Mo­der­ner Bo­gen über die Ples­sur

St. Luzibrücke, Chur; Einstufiger Projektwettbewerb im selektiven Verfahren

Der flache Stahlbogen «un solo arco» überzeugt die Jury ästhetisch und technisch. Zudem hat die geplante Brücke das Zeug dazu, für die Stadt Chur mehr Sehenswürdigkeit als Irritation zu werden.

Date de publication
02-12-2021

Die Idee beschäftigt die Bevölkerung in Chur schon seit einem halben Jahrhundert: eine Talquerung über die Plessur auf ca. 740 bis 780 m ü. M. und somit ca. 150 m über der Stadt. Bei einer solch prominenten Lage ist die Gestaltung des Brückenbauwerks entscheidend, denn es gilt, das Stadtbild mit den his­torischen Altstadt­elementen, der Kirche St. Luzi, der Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt sowie dem Bischöflichen Hof, in die Überlegungen einzubeziehen.

Die Aufgabe der neuen Brücke wird es sein, die Julierstrasse mit der Schanfiggerstrasse, die die Gemeinde Arosa erschliesst, zu verbinden und damit die Innenstadt zu entlasten. Heute zwängt sich der gesamte Verkehr vom und ins Schanfigg durch die Stadt. Enge Platzverhältnisse und unübersichtliche Stellen gefährden die Sicherheit der Strassennutzenden. Zudem führt der dichte Durchgangsverkehr an Wochenenden häufig zu Staus.

In den 1970er-Jahren wurde ein erstes Auflageprojekt «Hochbrücke Plessur» von der Julierstrasse zur Arosastrasse ausgearbeitet, allerdings nicht öffentlich aufgelegt. Auch 2008 gab es ein Brückenprojekt, das jedoch nach der Auflage aufgrund eines Urteils des Bundesgerichts aufgehoben wurde. Nun startete das kantonale Tiefbauamt einen dritten Versuch. Ein Wettbewerb mit Präqualifikation sollte helfen, ein Projekt zu finden, das den Anforderungen gerecht wird. Neben konstruktiver Durchbildung, Ästhetik, Funktionstüchtigkeit, Dauerhaftigkeit und Ausführbarkeit war vor allem die Verträglichkeit mit der Umwelt, insbesondere dem Orts- und Landschaftsbild, massgebend.

Im Rahmen der Präqualifi­kation haben 41 Teams ihre Projekte eingegeben. Im Dezember 2020 tagte die Jury ein erstes Mal mit dem Ziel, fünf bis sieben Teilnehmende für die Ausarbeitung eines reduzierten Vorprojekts auszuwählen.

In der Diskussion zeigte sich, dass sich nicht alle Tragwerkssysteme für diese Bauaufgabe eignen würden. Durchlaufträger und Sprengwerke wurden zugunsten von Bogen- und Schrägseillösungen aufgegeben. Für die Weiterbearbeitung kamen fünf Bogenbrücken und zwei Schrägseilbrücken in die Auswahl.

Überzeugt hat die Jury das Projekt «un solo arco» eines Planerteams unter der Leitung des Churer Ingenieurbüros Conzett Bronzini Partner. Der Entwurf sieht vor, das Tal zwischen der Julier- und Schanfiggerstrasse durch eine 420 m lange, sehr flache Stahlbogenbrücke mit einem Fahrbahnträger in Verbundbauweise zu überqueren. Das Projekt habe insbesondere dadurch überzeugt, dass das Konzept der eleganten Stahlbogenbrücke den Nachhaltigkeitsgedanken auf mehreren Ebenen am besten vertrete, heisst es im Jurybericht. Einerseits konzentrieren sich die baulichen Eingriffe auf einen engen Raum, andererseits ist der Materialbedarf kleiner. Damit sind auch weniger Transportfahrten durch die engen Zufahrten nötig als bei anderen ­Bögen. Trotz der grössten Gesamt­spannweite von 340 m ist die Brücke insgesamt die kürzeste im Bewerberfeld. Dank der klugen Platzierung der Ankunftspunkte füge sich der Entwurf harmonisch in das Orts- und Landschaftsbild ein, stellt die Jury fest. Die Stahlkonstruktion dieser Brücke werde innovativ im Freibau von beiden Flanken her errichtet, sodass die Betonfahrbahnplatte im Nachgang darüber betoniert werden könne. Ein Manko: Die Wirtschaftlichkeit der Konstruktion hängt stärker als bei anderen Entwürfen vom Stahlpreis ab.

