Area­lent­wi­ck­lung über Gren­zen hin­weg

Areal Otterbach Süd, Weil am Rhein (D); Studienauftrag im selektiven Verfahren

Direkt an der Landesgrenze, auf dem Areal Otterbach Süd, entwickeln die Städte Basel und Weil am Rhein (D) gemeinsam ein neues Quartier mit Wohnanteil für bis zu 2200 Menschen. Im partnerschaftlich durchgeführten städtebaulichen Studienauftrag überzeugten zwei Projekte.

Date de publication
25-03-2021

Grenzüberschreitende Planungen sind in der trinationalen Region Basel bereits selbstverständlich, grenzüberschreitend veranstaltete Konkurrenzverfahren allerdings noch rar. Auf dem rund zehn Hektar grossen Gewerbeareal namens Otterbach Süd1, das derzeit hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt wird, wurde ein solches angewandt. Das Gelände befindet sich in der deutschen Stadt Weil am Rhein, ist jedoch seit fast sechzig Jahren im Besitz der Einwohner­gemeinde der Stadt Basel. Während Basel das Areal an Investoren oder Direktnutzer abtreten kann, obliegen Weil am Rhein die hoheitlichen Aufgaben, etwa die Ausarbeitung eines Flächennutzungsplans. Da beidseits der Landesgrenze seit Jahren die Nachfrage nach Wohnraum steigt, wollen beide Partner das Gebiet in ein Wohn- und Mischgebiet für 1500 bis 2200 Personen überführen. Durch eine grenzüberschreitende Planungsvereinbarung zwischen der Stadt Weil und der Immobilien Basel-Stadt konnte der öffentlich ausgeschriebene, städtebauliche Studienauftrag im selektiven Verfahren partnerschaftlich durchgeführt werden.

Insgesamt bewarben sich 37 Büros für Architektur, Städtebau, Stadtplanung, Freiraumgestaltung und Landschaftsarchitektur einzeln oder in Teams mit Spezialisten aus den verschiedenen Bereichen. Sechs Teams wurden mittels Prä­quali­­fikation für die Teilnahme am Studienauftrag ausgewählt. Zwei ­Entwürfe, deren städtebauliche Strukturen für das neue Otterbacher Wohnquartier sich stark unterscheiden, überzeugten. Beide integrieren jedoch die benachbarten Grünräume: Im Süden grenzt das Areal an den binationalen Landschaftspark Wiese sowie auf Schweizer Seite an das Naherholungsgebiet Langen ­Erlen an. Nördlich des Areals liegt ein kleines Wäldchen, das zum bestehenden Quartier gehört.

«Waldinseln»

Hosoya Schaefer Architects mit Agence Ter.de Landschaftsarchitekten schlagen für das Neubaugebiet eine lockere Bebauung aus acht aufgebrochenen Blockrändern vor. Durch die Stellung der polygonalen Baublöcke entstehen besonders vielfältige und individuelle Stadträume; etwa der dreieckige Platz an der wichtigen Nahtstelle zur alten Otterbacher Siedlung und der Einmündung der Otterbacher Strasse in die Nonnenholzstrasse. Zum Platz orien­tieren sich eine Kita, verschiedene Dienstleistungen und Einzelhändler. Die grosszügigen Fugen zwischen den abgewinkelten Baublöcken ermöglichen, den Grünraum von Norden nach Süden durch die Wohnsiedlung zu führen. Die Verfasser nennen die aneinander gereihten Baumgruppen im Wohngebiet «Waldin­seln». Damit erhalten die Strassen den Charakter von Waldwegen. Dar­an knüpft auch das Netz aus Velo- und Fusswegen an. Als gemeinsamen Ort für den neuen und den bestehenden Stadtteil schlagen die Verfasser im Wäldchen im Nordosten einen Biergarten und Freizeiteinrichtungen vor.

Grosser Vorteil der städtebaulichen Struktur ist, dass die Baufelder mit jeder Bauetappe sukzessiv an die Bedürfnisse des Wohnungsmarkts angepasst werden können. Darüber hinaus sieht das Projekt jedoch eine gemischte Nutzung innerhalb jeden Wohnblocks vor, der durch Gemeinschaftsräume und -flächen ergänzt werden soll. Im Gegensatz zur Blockstruktur bilden im Westen des Areals Gewerbe- und Kulturbauten einen Riegel zu den grossmassstäblichen Baukörpern des Bundesasylzentrums Basel und der Haftanstalt Bässlergut; sehr ­geschickt wird damit das Wohngebiet von der rege befahrenen Freiburgerstrasse und zur Bahnlinie abgeschottet.

