Ein Gla­shaus für die HSG

Neubau Campus Platztor der Universität St. Gallen; offener Projektwettbewerb

Die Universität St. Gallen platzt aus allen Nähten. Sie will deshalb neben dem Campus Rosenberg einen zweiten Standort eröffnen. Mit seinem ­Beitrag «Haus im Park» entwirft Pascal Flammer ein leichtes und trans­parentes Glashaus, das leider in der Bereinigungsstufe an Glanz verlor.

Date de publication
17-06-2021

Ursprünglich als Handelshochschule St. Gallen gegründet, ist die HSG seit Beginn eine Wirtschaftsuniversität, die die Bereiche Lehre, Forschung und Weiterbildung anbietet. Zentrum der HSG ist der Campus Rosenberg mit den charakteristischen Betonbauten aus dem Jahr 1963 von Förderer, Otto und Zwimpfer Architekten. 1989 kam das Bibliotheksgebäude von Bruno Gerosa dazu, und im Moment ist das HSG Learning Center von Sou Fujimoto im Bau. Der Campus ist auf 5000 Studierende ausgelegt. Heute hat die Universität St. Gallen 9000 Studierende. Bisher wurde die Raumnot mit Provisorien und angemieteten Räumen überbrückt. In Zukunft soll der zweite Campus Platztor für 3000 Studierende und Dozierende den bestehenden Campus Rosenberg entlasten.

Der neue Standort liegt am Rand der Altstadt von St. Gallen und ist vom bestehenden Campus in 15 Minuten zu Fuss zu erreichen. Auf dem Areal Platztor soll «ein vielfältiges, zukunftsgerichtetes und innovatives Angebot für Lehre und Forschung» mit einem «flexiblen, innovativen und beständigen Raumkonzept» entstehen. Der neue Campus soll zudem gut mit der Altstadt und dem Quartier vernetzt werden. Von der Altstadt gelangt man über die Unterführung Platztor direkt zum neuen Standort. Mit einer Testplanung wurden die Grundlagen für die mittel- und langfristige Entwicklung der Universität gelegt. Für den neuen Campus wird mit Erstellungskosten von 146 Mio. Franken gerechnet. Um Lösungsansätze für diese anspruchsvolle Bauaufgabe zu erhalten, hat der Kanton St. Gallen einen Projektwettbewerb im offenen Verfahren nach den Grundsätzen der Ordnung für Wettbewerbe SIA 142 ausgeschrieben. Insgesamt haben 59 Generalplanerteams Beiträge eingereicht, die alle zur Beurteilung zugelassen wurden.

Nach eingehender Diskus­sion beschloss die Jury, von den acht Projekten der engeren Wahl drei Beiträge in einer Bereinigungsstufe überarbeiten zu lassen. Laut Jurybericht haben sich alle Projekte deutlich weiterentwickelt. Die Kritikpunkte wurden aber nur teilweise umgesetzt, und keiner der drei überarbeiteten Beiträge konnte voll­umfänglich überzeugen. Deshalb entschied sich die Jury, das Projekt mit dem grössten Potenzial von Pascal Flammer zur Weiterbearbeitung vorzuschlagen. Sie empfiehlt, die Weiterbearbeitung durch eine Delegation der Jury begleiten zu lassen, um die Qualität des Beitrags in der Ausführung zu sichern.

Leichtigkeit und ­Transparenz

Der zur Weiterbearbeitung vorgeschlagene Beitrag «Haus im Park» setzt auf ein leichtes und transparentes Glashaus mit kleinem Fussabdruck, das die Mitte des Areals besetzt. Um den Neubau ist ein park­ähnlicher Freiraum angelegt, der auf die unterschiedlichen Nachbarschaften differenziert reagiert. Der grosszügige Eingangsbereich zur St.-Jakob-Strasse dient auch als Aussensitzplatz der Cafeteria. Der hintere Bereich hingegen übernimmt das Motiv der Gärten des stark begrünten Hangbereichs. Der Baukörper selbst reagiert mit einem Vorsprung auf den Eingangsbereich und einem Rücksprung auf den rückseitigen Grünraum.