Die 500 m lange Schrägkabelbrücke «Piz Palü» mit rückwärts geneigten Pylonen erreichte Rang 2. Die Lage tief im Tal bietet für die Schrägseilkonstruktion Vorteile gegenüber einer Bogenlösung. Aus der Altstadt betrachtet, erscheine dieses Bauwerk leicht und fern. Das oben liegende Tragwerk wurde von der Jury jedoch kritisch gesehen: warum oben liegend, wenn nach unten so viel Platz vorhanden ist?

Die schöne, klassische Bogenbrücke auf Rang 3 überzeugte durch ihre fast perfekte Symmetrie im Tal. Die schlichten und eleganten Formen des Projekts «Madleina» sind gleichzeitig funktionell und aerodynamisch. Aus landschaft­li­cher Sicht beeinträchtigt die gewählte Lage die von Felsen durchsetzte Umgebung allerdings erheblich.

Die Regierung des Kantons Graubünden schliesse sich dem Vorschlag des Preisgerichts zur Weiterverfolgung des Siegerprojekts an.

Jurybericht und Pläne auf competitions.espazium.ch

Auszeichnungen

1. Rang: «un solo arco»
Conzett Bronzini Partner (FF), Chur; Schlaich Bergermann Partner, Berlin; Tuffli & Partner, Chur; D. Jüngling und A. Hagmann Architekten, Chur; Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich; Nightnurse Images, Zürich
2. Rang: «Piz Palü»
Calatrava Valls (FF), Zürich;
Dr. Bernasconi (Subplaner für Geologie), verstärkt durch Jäckli Geologie, Sargans; avo, Zürich
3. Rang: «Madleina»
Gruner Wepf (FF), Zürich; Gruner, Basel; K & L Architekten, St. Gallen

Projekte ohne Rang

«Archs Colliants»
dsp Ingenieure + Planer (FF), Uster; Arenas & Asociados Ingenieria de Diseño, Santander (E); Spartaro Petoud Partner, Bellinzona; Dr. Vollenweider, Zürich; Feddersen & Klostermann, Zürich; Nightnurse Images, Zürich
«1 zu 6»  
Synaxis (FF), Zürich; Ingphi, Lausanne; Equi Bridges, Chur; Afry Schweiz, Chur
«Ibex»
Basler & Hofmann (FF), Zürich; K + D Landschaftsplanung, Vaz/Obervaz; Knight Architects, Buckinghamshire (GB); Arup Deutschland, Berlin
«Jasmine»
T. Y. Lin International (FF), San Francisco; Singular Structures Engineering, Madrid; Shannon & Wilson, Seattle

SachJury

Dr. Mario Cavigelli, Regierungspräsident, Vorsteher DIEM (Vorsitz); Reto Knuchel, Kantonsingenieur, TBA (Stv .Vorsitz); Patrik Degiacomi, Stadtrat Stadt Chur, Vorsteher Departement Bildung Gesellschaft Kultur; Roger Stäubli, Chef Strassenbau, Stv. Kantons­ingenieur TBA

FachJury

Andrea Deplazes, Architekt, Chur; Heinrich Figi, Bauingenieur, Chur; Rita Illien, Landschaftsarchitektin, Zürich; Hans F. Schneider, Geograf, NHK Graubünden; Thomas Vogel, Bauingenieur, Zürich; Ruedi Vögeli, Leiter Kunstbauten, Tiefbauamt St. Gallen

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