Ein Was­sers­chloss mit «Tro­cken­re­gio­nen»

Wie setzt der Klimawandel dem Wasserreichtum in der Schweiz zu? Zwar sprudeln Grundwasser und Quellen auch in Trockenzeiten munter weiter. Dennoch sind saisonale und regionale Engpässe zu erwarten. Die Infrastruktur und die Bewirtschaftung der öffentlichen Trinkwasserversorgung müssen zwingend verbessert werden.

Date de publication
29-04-2019

Die Erinnerung an die letztjährige Hitzewelle treibt den Schweiss noch heute auf die Stirn: Das Thermometer kletterte wiederholt über 35  °C und sank in einigen Städten wochenlang selbst in der Nacht nicht unter 20  °C. Der nationale Wetterdienst registrierte 2018 den wärmsten je ge­messenen Sommer und den höchsten Jahresmittelwert. Das unmittelbare Empfinden, wie heiss es werden kann, stimmt mit den Messungen der Klimaforscher also überein. Nicht so einfach nachvollziehbar ist hingegen, wie sich der Treibhauseffekt auf den Niederschlag auswirkt.

Von Januar bis Dezember 2018 schlug das Pendel heftig nach oben und ebenso stark nach unten aus. Im Winter fiel Schnee in noch nie gemessener Menge auf die ­Walliser und Bündner Berge. Auch im Mittelland war es in der kalten Jahreszeit ausgesprochen nass. Viele Grundwasservorkommen waren reichlich gefüllt, als zur ­Hitzewelle eine monatelange Trockenheit dazu kam. In vielen Regionen sank der Grundwasserspiegel trotzdem auf ungewohnt tiefes Niveau. Am stärksten betroffen war die Ostschweiz: Hier sank die Niederschlagsmenge gegenüber einem Normaljahr um 40 %.

Die Schweiz ist das Wasserschloss Europas; der Regen sowie die Schnee- und Gletscherschmelze verteilen sich via Inn, Ticino, Rhone, Doubs und Rhein über den ganzen Kontinent. Der Abfluss ist derart üppig, dass auch die inländische Wasserversorgung ausreichend profitiert. Die zahlreichen Quellen, Grundwasserströme und Seen werden auch angesichts des Klimawandels kaum versiegen. Dennoch dürfte der Wassernutzungskreislauf ins Stocken geraten, weil Angebot und Nachfrage räumlich und zeitlich auseinanderdriften.

Reserven und Gewissheiten schwinden

Das Dargebot gleicht einem komfortablen Überfluss: Nur etwa 10 % des Grundwassers wird effektiv genutzt. Und die meisten Trinkwasserpumpen können bei Bedarf das Doppelte liefern. Allerdings sind diese Gewissheiten seit 2003, ebenso wie die tatsächlichen Reserven, zumindest temporär am Schwinden. Inzwischen bleibt der Regen jedes vierte Jahr in irgendeiner Region wochen- bis monatelang aus. An öffentliche Aufrufe zum sparsamen Umgang mit Wasser hat man sich bereits gewöhnt. Und dass die Trinkwasserversorgung einiger Gemeinden vorübergehend per Tankwagen sichergestellt wird, ist auch nicht mehr ungewöhnlich.

Hydrologen erwarten tatsächlich einen Rückgang der Reserven, unter anderem weil die Gletscher schrumpfen. Quellen im gebirgigen Karst und Grundwasser, das im Schotterbett unter den Tälern hindurchfliesst, werden in den folgenden Jahrzehnten bis zu 20 % Ergiebigkeit verlieren. Kommen längere Trockenzeiten hinzu, kann dies etlichen Regionen in den Voralpen oder im Jura prekäre Versorgungslagen bescheren.

Dennoch wissen viele Gemeinden nicht, woher sie das Wasser beziehen sollen, wenn nicht aus den bislang sprudelnden Quellen. Die Bergkantone decken sich zu 80 % damit ein; ansonsten wird Trinkwasser mehrheitlich aus dem Grundwasser hochgepumpt. Als dritte Versorgungsvariante steht Seewasser zur Verfügung. Jeder fünfte Liter Trinkwasser wird in der Schweiz daraus aufbereitet. Die Bezugsquellen und das hydrologische Einzugsgebiet bestimmen deshalb, auf welche Dargebotsschwankungen man sich lokal und regional gefasst machen muss.

Nicht überall sind das Knappheitsrisiko und die gefährdeten Orte bekannt. Immer noch scheinen manche unvorbereitet auf die nächste Trockenphase zu warten. Weil die Trink- und Brauchwasserversorgung eine kommunale Aufgabe ist, fehlt eine generelle Übersicht. Der Wissensstand der Verantwortlichen, die in Gemeinden, Genossenschaften oder Korporationen arbeiten, ist höchst unterschiedlich. Auch darum fühlte sich der Bund berufen, auf abschätzbare Veränderungen in regionalen Wasserkreisläufen aufmerksam zu machen. Und siehe da: Einige Kantone haben potenzielle ­«Trockenregionen» entdeckt.

Die ausführliche Version dieses Artikels finden Sie in TEC21 16-17/2019 «Trinkwasser: Der Kreislauf stockt».

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