«Kon­sens und Koo­pe­ra­tion sind mir wich­tig»

Der neue Präsident der Berufsgruppe Ingenieurbau (BGI) ist Olin Bartlome. Er tritt sein neues Amt Anfang Januar 2021 an. Was ihm wichtig ist und was er bewegen will, verrät er in einem anregenden Telefongespräch.

Date de publication
15-12-2020

SIA: Olin Bartlome, Anfang Januar 2021 übernehmen Sie Ihre Aufgabe als BGI-Präsident. Was reizt Sie daran?

Olin Bartlome: Ich bin nun seit drei Jahren im BGI-Rat. Der Rat hat sich in dieser Zeit sehr gut entwickelt: Wir haben einen guten Mix der unterschiedlichen Teilgebiete der Bauingenieure, aber auch der Alter und Geschlechter – zudem schätze ich meine Kolleginnen und Kollegen in der Gruppe sehr. Des Weiteren arbeite ich schon seit Jahren mit einigen Leuten der SIA-Geschäftsstelle eng zusammen. Wenn ich eine Aufgabe übernehme, ist es mir wichtig, ein Team zu haben, von dem ich sagen kann: «Das sind coole Leute, mit ihnen kann ich etwas bewegen.» Das ist hier klar der Fall. Das ist das eine. Andererseits ist die ganze Branche im Umbruch: Im Planerbereich hat die Digitalisierung zwar schon lange begonnen. – Computergestützte Maschinen und CAD gibt es ja schon ewig. Aber jetzt geht es deutlich schneller voran. Nicht unbedingt nur wegen Tools oder Methoden wie BIM. Die Zusammenarbeit läuft heute anders ab – virtuell, viel schneller und verlangt dadurch von Ingenieurinnen und Ingenieuren andere Fähigkeiten. Darum ist es mir wichtig, dass der Rat den SIA und die Hochschulen bezüglich Inhalte etc. in der Grund- und Weiterbildung konzeptionell unterstützen, dass die Agilität und der neue digitale Groove einfliessen. Und nicht zuletzt bin ich jemand, der sehr gerne Dinge aufbaut.


SIA: Haben Sie sich spontan beworben oder schon länger mit dieser Aufgabe geliebäugelt?

Olin Bartlome: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mir das nicht schon vorher überlegt habe. Ich kenne Patric Fischli-Boson schon länger und habe gewusst, dass er sich mit dem Gedanken trägt, sich von seinem Amt zurückzuziehen. Aber ich habe nie gross darauf reagiert. Denn ich bin jemand, der auf Teams setzt und will deshalb niemanden in der Sonne stehen. Für mich ist die gute Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen – auch in meiner Firma – das wichtigste. Nachdem Patric Fischli-Boson seinen Rücktritt verkündet hat, ist das Amt öffentlich ausgeschrieben worden, und ich habe mich beworben. Jetzt bin ich sehr glücklich darüber, dass mich meine Kolleginnen und Kollegen gewählt haben.


SIA: Wer sich für ein solches Mandat bewirbt, zeigt viel freiwilliges Engagement ausserhalb seines eigentlichen Jobs. Sind Sie altruistisch veranlagt?

Olin Bartlome: Ich bin intrinsisch motiviert. Mich reizt diese Aufgabe sehr, sie motiviert mich – damit ist es also nicht selbstlos. Ich bin auch in anderen Organisationen aus ähnlichen Gründen tätig, teilweise auf Mandatsbasis, teilweise gewählt. Mir entspricht es, den Konsens oder Konsent mit meinen Berufskolleginnen und -kollegen zu finden, auch wenn die nicht 100-prozentig meiner Linie entsprechen. Eigeninteresse hat bei diesem Mandat nichts zu suchen. Kooperationsbereitschaft ist dafür umso wichtiger. Denn ich will, dass es mit der BGI vorwärts geht.


SIA: Sie sind seit mehreren Jahren in unterschiedlichen Funktionen und Pensen bei Lignum tätig – SIA-Geschäftsführer Christoph Starck war bis Ende 2019 Direktor von Lignum. Zufall?

Olin Bartlome: Ja. Ich arbeitete von 2009 bis 2014 bei Lignum als Projektleiter «Schallschutz». Dann arbeitete ich für ein TU. Danach konzentrierte ich mich auf mein eigenes Ingenieurbüro und nahm damit an einer Ausschreibung für das «Innovationsmanagement» des Swiss Wood Innovation Network (S-WIN) teil. Als wir den Auftrag erhielten, schlug Christoph Starck, der im Vorstand von S-WIN war, mir vor, das Mandat mit Lignum zu verknüpfen. Da ich die Zusammenarbeit mit Christoph Starck immer sehr geschätzt hatte, landete ich wieder bei Lignum, aber diesmal arbeitete ich Teilzeit für das S-WIN-Mandat. Anschliessend kam noch die eine oder andere zusätzliche Aufgabe für Lignum hinzu, sodass ich seit 2017 einen Tag pro Woche Lignum-Projekte leite. Beim SIA war ich viel früher engagiert als Christoph Starck – beispielsweise im Rahmen des Anschlusses des Berufsverbandes «Swiss Timber Engineers» als SIA-Fachverein. Dass er nun SIA-Geschäftsführer ist, hat mich insofern dazu bewogen, mich als BGI-Präsident zu bewerben, dass ich immer – wie erwähnt – sehr gerne mit ihm zusammengearbeitet habe und weiss, dass unsere Zusammenarbeit fruchtbar ist.


