Bun­des­ge­setz über das öf­fent­liche Bes­chaf­fung­swe­sen und SIA-Ord­nung­swerk

Was hat das revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) mit dem SIA-Ordnungswerk gemein? Mehr als ersichtlich ist. Die SIA-Ordnungen sind die Grundlagen, um die BöB-Ziele der Nachhaltigkeit und einer qualitätsvollen Baukultur zu erreichen.

Date de publication
09-06-2020
Michel Kaeppeli
Co-Leiter Geschäfts­bereich Normen, Leiter Fachbereich Ordnungen

Die Beschaffung von Dienstleistungen von Architekten und Ingenieurinnen lässt sich nicht nur auf die Vergabe des Auftrags reduzieren. Daher hat der Gesetz­geber mit der Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) eine Qualitätsoffensive gestartet. Ab 1. Januar 2021 erhält nicht mehr das günstigste, sondern das vorteilhafteste Angebot den Zuschlag. Bereits heute stellt der SIA bewährte Instrumente zur Verfügung, die eine qualitätsvolle und nachhaltige Beschaffung solcher Leistungen ermöglichen.

Die Arbeit der Architektinnen und Ingenieure hat direkten Einfluss auf die Qualität eines Bauwerks. Entscheide während der Planung wirken sich auf den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks aus. Weil zudem Bauten meist mehrere Jahrzehnte bestehen, verdient der Auswahlprozess einer Planerin oder eines Planers besondere Aufmerksamkeit. Gerade deshalb kommt das Angebot zum Zug, das sich durch seine Qualität auszeichnet.

Qualität über den ganzen Lebenszyklus

Planende beeinflussen den Lebenszyklus eines Bauwerks massgeblich: von den ersten strategischen Überlegungen über die Projektierung und Realisierung bis zur Bewirtschaftung und Erhaltung. Eine Phase folgt der nächsten, bis der Zyklus wieder von vorn beginnt. Die einzelnen SIA-Ordnungen decken jeweils eines oder mehrere Segmente ab. So wird von Beginn weg die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus unterstützt.

Klassischerweise wird der Ablauf von der Idee bis zur Überga­be des Bauwerks und der fol­genden Bewirtschaftung in Phasen gegliedert. Wer bereits Projekte realisiert hat, weiss, dass diese mal kürzer, mal länger dauern als vorgesehen. Nicht selten kommt es zu Überschnei­dungen. Die eine Phase ist noch nicht abgeschlossen, während die nächste bereits gestartet werden muss. Dennoch hilft die Gliederung in verschie­dene Phasen, den Prozess zu strukturieren.

Das Ordnungswerk des SIA deckt den ganzen Zyklus ab. Die Ordnungen für Leistungen und Honorare beschreiben den Planungs- und ­Bauprozess von der ersten Idee bis zur Übergabe von Gebäuden und ­Anlagen und ihrer anschliessenden Bewirtschaftung. Zur Regulierung der Beschaffungsformen Wettbewerbe, Studienaufträge und Leistungsofferten gibt es je eigene Re­gelwerke. Für Regeln betreffend Abschluss, Inhalt und Abwicklung von Verträgen über Bauarbeiten kommt die bewährte Norm SIA 118 zum Einsatz.

Gemeinsames Ziel: Nachhaltigkeit

Die Beschaffung endet nicht mit der Auswahl des Planerteams. Sie hat Auswirkungen auf alle folgenden Etappen. Darum sind die übergeordneten Ziele der Beschaffung von zent­raler Bedeutung. Erfreulicherweise verfolgen die öffentliche Hand und der SIA dieselben Ziele: Nachhaltigkeit in all ihren Facetten und eine Baukultur von hoher Qualität. Das ist umso wichtiger, als Bauherren und Planende bei der erfolgreichen Bearbeitung von Projekten am gleichen Strick ziehen müssen.