Durch die Verbindung von Lehre und Forschung in den Geschossen können Synergien genutzt werden. Offene Räume mit Blick auf die Stadt und breite Wendeltreppen verbinden die Geschosse untereinander. Die Unterrichtsräume in den Obergeschossen werden durch einen Innenhof natürlich belichtet und belüftet. Das Tragwerk mit einem grosszügigen Stützenraster erlaubt eine flexible Nutzung der Räume. Es besteht aus Holzstützen, vorgespannten Unterzügen aus Beton und Holzverbunddecken. Die hybride Konstruktion wirkt aufgesetzt und ist nur bedingt nachvollziehbar.

Während der Bereinigungs­stufe wurde das Projekt optimiert. Die aussen liegende Erschlies­sung wurde weitgehend entfernt, wodurch das Projekt funktionaler wurde, gleich­­zeitig aber seine klare Typologie verlor. Die Nutzfläche vergrösserte sich durch ein zusätz­liches Geschoss. Stark horizontal ­gegliederte Fenster- und Brüstungsbänder ersetzten die Glasfassaden, und auch die zweigeschossigen Räume wurden eliminiert.

Neutrale Vermittlung

Das mit dem zweiten Preis ausgezeichnete Projekt «Corpus» von Comamala Ismail Architectes sieht einen gut proportionierten Quader vor, der gekonnt zwischen Altstadt, Villenquartier und heterogener Bebauung im Nordosten vermittelt. Dafür wurden grosse Teile des Raumprogramms ins Untergeschoss verfrachtet. Darunter leiden einige Unterrichtsräume und die Studentenbar, die kein natürliches Licht erhalten. Das Gebäude ist geschickt gegliedert. Das teilweise zweigeschossige Erdgeschoss ist zurückgesetzt, sodass die Obergeschosse darüber zu schweben scheinen. Mit der Überarbeitung wurde der Baukörper tiefer. Dies schränkt den Freiraum, der bereits weitgehend unterbaut ist, weiter ein. Die Vorteile der grösseren zusammenhängenden Nutzflächen bestehen in einem ­engeren Bezug von Lehrräumen und Instituten.

Der Beitrag besticht durch eine klare und effektive innere Raum­aufteilung. Im Erdgeschoss be­findet sich das generöse Foyer mit den Restaurants und den grosszügigen Treppenanlagen. Die vier Obergeschosse verfügen über einen Innenhof mit zwei offenen Wendeltreppen. Auf der einen Seite sind die Instituts-, auf der anderen Seite die Seminarräume angeordnet. Die Fassaden sind schlicht und elegant. Die Jury lobt zwar deren Zurückhaltung und Zeitlosigkeit, bezweifelt aber, «ob eine derlei nüchterne industrielle Anmutung für die Selbstdarstellung einer wichtigen und traditionsreichen Hochschule richtig gewählt ist».

Nach historischem Vorbild

Der auf dem dritten Rang platzierte Beitrag von Enzmann Fischer Partner nimmt explizit Bezug auf die Karl Friedrich Schinkels Berliner Akademie von 1836. Ein mächtiger, quadratischer Solitär besetzt den neuen Campus. Eine Arkade zur St.-Jakob-Strasse führt zum Hauptzugang. Hangseitig schliesst ein als Arena ausgebildeter Grünraum an. Die Innenräume sind durch vier ­Atrien belichtet. Ihre antiquierten ­Bezeichnungen «Studiersaal, Markthalle, Vestibül und Kunstkabinett» verweisen auf längst vergangene Zeiten. Das historische Vorbild wurde folgerichtig interpretiert und im Entwurf kohärent umgesetzt. Offen bleibt, ob die verwendete Referenz aus Berlin als Vorlage für die kleinstädtische Umgebung taugt. Die Vertreter der Universität überzeugte weder die städtebauliche Setzung noch der architektonische Ausdruck. Zu rückwärtsgewandt war die analoge Architektur für eine Auftrag­geberin, die den Blick klar in die Zukunft gerichtet hat.

