Stadt­la­bor

Laborneubau Haus 6; Anonymer Projektwettbewerb im selektiven Verfahren

Mit dem Projekt «Petri» gewinnen Karamuk Kuo Architekten und HSSP den Wettbewerb für den Neubau im Basler Stadtteil Rosental. Sie fassen die Laborbereiche sowie die Räume für Forschung und Bildung in einem schlichten, kompakten Volumen zusammen, das sich durch verschiedene öffentliche Nutzungen im Sockel zum Quartier öffnet.

Date de publication
28-10-2021

Auf dem ältesten erhaltenen Chemieareal in Basel – dem «Rosental Mitte» – entsteht ein durchmischter Stadtteil. Nach dem Kauf durch den Kanton Basel-Stadt wird das Gebiet schrittweise geöffnet und sukzessive in einen gut erschlossenen Standort für Arbeit, Forschung, Bildung, aber auch Wohnen und quartierdienliche Nutzungen transformiert. Grundlage für die Planung bildet das städtebauliche Leitbild von ­Her­zog & de Meuron, das 2020 der Öffent­lichkeit präsentiert wurde. Anfang dieses Jahres konnte der erste Wettbewerb für den Umbau eines bestehenden Laborbaus entschieden werden.

Nun folgte der erste Wettbewerb für einen Laborneubau, den der Kanton Basel-Stadt finanziert. In Bezug auf  die städtebauliche Entwicklung und Öffnung des Areals kommt ihm eine wesentliche Aufgabe zu. Denn indem er in Teilen öffentlich zugänglich ist, kann er dazu beitragen, dass sich der neue Stadtteil in das umgebende Quartier integriert. Im flexiblen und anpassbaren Haus für die Forschenden und Studierenden des Departements Chemie der Univer­sität Basel sollen sich auch Dritt­firmen einmieten.

Dafür schrieb Immobilien Basel-Stadt als Eigentümervertreterin des Kantons Basel-Stadt einen anonymen Projektwettbewerb im selektiven Verfahren nach GATT/WTO für Generalplanerteams aus. Aus den 48 Bewerbungen wurden 13 Teams zum Wettbewerb eingeladen, davon fünf prämiert. Die Jury empfahl einstimmig das Projekt «Petri» vom Zürcher Architekturbüro Karamuk Kuo Architekten und HSSP zur Weiterbearbeitung.

Vielfältig und innovativ

Die Aufgabenstellung war komplex, die Rahmenbedingungen äusserst eng gefasst, dennoch präsentierten die Teilnehmenden des Wettbewerbs eine breite Palette an Lösungsmöglichkeiten. Beim zweitrangierten Projekt «Stadtterrassen» lobt die Jury die umlaufende Terrasse des Gebäudes als einen «städtebaulich integrativen Ort», kritisiert jedoch die dezentral angelegten Haustechniksteigzonen, die die Flexibilität der Labornutzung für zukünftige Nutzer einschränkt. Infrage gestellt wird auch die Effi­zienz der integralen Fassadengestaltung mit halbtransparenten PV-Elementen, die im Unterschied zu leistungsstärkerer Photovoltaik auf dem Dach eine zusätzliche Technikzentrale notwendig machen.

Im Entwurf «Tra Parentesi» werden die vielen technischen und konstruktiven Innovationen gelobt, aber als sehr anspruchsvoll und teilweise in dieser Form als nicht realisierbar beurteilt. Dazu gehört der Lehmhybridbau mit indirekter Nachtauskühlung, die Verwendung von Compressed-Earth-Blocks für die Innenwände, atmende und feuchteregulierende Materialien und insbesondere das Atrium mit elaboriertem Pflanzen- und Bewässerungssystem zur Erzeugung eines angenehmen Mikroklimas durch Verdunstungskälte.

Obwohl das Projekts «The Rose» sehr grosszügig angelegt ist, bezeichnet die Jury die Inszenierung und Ausarbeitung als zu zaghaft. Das Volumen, das zu beiden Strassenseiten terrassiert ist, schafft in der Mitte einen Kernbereich, der verschiedene Variationen der Labornutzung ermöglicht.

