«Am An­fang geht es um Ba­sis­wis­sen»

Stefan Cadosch, Mitinhaber eines Architekturbüros in Zürich und SIA-Präsident, berichtet über den Berufsalltag im Zeichen von Covid-19 – und seine Erwartungen an den SIA.

Date de publication
29-03-2020

Espazium: Herr Cadosch, wie arbeiten Sie zurzeit?

Stefan Cadosch: Acht der neun Personen, die bei Cadosch & Zimmermann arbeiten, tun dies aktuell meist im Homeoffice, eine hält die Stellung im Büro. Je nachdem, was ansteht, sind auch drei bis vier Personen anwesend, etwa für Telefonkonferenzen mit Externen oder zum Plotten. Weil die meisten mit dem Velo kommen, gibt es keine Pendelwege mit dem öffentlichen Verkehr. Wir haben unseren Jour fixe am Montag beibehalten: Vier Personen sitzen im Raum, und auf einer Konsole liegen fünf Handys, über die wir die anderen via Whatsapp dazuschalten. Für grössere Gruppen benutzen wir die Apps Zoom oder Team Viewer – solange das Netz mitmacht. Homeoffice ist gewöhnungsbedürftig, funktioniert aber gut.


Im klassischen architektonischen Entwurf sind physische Arbeitswerkzeuge zentral, etwa Skizzen und Modelle. Kann man sie durch digitale Werkzeuge ersetzen?

Es geht, aber nicht optimal. Wir stellen zum Beispiel fest, dass Bauherrensitzungen mit digitalen Kommunikationstools weniger effizient sind als solche, bei denen wir tatsächlich um einen Tisch sitzen. Natürlich haben wir BIM-Modelle, die auf allen Bildschirmen erscheinen, aber schauen wirklich alle auf das gleiche Detail? In der Diskussion geht ein Teil der Mimik, der Gestik verloren. Um Missverständnisse zu vermeiden, muss man mehr nachfragen.


Hat dieses forcierte Arbeiten mit digitalen Werkzeugen auch Vorteile?

Eine Chance für die Zukunft ist, dass wir neue Arbeits- und Kommunikationsmethoden kennenlernen – früher und intensiver, als das ohne Pandemie der Fall gewesen wäre. Wir machen die Erfahrung, dass die physische Anwesenheit bei vielen Prozessen nicht nötig ist; und wir lernen, dass sie für andere unabdingbar ist. So können wir in Zukunft zielgerichteter arbeiten.


Wie ist die Stimmung im Team?

Sehr gut und gelassen, auch wenn die Effizienz etwas leidet. Wir arbeiten alle unter erschwerten Bedingungen, ganz besonders diejenigen von uns, die Kinder zu betreuen haben. Trotzdem ist es eine positive Erfahrung festzustellen, dass es auch so gut funktioniert und das Team zusammenhält. Aktuell haben wir die Nachricht erhalten, dass eine Person aus unserem Büro an Covid-19 erkrankt ist. Sie war vor drei Wochen zuletzt am Arbeitsplatz – nun klären wir ab, was das für das Team bedeutet.

Welche wirtschaftlichen Folgen hat die Krise für Ihr Büro?

Bevor der Bundesrat sein Konjunkturpaket und die wirtschaftliche Unterstützung der KMU in Aussicht gestellt hat, waren wir verunsichert. Vieles war uns unklar, zum Beispiel, ob ein Architekturbüro überhaupt Kurzarbeit einführen darf.

Mittlerweile wissen wir, dass das erlaubt ist, wir aber vorerst – und hoffentlich noch lang – nicht darauf angewiesen sind. Ob wir unseren Optimismus aufrechterhalten können, wenn die Krise andauert, wissen wir natürlich nicht. Unsere Bauherren haben bis jetzt entspannt reagiert, nur zwei überlegen, ihr Projekt zurückzustellen; die finanziellen Einbussen sind also tragbar.

Wir sind in der glücklichen Lage, dass unser Arbeitsvorrat für die nächsten Monate gesichert ist. Wir akquirieren weiter und sind zuversichtlich. Allerdings nehmen wir nur an etwa zwei Wettbewerben pro Jahr Teil. Für Büros hingegen, die ihre Aufträge hauptsächlich über Wettbewerbe akquirieren, ist die Lage dramatisch. Deshalb ist es extrem wichtig, dass die Auslober die laufenden Verfahren nicht stoppen, sondern auf unbestimmt laufen lassen.