SIA: Wofür werden Sie sich als BGI-Präsident einsetzen?

Olin Bartlome: Für mich ist, obwohl es ein bisschen trivial klingt, die Einfachheit der Schlüssel. Wir müssen die Themen definieren, bei denen wir im Rat einen «Hebel» haben. Oder anders gesagt: Wir müssen unsere knappen personellen Ressourcen fokussiert einsetzen, damit wir die BGI voranbringen und die Interessen der Bauingenieurinnen und -ingenieure optimal vertreten können. Meine Kolleginnen und Kollegen im Rat machen ja ihre Arbeit ohne Vergütung – schon jetzt ein herzliches Dankeschön dafür. Ein weiterer Punkt ist die Kommunikation. Ich will sie vorantreiben, damit uns die SIA-Mitglieder spüren – ich glaube, das ist im Moment weniger der Fall. Ich möchte junge Berufsleute motivieren, SIA-Mitglied zu werden und damit auch Teil der BGI. Community-Building ist ein wichtiges Thema: Wenn mir die Gelegenheit geboten wird, mich zu äussern, werde ich das tun und die Meinungen des BGI-Rats möglichst oft nach aussen tragen. Ich freue mich schon jetzt auf viele interessante Begegnungen. Gleichzeitig kann ich so auch Herausforderungen abholen, die wir im Rat besprechen sollten. Wichtig ist im Weiteren die Zusammenarbeit mit der BGA, BGT und BGU. Wir haben gemeinsame Themen und sollten deshalb gemeinsame Arbeitsgruppen gründen. Ein weiteres omnipräsentes Thema ist die Kreislaufwirtschaft: Hier geht es mir vor allem darum, dass wir das CO2 – oder genauer gesagt, das «C» – in den Kreislauf integrieren. Das bedeutet, dass man den Rückbau sämtlicher Bauten künftig miteinplant. Denn schliesslich ist die Dekarbonisierung der Gesellschaft das übergeordnete Ziel.


SIA: Was sind die grössten Herausforderungen für die BGI in den nächsten Jahren?

Olin Bartlome: Das ist vermutlich eine ähnliche wie bei den meisten Vereinen. Früher war man in einem Verein wegen einem gewissen Zugehörigkeitsgefühl. Heute haben viele einen Instagram-Account oder ähnliches. Der Austausch findet auf einer ganz anderen Ebene statt und ist viel schneller, als dies ein Verein bieten kann. Darum glaube ich, dass wir in der Kommunikation deutlich zulegen müssen. Die Leute müssen spüren, dass sie mit ihren Bedürfnissen von der BGI abgeholt werden. Sie müssen merken, dass es wichtig ist, dass es einen SIA und eine BGI gibt und dass sie ihre Sorgen an uns herantragen können. Wir müssen also einen Mehrwert gegenüber anderen Communities schaffen, die rein digital aufgebaut sind.


SIA: Das wäre dann die soziale Ebene. Welche fachlichen Themen werden die BGI beschäftigen?

Olin Bartlome: Das sind wie erwähnt die – zum Teil gesetzlich verlangte – Dekarbonisierung der Gesellschaft und die Digitalisierung – und damit unter anderem neue Wege in der Materialanwendung zu gehen. Mit dem Ziel, wichtige CO2-Bindungen zu halten respektive den CO2-Ausstoss zu reduzieren. Umwelttechnische und gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und Bevölkerungswachstum verlangen eine nachhaltige und kreislauforientierte Wirtschaftsform sowie die nachhaltige Nutzung erneuerbarer Ressourcen. Das Bauwesen spielt dabei eine essenzielle Rolle und wir Ingenieurinnen und Ingenieure haben hier auch Dank der immer leistungsfähigeren Digitalisierung einen Hebel, um Dinge weiter zu optimieren, gegebenenfalls sogar zu revolutionieren. Gute Beispiele aus dem Hochbau sind die feingliedrige Betondecke im DFAB House oder das Material-optimierte Freiform-Holztragwerk für Cambridges neue Moschee. Ich freue mich diesbezüglich auf den Austausch mit unseren Kolleginnen und Kollegen der anderen Berufsgruppen.

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