Wärme oder Strom?

Klimabewusste Häuslebauer haben die Wahl, die Sonne als Energiequelle entweder zum Heizen oder zur Wassererwärmung zu verwenden. Aber was ist energetisch, ökologisch und wirtschaftlich vorteilhafter – die Solarthermie oder die Photovoltaik?

Dämmert es schon, oder sind nur vor­über­gehend Wolken aufgezogen? Auf jeden Fall scheint die Sonnenenergie derzeit an Strahlkraft verloren zu haben. Die Nachfrage hat sich seit Mitte des Jahrzehnts verdunkelt: 2016 wurden nurmehr halb so viele Sonnenkollektoren installiert wie drei Jahre zuvor. «Die Zeit für die Solarthermie läuft ab», bestätigte der deutsche Energieforscher Norbert Fisch den Rückgang letztes Jahr in einem Vortrag an der Hochschule Luzern. Doch womöglich kam dieser Abgesang zu früh – 2017 ist der Verkauf von thermischen Solaranlagen gegenüber dem Vorjahr endlich wieder um 10 % gestiegen.

Das Revival am inländischen Solarmarkt genügt aber kaum, um den Gebäudebereich emissionsarm zu betreiben. Erst jedes zehnte neue Haus setzt hierzulande auf Sonnenenergie, um damit Brauchwasser zu erwärmen. Der Marktanteil stagniert seit Jahren, die bisher erreichte Gesamtbilanz erscheint ausbaufähig. Auf einer Kollektorenfläche von 1.5 km2 werden derzeit 700 000 MWh Solarwärme hergestellt. Die Haushalte der Stadt St. Gallen wären damit thermisch versorgt.

Hellere Perspektiven hingegen verspricht die Photovoltaik (PV): Der Schweizer Gebäudepark erzeugt inzwischen 1.7 Mio. MWh Solarstrom, was dem Bedarf von Uri, Schwyz und Unterwalden entspricht. Doch auch dieser Ausbaupfad führt auf und ab: 2012 begann der Boom mit Wachstumsraten bis zu 100 %; zuletzt sanken sie um über 10 %. Aber weil im PV-Segment auch die Preise sinken, kann der Branchenverband Swissolar für 2018 dennoch ein Absatzplus von 30 % verkünden.

Pionieranlagen sind bereits 25 Jahre alt

Die Nutzung der Sonnenenergie ist heftigen Markt­turbulenzen unterworfen. Ungewiss ist, ob dies potenzielle Interessenten abschreckt und den Ausbau weiter verzögert. Ohnehin sehen sich Häuslebauer mit schwierigen Grundsatzfragen konfrontiert: Wählt man die Sonne als direkten Lieferanten für Wärme, wie es die Solarthermie verspricht? Oder erhält eine PV-­Anlage den Vorzug, wenn man die Wärmeversorgung lokal organisieren will? Letzteres benötigt zwar eine Wärmepumpe, die mit selbst produziertem Solarstrom angetrieben wird. Doch die Nachfrage ist dafür heute schon vorhanden: In zwei von drei neuen Gebäuden werden Wärmepumpen eingebaut.1

Obwohl beide Technologien, die Solarthermie und die Photovoltaik, noch jung sind, können sie die hohen Anfangserwartungen erfüllen. Zum Beispiel an die Dauerhaftigkeit: Selbst 25 Jahre alte Pionieranlagen liefern bis heute Energie in Form von Wärme respektive Strom. Und ebenso unbestritten ist: Bei der Effizienz hat die Solarthermie gegenüber der Photovoltaik eindeutig die Nase vorn. Das Sonnenlicht, das auf einen Quadratmeter fällt, liefert deutlich mehr Wärme als elektrische Energie. Thermische Kollektoren wandeln 75 bis 90 % des Sonnenscheins in nutzbare Wärme um. Der Wirkungsgrad von Silizium-Solarzellen erreicht dagegen nur 17 bis 23 %. Aber weil eine Wärmepumpe wesentlich effektiver funktioniert, steigt sich der Wert für ein PV-Heizsystem auf 40 bis 60 %.2 Eine ähnliche Bandbreite beim Nutzwert erreichen auch solarthermische Gesamtanlagen. Hier sind es die nachgelagerten Prozesse wie Transport und Transfer, die die äusserst effiziente Wärmeumwandlung beeinträchtigen. Wird die Solarwärme zusätzlich zum Heizen mitverwendet, reduziert sich die Wirkung weiter. Der Wert sinkt unter 30 %, weil die Überschüsse im Sommer ungenutzt verpuffen.