«Ein Tropfen im Landschaftspark»

Pool Architekten mit Maurus Schifferli Landschaftsarchitekten analysieren das Gebiet aus dem Kontext der Landschaft und der baulichen Begrenzungen heraus. Zwischen Bahndämmen und dem Landschaftspark spart der von ihnen betrachtete stadträumliche Perimeter eine Tropfenform aus. Innerhalb dieser Form gliedern die Verfasser das neue Quartier in mehrere Schichten aus unterschiedlichen Freiraum- und Bebauungstypologien. Nördlich der Nonnenholzstrasse liegt die bestehende, kleinteilige Wohnsiedlung 4 Linden mit privaten Gärten. Daran anschliessend schlägt das Projekt kollektive Wohngärten in den Höfen der bis zu fünfgeschossigen Gebäude und Einfamilienreihenhäuser vor. Diese Struktur bildet einen angemessenen Übergang zum grossräumigen Gemeinschaftspark. In diesem sind mehrere abgetreppte Hochhäuser locker verteilt. Die markanten, bis zu 80 m hohen Gebäude nehmen Bezug auf bekannte und erfolgreiche Beispiele des sozialen Wohnungsbaus, wie zum Beispiel den Wohnpark Alt-Erlaa in Wien aus den 1970er-Jahren von Harry Glück (österreichischer Architekt und Bühnenbildner, 1925–2016). Gleichzeitig soll damit die Zugehörigkeit zur Stadt Basel unterstrichen werden. Gemeinnützige Bauträger sollen hier das gemeinschaftliche ­Wohnen realisieren. Da der hohe Grundwasserspiegel keine Unterkellerung der Gebäude erlaubt, werden Parkplätze in den sehr breiten unteren Geschossen angeboten. Der umgebende grosszügige Grünraum ist als Gemeinschaftspark für ein breites Publikum aus der ganzen Region gedacht und verbindet sich wiederum gut mit dem waldbestandenen Landschaftspark Wiese im Süden.

Das weitere Vorgehen

Beide Projekte des städtebaulichen Studienauftrags sind nicht als definitive Planung zu verstehen. Vielmehr bilden sie die Basis und Diskussionsgrundlage für die weitere Planung. Dabei sprechen die Eigentümer von einem langfristigen Zeithorizont von zehn bis 15 Jahren, bis alle Etappen des Areals entwickelt sind. Im weiteren Ablauf wird sich nun der Gemeinderat der Stadt Weil am Rhein mit den beiden Arbeiten befassen. Notwendig ist eine Änderung des Flächennutzungsplans (entspricht in etwa dem kantonalen Richtplan) und die Aufstellung eines Bebauungsplans. Dieses Verfahren und die weitere Planung haben auf jeden Fall Vorbildcharakter für zukünftige grenzüberschreitende Planungen und Konkurrenzverfahren in der Region Basel.

Anmerkung
1 1962 verkaufte Hermann Bässler das Bässlergut inklusive Otterbachgut an den Kanton Basel-Stadt. Ein Teil der Liegenschaft lag dabei auf deutscher Seite und ein Teil in der Schweiz.

Pläne und Jurybericht zum Wettbewerb finden Sie auf competitions.espazium.ch

Auszeichnungen

«Waldinseln»
Hosoya Schaefer Architects, Zürich, mit Agence Ter.de Landschafts­architekten, Karlsruhe
«Ein Tropfen im Landschaftspark»
Pool Architekten, Zürich, mit Maurus Schifferli Landschaftsarchitekten, Bern

Fachjury

Prof. Dr. Michael Koch, Architekt und Stadtplaner, Zürich / Berlin (Vorsitz); Prof. Sophie Wolfrum, Stadtplanerin, München; Rita Mettler, Landschafts­architektin, Berlin / Gossau; Mario Flammann, Architekt und Stadtplaner, Dortmund / Stuttgart; Prof. Harry Gugger, Architekt, Basel

Sachjury

Wolfgang Dietz, Oberbürgermeister, Stadt Weil am Rhein; Christoph Huber, erster Bürgermeister, Stadt Weil am Rhein; Dr. Rolf Borner, Geschäftsleiter Immobilien Basel-Stadt; Barbara Rentsch, Leiterin Portfolio­management Immobilien Basel-Stadt

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