Sie haben zwei Baustellen – wie klappt es dort?

Bei den Baustellen gibt es einen klassischen Röstigraben: In der West- und Südschweiz wollen sie alle schliessen, auch die Verbände. In der Deutschschweiz sind sie noch offen. Das ist auch machbar, aber natürlich geht es viel langsamer voran, weil die Leute separiert werden müssen, zum Beispiel dürfen nicht mehrere Handwerker im gleichen kleinen Innenraum arbeiten. Die Bauleitung ist stark gefordert: Viele junge Leute auf der Baustelle nehmen die Gefahr nicht ernst. Es gibt Kontrollen der Unia, ob die Sicherheit gewährleistet ist.


Als SIA-Präsident sind Sie mit vielen Erwartungen von Planerinnen und Planern konfrontiert. Welche Erwartungen haben Sie selbst, als Inhaber eines Architekturbüros, an den SIA?

Ich glaube, in einer solchen Krise reagieren alle ähnlich, ob Baufachleute oder meinetwegen Zahnärzte: Man will wissen, was die Situation für die eigene Berufsgattung konkret bedeutet. Ich als Architekt erwarte vom SIA, dass er die Angaben der Bundesämter konkretisiert, bezogen auf meinen Beruf und die spezifischen Randbedingungen meiner Branche.

Vor allem am Anfang geht es um Basiswissen, um einfache arbeitsrechtliche und technische Fragen, damit man den Alltag bewältigen kann. Welche IT-Infrastruktur brauche ich, um mehrere Personen im Homeoffice zu organisieren? Was ist zu tun, wenn ein Teil der Belegschaft nur reduziert arbeiten kann? Welche Rechte und Pflichten haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Ich schätze, die meisten der 16.000 SIA-Mitglieder kämpfen mit ähnlichen Unsicherheiten. Hier braucht es eine gute juristische Beratung, Factsheets und FAQ mit praktikablen Lösungen, wie sie der SIA nun auch anbietet (vgl. «SIA: Informationen zur Corona-Situation»).


Welche Unterstützung erwarten Sie von der öffentlichen Hand?

Ganz zentral ist, dass die Baubehörden als entscheidende Stationen der Wertschöpfungskette erreichbar bleiben. In Städten funktioniert das zumeist gut; Probleme gibt es aber in kleinen Gemeinden, wo die Baubehörde oft aus nur einer Person besteht, die im Homeoffice arbeitet und dort keinen Zugriff auf die wichtigen Daten hat. Wir haben zwei laufende Baubewilligungsverfahren kurz vor dem Shutdown. Und wie gesagt: Die öffentliche Hand soll anderen Auslobern mit gutem Vorbild vorangehen und laufende Wettbewerbsverfahren nicht stoppen, sondern weiterlaufen lassen, bis neue Termine festgelegt werden können.

Zur Person

Stefan Cadosch, dipl. Arch. ETH SIA, ist Geschäftsführer und Mitinhaber des Büros Cadosch & Zimmermann Architektur, Zürich.

Zum Büro Cadosch & Zimmermann Architektur

  • Partner: Vito Pantalena, Stefan Creus
  • Anzahl Mitarbeitende: 9
  • Anzahl laufender Baustellen: 2
  • Projektauswahl: Sanierung MFH Hüttenackerstrasse in Küsnacht ZH, 2019–2020; Messeauftritt Eternit/Swisspor/Promat an der Swissbau 2020, 2018–2020; Renovation und Umstrukturierung bauhistorisches Juwel: Rigi-Bahn Talstation in Goldau, 2015–2018

Baukultur in Zeiten von Covid-19

Die Krise, die wir derzeit erleben, trifft alle Planerinnen und Planer. Wie bewältigen sie die wirtschaftlichen und juristischen Schwierigkeiten, die die Pandemie mit sich bringt? Was sind die Auswirkungen auf die Schweizer Baukultur? Antworten von Baufachleuten, Links und Informationen versammeln wir im E-Dossier «Covid-19» – als Austauschplattform und als Hilfe in unsicheren Zeiten.

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