Gegen die solare Kopplung von Heiz- und Warmwassersystem sprechen auch technische Gründe. Energieplaner Jürg Marti hält den Aufwand zur In­stallation und für den Unterhalt aufgrund der regelmässigen Überhitzung für «unverhältnismässig hoch». Auch PV-Heizsysteme sind nicht ohne Tadel: Die Wärmepumpe muss das Brauchwasser jeweils auf über 60 °C erwärmen, was nur mit schlechtem Wirkungsgrad machbar ist. Forschungsinstitute, Hersteller und Fachplaner sind nicht umsonst daran, die Betriebseffizienz für Warmwassersysteme, die von Wärmepumpen versorgt werden, zu verbessern.

Stand des Wissens: kein Favorit

Die aktuelle Planungspraxis zeigt: Für Neu- und Umbauten ist die Sonne eine willkommene Wärmequelle. Aber aus der Art der Nutzung ergeben sich oft Hürden, die zu überwinden sind. Deshalb ist nicht nur wichtig zu wissen, ob die Erzeugung von Wärme oder Strom gewinnbringender ist. Sondern auch: Welche Produktionsvariante funktioniert ökologischer und betrieblich robuster? Mit solchen Fragen sind Energieberater und Fachämter vertraut. Auch dem Bundesrat wurde die Sonnenfrage – Solarthermie oder Photovoltaik? – schon gestellt. Seine Antwort will nichts ausschliessen3 und verweist auf den Stand des Wissens: Alle bisherigen Vergleiche aus der Schweiz, Österreich oder Deutschland ergeben kein eindeutiges Resultat.

Die technischen Kennwerte spielen darin keine Hauptrolle, und auch die Ökobilanz ist nicht das Zünglein an der Waage. Denn die Unterschiede bei der Umweltbelastung durch Solarthermie oder Photovoltaik sind alles andere als markant. Voraussetzung ist dafür allerdings, dass für beide Versorgungsvarianten nur Strom aus erneuerbaren Quellen extern bezogen wird. Der Betrieb einer Wärmepumpe kann nicht durchwegs mit Eigenstrom sichergestellt werden. Auch Solar­thermieanlagen sind ausserhalb der Heizperiode regelmässig auf Zusatzenergie von aussen angewiesen.

Was für den Systemvergleich jedoch besonders zählt, sind die Anforderungen und das Nutzungsprofil des Gebäudebetriebs sowie der Umgang mit temporären Ertragsüberschüssen. Bei PV-Anlagen landet, was zu viel produziert wird, meistens im öffentlichen Netz. Immer häufiger speichern Hauseigentümer aber den Strom lokal in einer Batterie im eigenen Keller. Energieberater Andreas Edelmann bestätigt diesen Trend: «Stromdächer werden so dimensioniert, dass man möglichst viel Strom selbst konsumieren kann.» Daher halte man sich bei der Dimensionierung zurück und gehe nicht dazu über, die Fläche zu maximieren. «Aktuelle Förder- und Preisbedingungen begünstigen Anlagen mit hohem Eigenverbrauch», so Edelmann (vgl. TEC21 45/2018 «Hausanschluss an die Stromwende»).