Optionale Bereinigungsstufe

Pascal Flammer nutzt die Überarbeitung, um sein Projekt nach allen Regeln der Kunst zu optimieren. Es kommt ein zusätzliches Geschoss dazu, die Fluchtbalkone und die zweigeschossigen Räume werden weitgehend entfernt und die innere Raumaufteilung gestrafft. Leider gingen dabei wesentliche Qualitäten des radikalen Entwurfs verloren, insbesondere kamen ihm Leichtigkeit und Transparenz abhanden. Grundsätzlich ist es sinnvoll, wenn der Auslober die Möglichkeit einer optionalen Bereinigungsstufe im Wettbewerbsprogramm vorsieht. Die Jury muss sich aber gut über­legen, ob sie diese Option, die mit einem grossen Zusatzaufwand für alle Beteiligten verbunden ist, auch wirklich einlösen will und ob die Bereinigungsstufe die erhoffte Klärung bringen kann.

Pläne und Jurybericht zum Wettbewerb finden Sie auf competitions.espazium.ch

Auszeichnungen

1. Rang / 1. Preis: «Haus im Park»
Pascal Flammer, Zürich; YellowOffice, Mailand; Proplaning, Basel; Lorenz Kocher, Chur; Stokar + Partner, Basel; Transsolar Energietechnik, Stuttgart; Makiol Wiederkehr, Beinwil am See; Kopitsis Bauphysik, Wohlen; Emmer Pfenninger Partner, Münchenstein; Pro Engineering, Basel; stadt raum verkehr, Zürich
2. Rang / 2. Preis: «Corpus»
Comamala Ismail Architectes, Delémont; Kesküla Erard architecture du paysage, Biel; Confirm, Zürich; Muttoni & Fernandez Ing. Conseils, Ecublens; Amstein + Walthert Bern; Atelier P3, Zürich, Citec Ingénieurs Conseils, Neuchâtel
3. Rang / 3. Preis: «Rubik»
Enzmann Fischer Partner; Zürich; Skala Landschaft Stadt Raum, Zürich; BGS & Partner Architekten, Rapperswil; Schnetzer Puskas Ingenieure, Zürich; Wirkungsgrad Ingenieure, Rapperswil-­Jona; Bakus, Zürich; Büro für Nachhaltigkeit, Zürich; BIQS Brandschutzplanung, Zürich
4. Rang / 4. Preis: «Urbanite»
Ruprecht Architekten, Zürich; Heinrich Landschaftsarchitektur, Winterthur; Eggel & Partner, St. Gallen; Ingphi, Lausanne; Gruner Roschi, Köniz; Durable Planung und Beratung, Zürich; WAM Planer und Ingenieure, Solothurn
5. Rang / 5. Preis «Alma»
Gunz & Künzle Architekten, Zürich
6. Rang / 6. Preis: «Jakob Graben»
ARGE BUR Architekten / neff neumann archi­tekten, Zürich
7. Rang / 7. Preis: «Agora»
Archipel Generalplanung, Bern
8. Rang / 8. Preis: «gemini»
Giuliani Hönger Architekten, Zürich

SachJury

Susanne Hartmann, Regierungsrätin Baudepartement; Stefan Kölliker, Regierungsrat Bildungs­departement; Bernhard Ehrenzeller, Rektor Universität St. Gallen; Markus Buschor, Stadtrat, Direktion Bildung und Freizeit, Stadt St. Gallen; Rolf Bereuter, Leiter Amt für Hochschulen, Bildungsdepartement (Ersatz); Bruno Hensler, Verwaltungsdirektor Universität St. Gallen (Ersatz); Florian Kessler, Leiter Stadtplanung Stadt St. Gallen (Ersatz)

FachJury

Jürg Kellenberger, stv. Kantonsbaumeister (Vorsitz); Hannelore Deubzer, Architektin, Berlin; Andreas Hild, Architekt, München; Dieter Jüngling, Architekt, Chur; Vittorio Magnago Lampugnani, Architekt, Zürich; Thomas Bürkle, Bereichsleiter Projektentwicklung, BD-HBA (Ersatz); Felix Wettstein, Architekt, Lugano (Ersatz)

 

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