Was­sers­toff, ein Gas für die Science-Fic­tion

Ordnungszahl 1

Die Sonne ist keine erneuerbare Energiequelle. In spätestens zehn Milliarden Jahren erlischt der Himmelskörper, weil bis dann jeglicher Wasserstoff verbrannt sein wird. Teil 3 der Serie «Chemie des Bauens».

Date de publication
16-04-2019

Feuer und Wasser sind sich spinnefeind. Was den Brandschutz freut, lässt den Wasserstoff allerdings ziemlich kalt. Das kleinste aller chemischen Elemente überwindet die beiderseitige Aversion und macht daraus eine friedliche Situation: In Verbindung mit Sauerstoff verwandelt Wasserstoff die Energie des Feuers in harmlosen Wasserdampf. Die moderne Energieforschung setzt grosse Hoffnungen darauf, als unerschöpfliche und umweltverträgliche Alternative zu den fossilen Treib- und Brennstoffen? 

Tatsächlich lassen sich damit sowohl der Gebäudesektor als auch Fahrzeuge klimaschonend befeuern. Vor wenigen Jahren kurvten Postautos durchs Mittelland, angetrieben von einer Brennstoffzelle: Unter Freisetzung von sehr viel Kraft verbindet sie den getankten Wasserstoff (H) mit Sauerstoff (O), sodass sich nichts anderes als Wasserdampf aus dem Auspuff verflüchtigen kann. In Hunzenschwil AG steht im Übrigen die einzige Wasserstofftankstelle der Schweiz. 

Auch das nachhaltige Bauen setzt neuerdings auf Wasserstoff: Immer mehr Hauseigentümer bunkern solchen im Garten, weil er aus Überschüssen von selbst produziertem Solarstrom erzeugt werden kann. Der chemische Prozess heisst Elektrolyse: Wasserstoff wird mithilfe von sehr viel (Solar)-Energie aus dem Wassermolekül (H2O) abgespaltet. Das Nebenprodukt Sauerstoff ist weder fürs Klima noch für den Menschen ein Problem. Und der gespeicherte Wasserstoff treibt seinerseits eine Brennstoffzelle an, die auch zum Beheizen von Häusern verwendet werden kann.

In frühindustrieller Zeit lernte man den Wasserstoff als «brennbare Luft» kennen, die um die Steinkohle herumschwirrte und unverhofft zu einer Explosion führen konnte. Später entdeckten Astrophysiker, dass genau dieser hochreaktive Stoff die Wärme ins Universum bringt: Die glühende Sonne besteht zu drei Vierteln aus Wasserstoff, der sich in Helium umwandelt. Und auch auf der Erde ist es das häufigste Element, das sich auf die Luft und das Wasser verteilt, aber ebenso zur Stabilisierung von organischer Materie beiträgt.

Jules Verne liess sich jedoch vom kraftstrotzenden Potenzial inspirieren: Er prophezeite im Roman «Die geheimnisvolle Insel», dass Wasserstoff die wichtigste Energiequelle für die Zivilisation werden wird. Nun soll die Science-Fiction aus dem 19. Jahrhundert wahr werden und das fossile Zeitalter endlich ablösen. Doch ist das Risiko im Umgang mit Wasserstoff wirklich gebannt? Er trägt nämlich mehrfache Mitschuld an tragischen Katastrophen: Als leicht brennbares Auf- respektive Antriebsmittel eingesetzt, brachte er einen deutschen Zeppelin ebenso wie einen amerikanischen Spaceshuttle zum Explodieren.

Und bevor der Durchbruch gelingt, dass die chemische Energie von Wasserstoff in eine gefahrlose elektrische Kraft umgewandelt werden kann, ist noch dieses Herkunftsproblem zu lösen: Der grösste Teil des heute verbrauchten Wasserstoffs wird aus Erdgas erzeugt.

2019 ist das internationale Jahr des Periodensystems. Die Kolumne «Die Chemie des Bauens» geht wöchentlich den natürlichen Elementen und ihren Eigenschaften auf die Spur und sucht die gebaute Umwelt mitsamt Umgebung nach ihren atomaren Zutaten ab.


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