Ausbeute als thermischer Nachteil

Auch bei der Solarthermie ist Selbstbeschränkung angesagt. Verantwortlich dafür sind aber energetische Gründe: Die Energieausbeute hängt ausschliesslich vom lokalen Bedarf ab. Sonnenkollektoren liefern nur, was für den internen Wärmebedarf benötigt wird. Zu viel Sonne trübt deshalb die Erntebilanz: Sobald der Warmwasserspeicher ausreichend erhitzt ist, stoppt die solarthermische Produktion. Und an bewölkten Tagen bleibt diffuses Sonnenlicht oft ungenutzt, weil die Speichertemperatur höher ist als das, was ein Kollektor ernten kann. Um den Nutzungsgrad vor Ort zu erhöhen, bietet sich eine saisonale Regeneration von Erdsonden an: Überschüssige Solarwärme kann lokal in das Erdreich geleitet werden, wovon der Gebäudebetrieb zweimal profitiert. Im Sommer erzeugen die Sonnenkollektoren mehr Wärme, und im Winter arbeiten Wärmepumpen effizienter, weil die Erdsonde eine höhere Ursprungstemperatur nutzen kann.

Ein Spezialfall ist das «Sonnenhaus», das sich bis zu 100 % thermisch selbst versorgt. Ohne riesige Wärmespeicher kommen solche Gebäude freilich nicht aus. Denn für jegliche Art der Sonnenenergie­nutzung gilt: Die zeitliche Lücke zwischen Angebot und Nachfrage muss – über wenige Stunden bis mehrere Wochen – irgendwie überbrückt werden. Vor 30 Jahren realisierte der Berner Solarpionier Josef Jenni das erste Objekt in Europa, mit 82 m2 Kollektorfläche und 38 000-l-Warmwassertank. Zum Vergleich: In einem Einfamilienhaus mit Sonnenkollektoren stehen üblicherweise Speicher mit 1500 bis 2000 l Volumen. Das reicht gerade mal aus, um das Brauchwasser zu 30 bis 50 % solar zu erwärmen. Auch bei Sonnenhäusern ist das Speichervolumen inzwischen kleiner geworden; zum Ausgleich werden zusätzliche PV-Wärmepumpensysteme eingesetzt (vgl. «Ambitioniert»). Im Vergleich dazu zeigen Standardsysteme aber immer noch: Die Volumen der Wärmespeicher sind meistens zu gering dimensioniert.4

Nur fragt sich neuerdings, ob der Solarüberschuss konventionell als Wärme oder als Strom gespeichert werden soll. Was ist effizienter: ein grosser Tank oder eine kompakte Batterie? Die Vor- und Nachteile halten sich die Waage, so der Tenor unter Fachplanern. Andreas Edelmann hält den Betrieb eines «thermischen Puffers für wirtschaftlicher und leistungs­fähiger als einen Akku». Demgegenüber kommen PV-­Systeme durchaus ohne Speicherzusätze aus. Das öffentliche Netz kann interne Versorgungslücken jederzeit überbrücken. «Die Stromtarife sind meistens so günstig, dass sich die Installation grösserer Wärmespeicher kaum lohnt», sagt Solarexperte Jürg Marti. An der letztjährigen Swissolar-Tagung rechnete er vor, dass die Kosten für Solarthermie in etwa dieselben sind wie für eine «PV-Wärmepumpe» ohne Zusatzspeicher. Doch der Markt bewegt sich im PV-Segment weiter, während das Niveau der Solarthermie seit Jahren stagniert.

Nicht nur der Solarmarkt erfährt Turbulenzen, auch der staatliche Umgang mit Solarenergie lässt Kontinuität vermissen. An sich ist die öffentliche Hand am Ausbau der Solarthermie und der Photovoltaik interessiert. Denn für gut gedämmte Häuser gilt: Brauchwasser zu erwärmen kostet mindestens so viel Energie wie das Heizen. Und die Sonne ist die einzige emissionsfreie Energiequelle dafür. Wer also Sonnenkollektoren auf dem Dach installieren will, darf in fast allen Kantonen mit einem finanziellen Förderbeitrag rechnen. Trotzdem ist ein Mindestanteil für erneuerbare Energie nur ausnahmsweise zu befolgen. Zwar setzen die neuen Muster­vorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) auf die Solarwärme; eine Kombination mit fossiler Heizung oder Holzfeuerung würde mit einem vereinfachten Bewilligungsverfahren belohnt. Doch diese Regeln wenden erst vier Kantone an. Und in Bern und Solothurn sprach sich das Stimmvolk ganz dagegen aus.