Der sehr ausdruckstarke Projektvorschlag «Labs and Roses» weist aus der Sicht der Jury räumliche und funktionale Mängel auf. Ein keilförmiger Dachaufbau mit üppig begrüntem Dachgarten kann die Verschattung der Bestandsbauten entlang der Strasse auf ein ­Minimum reduzieren. Die Form hebt sich genauso wie die kreisrunden Erschliessungs- und Verbindungstürme an den Ecken des zweiten Gebäudetrakts deutlich vom Bestand ab, lässt jedoch innenräumliche Aufenthaltsqualität vermissen.

Einfach und doch komplex

Die Stärke des erstprämierten Projektentwurfs liegt primär in der überraschend einfachen und gekonnten Umsetzung der Anforderungen des Wettbewerbsprogramms. Trotz seiner Schlichtheit wirkt er sehr prägnant. Der kompakte Baukörper liegt von der Maulbeerstrasse zurückversetzt, er fasst damit einen öffent­lichen Vorplatz, der sich dem um­liegenden Quartier zuwendet und gleichzeitig Einblicke in das neue Rosental-Quartier zulässt. Läden und Cafés auf Strassenniveau unterstützen den öffentlichen Charakter des Gebäudes. Verstärkt wird er durch das durchlässige Erd­geschoss mit der von drei Seiten ­zugänglichen, verglasten Eingangshalle; sie verbindet die Strassenseite mit der Mitte des neuen Quartiers.

Innerhalb des grosszügigen, kreuzförmigen Erschliessungsraums bilden die kreisförmige Deckenaussparung und die runden Treppenaufgänge charakteristische Elemente des ­Entwurfs. Über die Galerien ermöglichen sie Einsicht in das 1. Ober­geschoss, wo sich die Seminar- und Besprechungsräume sowie eine  Science Lounge befinden. Über die grosse Wendeltreppe, die sich gleich einem runden Atrium bis ­unters Dach öffnet, werden alle ­Ebenen erschlossen und ein in­formeller ­Austauschort geschaffen. Daran gliedern sich Arbeitsplätze, Sitzungszimmer und Neben­räume an, die sich zum neu geschaffenen Platz an der Maulbeerstrasse orientieren, während die Laborarbeitsplätze auf der gegenüberliegenden Seite sich dem neuen Campus zuwenden. Zur ver­tikalen Erschliessung der Laborbereiche dienen je eine halbkreisförmige, ­verglaste Treppe an den ­beiden Längsfassaden, die gleich einem Erker aus der Fassadenflucht hervortreten.

Durch die Raster aus Stahlbetonstützen, die vor allem entlang der Fassaden und im Zentrum des Gebäudes liegen, können die Labor­bereiche stützenfrei gestaltet werden. Das erleichtert zukünftigen Nutzern die Anpassung und Nachrüstung. Auch die zentrale Erschliessungs- und Versorgungsachse in der Mitte des Gebäudes, in der Fluchttreppen, Liftkerne und Nebennutzungen zusammengefasst sind, und die breite Gangzone entlang der Fassaden vereinfachen die Anpassung der Laborräume und gewährleisten die Entfluchtung.

Durch die konsequente Systemtrennung der Tragstrukturen entspricht das Gebäude den ­Vor­stellungen eines modernen und nachhaltigen Labor­gebäudes. Deshalb bleiben sowohl die primäre ­Trag­struktur aus Stahlbetonstützen als auch die sekundäre Struktur aus Holzdecken im Innern ­sichtbar, und die Leitungen werden grossteils offen geführt. Die umlaufenden Fluchtbalkone unterstützen als zweite Fassadenebene den sommerlichen Sonnenschutz, dienen dem Unterhalt und der Reinigung und sprechen die industrielle Sprache des ehemaligen Industriequartiers.

Insgesamt verspricht das kompakte Volumen zusammen mit dem optimierten Tragwerkssystem, der systematisch durchdachten Haustechnik und der ressourcenschonenden Bauweise ein nachhaltiger, ökonomischer Bau zu werden. Dass der Entwurf unter der Hochhausgrenze bleibt, macht ihn zusätzlich wirtschaftlich interessant. Dank der städtebaulichen Setzung und der inneren Organisation leistet ins­besondere der Sockel einen wichtigen Beitrag im Sinn von «mehr Stadt für die Stadt» im sich öffnenden Rosental-Quartier.

