Lithium: das Psychopharmakon für die Mobilität
Ordnungszahl 3
Teil 5 der Serie «Chemie des Bauens» wendet sich der festen Materie zu. Das Leichtmetall Lithium ist der grosse Hoffnungsträger für einen klimafreundlichen Individualverkehr.
Lithium ist das erste Element im Periodensystem, das bei Raumtemperatur in fester Form anzutreffen ist. Die Farbe ist silbrig-weiss, weshalb eine Ziegelei ihren hellen Klinkerstein auf den Name «Lithium» taufen liess. Selbst ist das Element aber kein Mineral, sondern ein Erz: Lithium eröffnet die chemische Serie der Leichtmetalle, deren physikalische Eigenschaften für die Industrie 4.0 mittlerweile unverzichtbar sind: eine hohe elektrische Leitfähigkeit und eine überdurchschnittliche Wärmekapazität.
Das weiss inzwischen auch der amerikanische Elektroautopionier Elon Musk, der damit wiederaufladbare Batterien fabrizieren will. Ihn sollte aber interessieren, welche anderen Branchen das weltweite Vorkommen heute schon nutzen. Vor 200 Jahren wurde das Element entdeckt; seit rund einem halben Jahrhundert ist die Pharmaindustrie hinter dem Rohstoff her. Das Lithiumsalz ist ein medizinischer Wirkstoff, der in Psychopharmaka gegen Depressionen verabreicht wird.
Auch der Individualverkehr soll nun mithilfe des Metalls gesunden. Lithiumbatterien haben ein optimales Verhältnis zwischen Energiedichte und Gewicht. Bei einem E-Auto sind derart leichte Akkus für zufriedenstellende Reichweiten ein Muss. Seit 20 Jahren am Markt, ermöglicht diese Speichertechnologie zudem mehr Ladezyklen als die bekannten Blei- oder Cadmium-Varianten.
Im Westen der USA, am Fuss der Sierra Nevada, wartet die dereinst grösste Fabrik der Welt darauf, das Lithium industriell und unternehmerisch zu nutzen. Die Tesla-Gigafactory will daraus Unmengen an Batterien für Autos und Solarhäuser ausspucken. Das Fabrikgelände ist über 2 km2 gross, aber erst zu einem Viertel überbaut.
Und wenn das Zukunftsmärchen wahr wird? Im Vollbetrieb würde Musks Fabrik 50000 t Lithium jährlich benötigen. So viel «weisses Gold» hat die Industrie 2016 weltweit konsumiert. Nicht nur das deutsche Fraunhofer-Institut befürchtet deswegen, die Hoffnung auf eine klimafreundliche Elektromobilität könnte an der endlichen Ressource scheitern: «Bis 2040 ist mit einer Lithium-Verknappung zu rechnen, wenn die Nachfrage wie gedacht zunimmt.»
Beim Vergleich Bleiakku gegen Lithiumbatterie gewinnt der Hoffnungsträger allerdings nicht immer. Während Erstere zu über 95 % wiederverwertet werden, ist das Lithium-Recycling bislang noch ein Versprechen. Praxistaugliche Verfahren sind selbst für die Forschung harte Nüsse: Lithium ist giftig und leicht entflammbar. Ein gefahrloses Separieren ist deshalb wesentlich teurer als das Schürfen nach primären Rohstoffen. Laut Branchenkennern landen heute über 90 % der ausrangierten Lithiumbatterien von Handys, Laptops und Autos im Müll, unter anderem auf Abfallhalden in Asien oder Afrika.
2019 ist das internationale Jahr des Periodensystems. Die Kolumne «Die Chemie des Bauens» geht wöchentlich den natürlichen Elementen und ihren Eigenschaften auf die Spur und sucht die gebaute Umwelt mitsamt Umgebung nach ihren atomaren Zutaten ab.
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