. Solche sind zwar in den meisten Fällen nicht destruktiv, aber eventuell beeinträchtigen sie die Ästhetik.» Er erläutert weiter, wie wichtig diesbezüglich auch die Ausgangsfeuchte des Holzes für die Weiterentwicklung der Oberfläche der Fassade ist.

Auch konstruktive Elemente wie Tropfnasen, Vordächer und geeignete Bleche oder ein ausreichend hoher Sockel können dunklen Stellen durch Spritz- oder Tropfwasser unter Brüstungen, Dachrändern und am Sockel verhindern. Wie in weiteren Referaten erläutert, lässt sich auch mit Vorvergrauung – sei es durch das natürliche Sonnenlicht, durch Lasuren oder Farben, die wieder abgetragen werden – der Alterungsprozess steuern. Jedoch ist das mittelfristige Resultat bei der Vorvergrauung einer Holzart nicht immer absehbar: Je nach geografischer Lage, Ausrichtung gegen das Wetter, je nach Bauteil ob mit oder ohne Vordach dunkelt das Holz anders nach.

Bei einer Podiumsdiskussion tauchte die Frage auf, ob das, was die Bauherrschaft verlangt, auch immer unhinterfragt umgesetzt werden soll. David Leuthold von Pool Architekten, widersprach dem klar: «Planer, allen voran Architekten, sollen nicht nur architektonisch gute Lösungen präsentieren, sondern sind auch befugt, eine Ästhetik zu vermitteln und deren Wandel voranzutreiben.»

Damit Holz in Zukunft vermehrt ungeschützt und unbehandelt verbaut werden kann, sollte man auch in Kauf nehmen, dass sich seine Oberfläche mit der Zeit, je nach Lage und Bewitterung verändert. Genauso aber, wie ein Holzbauer für die Konstruktion garantieren muss, so müsse er als Architekt für die Art und Weise der Alterung des Holzes geradestehen – soweit dies bei einem lebendigen Material eben möglich ist. Darum sei es umso wichtiger, im Vorfeld zusammen mit der Bauherrschaft einen Unterhaltsplan zu erstellen.

Aber kann man über das Altern von Holz sprechen, ohne direkt die Ökologie mit einzubeziehen? Im letzten Referat bringt es Hermann Kaufmann auf den Punkt: «Gerade Holzbau, der sich Ökologie aufs Banner schreibt, sollte ohne Chemie auskommen.» Er stellt einige seiner frühen Bauten vor, die allesamt ohne Oberflächenbehandlung erstellt wurden. Der Blick auf ihre Alterung und die Lehren für künftige Konstruktionen heben sich erfrischend selbstkritisch und mutig von anderen Referaten ab.

Soll Holzbau als ökologische Disziplin glaubwürdig bleiben, dann gehört nicht nur die CO2-Neutralität dazu. Es geht darum, umfassend Verantwortung für Umweltfragen zu übernehmen. Planer, Konstrukteure, Holzlieferanten sollen in Zukunft daran arbeiten, dass Holzbau ohne Chemie auskommt. Eine Bauherrschaft, die sich eine Fassade wünscht, die über Jahrzehnte gleich bleibt, sollte sich besser für andere Materialien entscheiden – auch das kann der Architekt steuern.

Es ist auch zu hoffen, dass sich das ästhetische Bild des Holzbaus vom plastifiziert wirkenden Objekt weiter in in die Richtung entwickelt, wo schon immer seine Stärke lag: ein lebendiges Material, das sich einer gewissen Kontrolle entziehen darf. Schatten und Tonnuancen auf einer Fassade müssen keine Zeichen des Zerfalls sein, sondern zeugen wie bei Naturleder oder Beton von Lebendigkeit. Dazu sollten die natürlichen Eigenschaften und Grenzen des Materials respektiert und weiter ausgelotet werden – und nicht jedes ausgefallene Detail um jeden Preis umgesetzt werden. Die Materialeigenschaften und die konstruktiven Ausprägungen vorteilhaft und gekonnt ins rechte Licht zu rücken ist Anspruch genug an Architekten und Holzbauer.

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