Doch die Solarthermie zuerst?

Die Förderung der PV-Anlagen ist ähnlich verzettelt: Basel-Stadt, Zug oder Obwalden verlangen für Neubauten eine Mindestversorgung mit eigenerzeugtem Strom. Die Mehrheit der Kantone folgt diesem Beispiel aber noch nicht. Insofern wird es Hauseigentümern nicht leicht gemacht: Sie stehen in einem Dschungel aus uneinheitlichen Regelungen und Anreizsystemen. Sich zusätzlich mit der Frage auseinandersetzen zu müssen, welches die beste Option zur Nutzung der verfügbaren Dachflächen ist, dürfte manchen überfordern.
Wäre es da nicht ein idealer Ausweg, wenn sich beides technisch miteinander verschmelzen liesse? 

Tatsächlich bietet die Industrie ausgereifte Paneel­modelle an, die beides kombinieren: Sogenannte hybride Solarmodule erzeugen Strom und Wärme (vgl. «Aus zwei mach eins», Kasten unten). Ein weiterer Ausweg aus dem Entweder-oder-Dilemma ist es, die Solarthermie und die Photovoltaik nebeneinander zu installieren. Einzig bei beschränktem Platzangebot ist zwingend auszuwählen, ob die Solarenergie direkt oder indirekt genutzt werden soll. Energieplaner Jürg Marti empfiehlt: «Solarthermie zuerst.» Um das Brauchwasser für einen Familienhaushalt solar zu erwärmen, sei «eine Mindestfläche von 5 bis 15 m2» erforderlich. Viele Hausdächer haben jedoch genug Reserve, um daneben auch eigenen Strom herzustellen. Die Solarbranche muss darum keine Angst haben; auch nicht vor der Dämmerung, die nur den nächsten Tag ankünden will.

Anmerkungen
1 Bundesamt für Statistik, Gebäude, Energiebereich, 2018.
2 Bundesamt für Energie, Solarwärme und Photovoltaik, ein Technologievergleich, 2014.
3 Bericht des Bundesrats in Erfüllung parlamentarischer Vorstösse, 2015.
4 Forschungsstelle für Energiewirtschaft, Solare Wärmeerzeugung durch Solarthermie und Photovoltaik, AlpStore, 2014.
 

Aus zwei mach eins


Aus der Verschmelzung von Solarthermie und Photovoltaik entstehen photovoltaisch-thermische Solarkollektoren (PVT). Das Stadium als Prototyp hat diese Neuerfindung bereits hinter sich; einige Fabrikate werden in der Schweiz selbst hergestellt. Dennoch fristet die PVT-Technologie hierzulande noch ein Nischendasein. Erst auf einigen hundert Dächern von Wohnhäusern und Bürobauten werden Strom und Wärme hybrid erzeugt. Das Ertragsverhältnis liegt bei 1 : 2 – das Abführen der Wärme erhöht den Wirkungsgrad der Stromproduktion.

In der Stadt Zürich und im Unterengadin werden solare Pilot- und Demonstrationsprojekte staatlich mitfinanziert1, die den Systemvergleich zwischen PV, PVT und Solarthermie erproben. Die Hybridkollektoren ergänzen meistens eine Erdwärmenutzung und dienen zur saisonalen geothermischen Regeneration. Bisherige Messresultate lassen vermuten, dass die Systeme im Alltag einwandfrei funktionieren. Angaben zu den langfristigen Effekten auf die Energieeffizienz liegen jedoch noch nicht vor.

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