In einem nächsten Schritt wird das Projekt überarbeitet; die Grundlagen für das Bauprojekt ­werden geschaffen. Währenddessen wird der sich im Bau befindende Teilbereich Rosentalstrasse/Riehen­strasse fertiggestellt und voraussichtlich im Herbst kommenden Jahres eingeweiht.

Jurybericht und Pläne auf competitions.espazium.ch

Auszeichnungen

1. Rang / 1. Preis: «Petri»
ARGE Karamuk Kuo / HSSP, Zürich; Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; Waldhauser + Hermann, Münchenstein; Schmutz + Partner, Basel; IBG Engineering, Winterthur; Durable Planung und Beratung, Zürich; Laborplaner Tonelli, Gelterkinden; Pirmin Jung Schweiz, Rain
2. Rang / 2. Preis: «Stadtterrasse»
Itten + Brechbühl / Kunz und Mösch, Basel; Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; Eicher + Pauli Liestal, Liestal; Probst + Wieland, Burgdorf; Corenta, Dübendorf; Lemon Consult, Zürich; Tonelli, Gelterkinden; Etter Fassaden­planungen, Basel; Risam, Basel
3. Rang / 3. Preis: «Tra Parentesi»
Boltshauser Architekten, Zürich; Drees & Sommer Schweiz, Zürich; Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; Waldhauser + Hermann, Münchenstein; Bösch Sanitär­ingenieure, Dietikon; IBG Engineering, Winterthur; Amstein + Walthert, Zürich; Laborplaner Tonelli, Gelterkinden; Reflexion, Zürich; Enz & Partner, Zürich; Brandschutzpartner, Dübendorf; GRÜNinGOLD, Oberwil-Lieli; Atelier Andrea Gassner, Feldkirch (A); Feroplan Engineering, Zürich
4. Rang / 4. Preis: «The Rose»
Hirt Brunetti, Basel; ARGE Selva Luca Architekt, Basel / Galli Rudolf Architekten, Zürich; Ulaga Weiss, Basel; Waldhauser + Hermann, Münchenstein; Sanplan Ingenieure, Lausen; Eplan, Reinach; Amstein + Walthert Basel, Basel; Laborplaner Tonelli, Gelterkinden; Aicher, De Martin, Zweng, Basel; Rapp Infra, Basel
5. Rang / 5. Preis: «Labs And Roses»
S+B Baumanagement, Olten; Christ &
Gantenbein, Basel; Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure, Zürich; Todt, Gmür + Partner, Schlieren; GRP Ingenieure, Rotkreuz; IBG Engineering, Winterthur; Basler & Hofmann, Zürich; LaborPlan, Therwil; Maurus Schifferli Landschaftsarchitekt, Bern; LSC Brandschutz, Zürich

FachJury

Beat Aeberhard, Leiter Städtebau & Architektur, BVD Basel-Stadt (Vorsitz); Emanuela Ferrari, Architektin, Chur/St. Niklaus; Patrick Gmür, Architekt, Zürich; Manuel Herz, Architekt, Basel; Ursula Hürzeler, Architektin, Basel; Stefan Marbach, Architekt, Basel; Jürg Degen, Leiter Städtebau, Städtebau und Architektur, BVD Basel-Stadt (Ersatz)

SachJury

Jürg Erb-Tanner, Standortarchitekt Roche Pharmaceuticals, Basel; Peter Kaufmann, Leiter Finanzvermögen, Immobilien, Basel-Stadt; Markus Kreienbühl, Leiter Immobilienentwicklung, Universität Basel; Willy Nützi, Leiter Hochbau, Städtebau & Architektur, BVD Basel-Stadt; Barbara Rentsch, Leiterin Portfoliomanagement, Immobilien Basel-Stadt; Daniela Brühwiler, Facility Management, Luzern (Ersatz)

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