Die gestelzte Fliese
Der Reisebericht einer Redaktionskollegin aus Portugal und die Bilder von prachtvoll gekachelten Häusern erinnern mich daran, dass Keramik bei uns eben erst wieder gross in Mode ist. Kaum ein Gebäudesockel wird gebaut, der nicht mit «Plättli» zugeklebt wäre. Zunehmend werden sogar ganze Hauswände von unten bis oben mit Fliesen abgedeckt. Die Vorteile – ein besserer Schutz gegen Feuchtigkeit oder ein Kontrast zum meist biederen Kompaktfassaden-Groove – haben sich in Architekturkreisen offensichtlich herumgesprochen.
Im Gegenzug muss die richtige Anordnung erst ästhetisch abgewogen werden. Liegen die Kacheln quer, sind sie zumeist bündig, damit auch ja kein gemauertes Bild vorgegaukelt wird. Aber selbst wenn einem, wie oben im Bild, das vertikale, geflieste Wandmuster einer muralen Stapelei unmittelbar begegnet, verstört dieser Anblick: Während das Haus links solide auf dem Backsteinsockel ruht, hält sich der Nachbar rechts auf statisch fragilen Stelzen gerade.
Zugegeben: Die Wahrnehmung von Architektur ist immer subjektiv und folgt oft keinen theoretisch geschulten Regeln. Dennoch ist zu bedauern, dass sich bei uns viele gekachelte Hausfassaden mit einem reformatorischen Ausdruck begnügen, anstatt die barocke Geste der Azulejos nachzuahmen.