«Leaky Pi­pe­line» an Schwei­zer Hochs­chu­len

Der Begriff «Leaky Pipeline» beschreibt das Phänomen, dass mit steigender akademischer Postion der Anteil der Frauen sinkt und jener der Männer steigt. Je steiler die beiden Kurven verlaufen, desto grösser ist der Unterschied zwischen den Aufstiegschancen, die dem Nachwuchs des jeweiligen Geschlechts offenstehen.

Date de publication
08-07-2021

ETH Zürich: Departement Architektur hinkt hinterher

Gemäss dem ETH-internen Equality ­Monitoring waren 2019/2020 am Departement Architektur D-­ARCH der ETH nur 18 % aller Professuren weiblich besetzt. Diese Zahl war zwar höher als der ETH-Durchschnitt, der in den gleichen Jahren bei rund 14 % lag. Doch wenn man den hohen Anteil von weiblichen Architekturstudierenden berücksichtigt, kehrt sich das Bild. 48 % Studentinnen standen 18 % Professorinnen gegenüber.

Das Verhältnis ist demnach schlechter als zum Beispiel am Departement Bau, Umwelt und ­Geo­matik, wo verschiedene Ingenieurdisziplinen angesiedelt sind: Dort waren es rund 33 % Studentinnen und rund 14% Professorinnen, Frauen hatten also ­bessere Chancen, die akademische ­Karriereleiter zu erklimmen. Die «Leaky Pipeline», hält das Monitoring nüchtern fest, sei im D-ARCH stärker ausgeprägt als im ETH-Durchschnitt; und auch die gläserne Decke sei hier – gemäss «Glass Ceiling Index GCI» – überdurchschnittlich dick.

Daran dürfte sich auch in Zukunft wenig ändern. 2019/2020 hatte am D-ARCH keine einzige Frau eine Assistenzprofessur inne. Vor allem aber hat der grosse Generationenwechsel bereits stattgefunden: 2015–2019 erfolgten nach mehreren Emeritierungen zwanzig neue Berufungen bzw. Beförderungen, bei denen nur sechs Frauen zum Zug kamen. Und: All diese Frauen erhielten schlechter dotierte, meist befristete Titular- bzw. ausserordentliche Professuren. Sämtliche ordentliche Lehrstühle – mit unbefristetem Lehrauftrag, höherem Lohn, höherem Budget und mehr Angestellten – fielen Männern zu. Diese ungleiche Verteilung der Machtpositionen ist aus dem Equality Monitoring übrigens nicht ersichtlich, weil dessen Statistik nicht zwischen unterschiedlichen Professuren unterscheidet.

FHNW und OST: vorbildlich paritätisch

Dass es sehr wohl anders geht, wenn der Wille dazu da ist, belegt beispielsweise die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW: Am dortigen Institut Architektur IARCH sind zurzeit 50 % der Entwurfs- und Konstruktionsprofes­suren mit Frauen besetzt.

Ebenso vorbildlich ist die ArchitekturWerkstatt St. Gallen der Ostschweizer Fachhochschule OST: Aktuell beträgt der Frauenanteil unter den Studierenden 42 %, unter den wissenschaftlichen Mitarbeitenden 45 % und in der Professorenschaft 50 %.

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Ein direkter Vergleich zwischen den Hochschulen, die einen Studiengang Architektur anbieten, ist allgemein schwierig. Zum einen sind sie unterschiedlich organisiert, zum anderen werten viele von ihnen ihre Daten nicht systematisch aus. Das regelmässige Gender Monitoring der ETH (seit 2020: Equality Monitoring) ist eine Ausnahme.

Für die Zürcher Hochschule der angewandten Wissenschaften ZHAW beispielsweise sind keine gesonderten Zahlen zum Frauenanteil im Bereich Architektur verfügbar. Erhältlich sind jedoch Angaben zum gesamten Fachbereich Architektur, Bau- und Planungswesen, wo u. a. auch das Bauingenieurwesen angesiedelt ist. 2020 betrug der Frauenanteil in diesem Fachbereich unter den Studierenden rund 27 %, im Mittelbau rund 46 % und unter den Dozierenden und Lehrbeauftragten rund 19 %.

Was die Aufstiegschancen von Frauen im akademischen Bereich angeht, besteht also noch reichlich Handlungsbedarf. Umso erfreulicher ist, dass viele Hochschulen allmählich erkennen, wie vorteilhaft sich gemischte Teams auf die Qualität auswirken.

Die ausführlicher Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 21/2021: «Spurensuche: frühe Architektinnen und ihre Bauten heute».

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