«… oder bin ich öppe-n-e Bank …?»
Projektwettbewerb Bahnhofplatz 1, Altdorf
Ein multifunktionaler Neubau am Bahnhof Altdorf soll der Zündfunke für die Entwicklung des Urner Talbodens sein. Komplexe Nutzungsansprüche und Vorgaben erschweren die Aufgabe. Der Vorschlag der ARGE Buchner Bründler Planer / Proplaning passt sich unaufdringlich in das enge Korsett ein.
Der Kanton Uri ist Standort des Gotthardbasistunnels, verfügt aber seit dessen Eröffnung über keinen direkten Bahnanschluss mehr ins Tessin. Der Durchgangsbahnhof des Kantonshauptorts Altdorf liegt abseits des Siedlungskerns. In den künftigen Betriebsbetrachtungen der seit 1990 von der SBB betriebenen Gotthardbahn spielt die Haltestelle Altdorf keine Rolle mehr.
Das Urnerland und die Neue Eisenbahn-Alpentransversale NEAT müssen sich erst finden; ein Kantonsbahnhof soll verhindern, dass der Bergkanton endgültig auf dem Abstellgleis parkiert wird. Um diese verzwickte Situation zu retten, bündeln die Lokalinstanzen nun ihre Kräfte. Mit dabei ist auch die Urner Kantonalbank – sie soll den Bundesbahnen das Grundstück abkaufen und darauf bis 2021 einen multifunktionalen Neubau realisieren. Der «Neubau Bahnhofplatz 1, Altdorf» wird Bankzentrale, Businesspark und regionaler öV-Knoten und darf 35 Mio. Franken kosten. Ende August wurde der zweistufige Gesamtplanerwettbewerb mit Präqualifikation entschieden und zwei Monate später der Öffentlichkeit zugetragen. Die elfköpfige Jury hat das Projekt «Urig» der ARGE Buchner Bründler Planer / Proplaning ausgewählt. Das im hohen Detaillierungsgrad eingereichte Siegerprojekt sieht einen sechsgeschossigen, 25 m hohen Riegel vor, der ruhig, leicht und schwebend wirkt.
Die Fassaden sind durch grosse Fenster und eine filigrane Struktur aus Hängestäben gegliedert. An der Ankunftsfront kragen die Obergeschosse um einige Meter aus, sodass die Kante der Bushaltestelle unter einem stützenfreien Vordach liegt. Die innere Organisation, die hohe Flexibilität und die städtebaulich präzise Setzung gaben für die Jury den Ausschlag, das Projekt einstimmig auf Rang eins zu platzieren.
Antizipierender Vorschlag
Bemerkenswert am Siegerprojekt ist zum einen die Antizipationsleistung, weil das Nutzungsprogramm in der Wettbewerbsausschreibung eher vage definiert war. Den Entschluss, die neue Immobilie selbst zu nutzen, fällte die Bank erst nach dem Juryentscheid. Zum anderen fügt sich «Urig» präzise in die räumliche Enge ein, die durch den Bahnkorridor im Rücken und den Radius des Busterminals auf der Empfangsseite entsteht.
Bei allen Projekten ist die Rückseite eine den Gleisen robust und eher verschlossen zugewandte Front. Den passenden Ausdruck zu finden, scheint für alle Wettbewerbsteilnehmer eine Knacknuss gewesen zu sein. Durchaus eskapistisch mutet jedoch an, wie einzelne Vorschläge eine morphologische Anlehnung an lokale Bautraditionen und Typologien (Bauernhäuser, Kirchen) gesucht haben. Unter den acht übrigen, zum Teil auch nicht prämierten Projekten ist die Riegelform ebenso häufig wiederzuentdecken wie ein möglichst schmaler Fussabdruck. Bereits die vom Kanton vorab durchgeführte Testplanung enthielt diese Variante, was kennzeichnend ist für das enge Entwurfskorsett in diesem Planerwettbewerb. Effektiv waren derart viele sicherheits- und umweltrechtliche, denkmalschützerische oder bahnbetriebliche Vorgaben einzuhalten, dass auf allen vier Seiten um jeden Millimeter Abstand gerungen werden musste.