Schon bei ­der Ausarbeitung der vertrag­lichen Regelwerke findet deshalb ein regelmässiger Austausch statt: Planervertreterinnen können sich bezüglich der Umsetzung des BöB einbringen, Bauherren­vertreter ihrerseits sind in die Erarbeitung der SIA-Ordnungen eingebunden.

Bereits seit Längerem ist die Erkenntnis gereift, dass bei der Beschaffung von Planerleistungen nicht nur der Preis zählt, wenn das Ziel der nachhaltige Einsatz der Mittel ist. Das Credo der Qualität setzte sich auf internationaler Ebene schon bei der Überarbeitung des «Agreement on Government Procurement» der WTO durch. Auf die Anpassung der europäischen Direktive zum Beschaffungswesen1 im Jahr 2014 folgte nun die Revision des schweizerischen Bundesge­setzes. Damit wurde der Ruf der Beschaffungsstellen nach griffigen Massnahmen erhört – sie können nun auf Qualität setzen, ohne Rekurse fürchten zu müssen.

Das revidierte Beschaffungs­gesetz stellt einen Paradigmenwechsel dar. «Die Vorgabe der Wirtschaftlichkeit blieb bisher unbestimmt, da sie als offenes Prinzip nicht abschliessend klärt, ob das Vergaberecht dem Preis- oder dem Qualitätswettbewerb verpflichtet sein soll», erklärte Bundesverwaltungsrichter Marc Steiner in einem Interview. Neu schreibt der Gesetzgeber explizit als Zweck des Gesetzes den nachhaltigen Einsatz der Mittel fest. Das verändert die Ausgangslage, denn Nachhaltigkeit ist ein Teil der Qualität. Dadurch kommt neu die Logik des Qualitäts- und nicht mehr des Preiswettbewerbs zum Tragen.

Die aktualisierte Handhabung des Beschaffungswesens seitens der öffentlichen Auftraggeber deckt sich mit den strategischen Zielen des SIA. «Unser Einsatz gilt dem zukunftsfähigen und nachhaltig gestalteten Lebensraum von hoher Qualität», hält der SIA in seiner Vision fest. Alle Ordnungen des SIA sind auf diese Ziele ausgerichtet, und seine Mitglieder sind zu einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Berufsausübung angehalten.

Der Kreis schliesst sich – packen wir die Chance!

Die heutigen Ordnungen des SIA enthalten den über Generationen gesammelten Erfahrungsschatz der Planer- und Bauherrenseite. Ab dem 1. August 2020 wird auch das bisher nicht behandelte Segment ganz zu Beginn des Planungs- und Realisierungsprozesses reguliert. Die in der neuen SIA 101 Ordnung für Bauherrenleistungen eingeführte Phase 0 behandelt die «Initialisierung» des Projekts auf Bauherrenseite. Mit dieser Neupublikation schliesst sich der Beschaffungskreis.

Das Inkrafttreten des revidierten Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen ist für den SIA und seine Mitglieder ein erfreuliches Ereignis. Ab dem 1. Januar 2021 gelten für die öffentliche Hand und die Planergemeinschaft dieselben Ziele der Qualität. Damit erfolgt eine deutliche Stärkung der Nachhaltigkeit, der Lebenszyklusbetrachtung und der Baukultur. Packen wir die Chance, denn Qualität zahlt sich aus – immer.

Anmerkung

1 Directive 2014/24/EU of the European Parliament and of the Council of 26 February 2014 on public procurement and repealing Directive 2004/18/EC (Text with EEA relevance).

SIA 144: ­Vernehmlassung

Die Ordnung für Ingenieur- und Architekturleistungsofferten rückt mit dem Inkrafttreten des revidierten Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Ordnung leistet einen wichtigen Beitrag zur Bestimmung des vorteilhaftesten Angebots. Sie stellt sicher, dass Qualität zählt.
Weitere Informationen ab 30. Juni 2020 auf www.sia.ch/vernehmlassungen

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