Geste für Gäste und Nutzer
Das ursprünglich als «Kantonsbahnhof» lancierte Projekt ist nun ein Mehrzweckobjekt. Für die Nutzungen als Umsteigestandort, Unternehmenssitz und Businesspark galt es eine architektonische Klammer zu finden. Das Siegerprojekt tut dies mit einer unaufdringlichen Geste: Das Erdgeschoss bleibt offen und steht Businessgästen und öV-Benutzern zugleich zur Verfügung.
Eine deutlich markantere Adresse bildet demgegenüber der zweitplatzierte Vorschlag «Riis und Poor» (generalplan 4 und ARGE Huber Waser Mühlebach Architekten / Baumann Lukas Architektur); er überrascht mit einer Flucht in die Höhe. Der öV-Knoten wird zur publikumsorientierten Markthalle; die wirtschaftliche Mantelnutzung wird im benachbarten, rund 40 m hohen Büroturm konzentriert. Gegen die Machbarkeit spricht die Volumetrie; baurechtlich müsste ein Gestaltungsplan nachgeliefert werden. Zudem wäre der Grundriss des Hochhauses zu eng für eine flexible Büronutzung – so entschied sich die Jury gegen das Projekt des einzigen prämierten Nachwuchsteams.
Zündfunke für Entwicklung
Das neue Bahnhofsgebäude bleibt vorerst ein Solitär an diesem peripheren Standort. Die Entwicklung angrenzender Baugebiete ist erst mittelfristig geplant. Allerdings ist der Pionierstatus ebenfalls ein Anspruch, den der Neubau zu erfüllen hat. Vor allem der Kanton verspricht sich, dass daraus der Zündfunke für die Entwicklung des Urner Talbodens entsteht. Eine Weiterbearbeitung des Siegerprojekts ist wahrscheinlich, die auf eine Reduktion des Volumens abzielt. Mit einer regulären Geschosshöhe von 3.80 m bestehe sicher Optimierungspotenzial, war an der Präsentation der Wettbewerbsresultate zu hören.
Insgesamt haben sich 37 Teams in der Präqualifikation beworben. Nach Angaben der Wettbewerbsorganisatoren habe sich der Interessentenkreis auf Büros aus der Deutschschweiz beschränkt. Aus dem Tessin sind keine Bewerbungen eingetroffen. Nicht nur im Bahnverkehr ist der Urner Kantonshauptort vorläufig noch weit von der Südstube entfernt.
Auszeichnungen
1. Rang, 1. Preis: «Urig»
ARGE Buchner Bründler Planer / Proplaning, Basel
2. Rang, Ankauf: «Riis und Poor»
generalplan 4 und ARGE Huber Waser Mühlebach Architekten / Baumann Lukas Architektur
3. Rang, 2. Preis: «Wagon»
Penzel Valier, Zürich
4. Rang, 3. Preis: «Gotthard»
ARGE HSSP / Hosoya Schaefer Architects Zürich
Jury
Heini Sommer, Präsident Bankrat UKB (Vorsitz)
Christoph Bugnon, GL-Vorsitzender UKB
Renzo Küttel, Leiter Logistik UKB
Urban Camenzind, Volkswirtschaftsdirektor Kanton Uri
Dr. Urs Kälin, Gemeindepräsident Altdorf
Armando Meletta, Architekt, Luzern (Leitung)
Roger Boltshauser, Architekt, Zürich
Conradin Clavuot, Architekt, Chur
Jürg Conzett, Bauingenieur, Chur
Stefan Jaques, Bauingenieur, Zürich
Christoph Muheim, Ortsplaner Gemeinde Altdorf