Kul­tursch­miede

Jugend Im technischen Denkmal

Die Alte Schmiede Baden hat eine neue Nutzung erhalten, und Ladner Meier Architekten haben ihr einen Neubau hinzugefügt. Die Kultur erobert das das ehemalige Industrieareal und füllt es mit neuem Leben.

Date de publication
22-04-2016
Revision
25-05-2016

Die ehemaligen Fabrikationsgebäude der ABB in Baden bieten ideale Voraussetzungen, um neue kulturelle Angebote zu etablieren und Bildungszentren anzusiedeln. So ist die Be­bauung im Quartier zwischen dem nahe gelegenen Bahnhof und dem Areal im Norden der Stadt geprägt von unterschiedlichsten Neunutzungen, die zeigen, wie bestehende Gebäude und Freiflächen umgestaltet werden können.

Das Zentrum Trafo mit dem gleichnamigen Platz, das Engineering-Gebäude Quadro oder die Aktionshalle Nordportal stehen stellvertretend für viele weitere Beispiele. Zusammen mit den neu errichteten Wohnüberbauungen wandelt sich das Quartier zusehends in einen lebendigen Stadtteil.

Besonders am Schmiedeplatz sind zahlreiche Einrichtungen der BerufsBildungBaden (BBB) angesiedelt. So war es naheliegend, das Jugendkulturlokal Merkker, für das neue Räume gefunden werden mussten, in der Alten Schmiede unterzubringen.

Die Schmiedehalle ist von der Bruggerstrasse zurückgesetzt am Nordrand des Fabrikareals gelegen. Bautechnisch ist sie ein mit Sichtbackstein in Läuferschichten ausgefachter, 8 × 10-feldriger Stahlfachwerkbau unter einem ziegelgedeckten Satteldach.

Der offene Dachstuhl ist gänzlich aus Stahl gebaut und verfügt über eine für die ursprüngliche Nutzung als Schmiede typische hohe Firstlaterne (vgl. Kasten unten: «Tragwerk auf Mass»).

Als bedeutendes industriegeschichtliches Zeug­nis wurde die Haupthalle im Jahr 2011 unter kantonalen Denkmalschutz gestellt. Somit durften die Tragkonstruktion und die historische Gebäudehülle der ­Haupthalle nicht verändert werden. Aufgrund ihrer vormaligen Nutzung war die Schmiede stark mit Schadstoffen belastet.

Über einen Projektwettbewerb suchte die Stadt Baden geeignete und kostengünstige Vorschläge für multifunktionale, kombinierbare Räume zum Betrieb eines Jugendkulturlokals mit Gastronomie, einer Veranstaltungshalle mit Aussenraum sowie für Bandübungsräume und Ateliers. Das Angebot sollte Jugendlichen und jungen Erwachsenen Freiräume für ihre Kreativität und Freizeitgestaltung bieten.

Mit einer Raumorganisation, die grösstmögliche Nutzungsflexibilität erlaubte, gewannen Ladner Meier Architekten im Jahr 2012 den Wettbewerb. Der dazu eingesetzte Stahlbau unterstreicht die ursprüngliche industrielle Nutzung des Standorts. Die Instandsetzung umfasste Massnahmen wie eine intensive Staubreinigung der Tragkonstruktion und das Ausgraben und Entsorgen des belasteten Boden­belags sowie der Verschmutzungen im Untergrund.

Für die Dacheindeckung kamen erstmals In­dustrieziegel zum Einsatz. Mit dem Ziel, den Originalzustand so weit wie möglich zu erhalten, wurden diese abgetragen, gereinigt und wieder eingebaut. Gleiches gilt für die vorhandenen Leuchten, in deren Gehäuse LED-Leuchtmittel verwendet wurden.

Raumkombinationen

Da die Halle auch nach dem Umbau nur unbeheizt und temporär genutzt wird, wurde eine neue Tragkonstruktion aus Stahl nach dem Haus-im-Haus-Prinzip eingestellt. Damit der Raumeindruck der Werkhalle erhalten bleibt, wurde das neue Volumen möglichst knapp gehalten und im hinteren Teil der Halle angeordnet.

Die Einbauten sind wärmegedämmt und verkleidet mit Faserzementplatten, die den Ausdruck des früheren Durisol-Systems formal übernehmen. Sie beherbergen den Veranstaltungssaal, den Technik- und Backstagebereich sowie eine Bar. Grosse Indus­­trieschiebetore öffnen den neuen Veranstaltungsraum zur Halle hin. Die direkte Anbindung der Halle durch die Bar und das Foyer ermöglicht Nutzungen über ­mehrere Räume hinweg.

Zum Schutz des Bestands wurden die Stützen mit einem Abstand von etwa 1.5 m zur bestehenden Fassade angeordnet. Das Stützensystem nimmt einen Stahlrost auf, der den gesamten Veranstaltungsraum überspannt.

Um die Einbauten unter dem Niveau des horizontal verlaufenden Zugbands der Dachkonstruktion zu halten, kam eine Mischbauweise mit Flachdeckenträger ge­ringer Konstruktionshöhe zum Einsatz. Dieses basiert auf Stahlträgern, deren überbreiter Untergurt als Auflager vorgefertigter Stahlbetondecken­elemente dient.

Die Deckenplatten wurden mit eingelegten Akustikeinlagen angeliefert und erfüllen so neben der tragenden auch eine bauphysikalische Funktion. In Verbindung mit einer Ortbetonschicht bilden diese Elemente einen tragfähigen Stahl-Beton-Verbund. 

Die Decke über dem Erdgeschoss bildet eine Art Tisch aus, über dem das Obergeschoss weitgehend frei gestaltet werden kann. Die Stabilität des Baukörpers wird durch Aussteifungsverbände gewährleistet. Der flache Anbau auf der Längsseite, die der Strasse zugewandt ist, stand nicht unter Denkmalschutz und konnte abgerissen werden. An seiner Stelle markiert ein vertikales Volumen die neue Nutzung. Übungsräume, Foyer, Bar, Beiz und Atelier sind hier untergebracht.

In den Obergeschossen stehen vielseitig nutzbare, flexibel unterteilbare Kulturräume zur Verfügung. Die Proberäume sind durch eine aussen liegende Treppenanlage sowie einen Lift separat erschlossen. Der frei gewordene Bereich vor der Halle dient gleichzeitig als Vorplatz und Zugang.

Raffinierte und sorgfältige Details

Wie sich im Lauf der Bauarbeiten zeigte, waren hier umfangreiche Massnahmen zur Entsorgung der Alt­lasten erforderlich, die weit hinab ins Erdreich führten. Um die dafür ohnehin erforderliche Grube zu­sätzlich zu nutzen, wurden unter der Bodenplatte des Vorplatzes weitere Räume eingebaut. Die Hallenlängswand des ­Erdgeschosses erhielt neue Öffnungen als Fluchtwege. Somit ist die Halle auch für eine grosse Personenbelegung nutzbar.

Der dunkel gehaltene Anbau bildet das vertikale Gegenstück zum horizontalen Bestand. Als Referenz an den Industriebau prägen Elemente aus Gusseisen das Bild der Fassade. Sie sind in tragende Stahlrahmen eingehängt.

Die Tragstruktur ist in gleicher Weise wie in der Halle mit Flachdeckenträger und vorgefertigten Betonelementen ausgebildet. Ein Kern aus Stahlbeton nimmt den Fahrstuhl auf und steift die Stahlkonstruktion aus. Wie auch in der Halle stellen der Anstrich und die ausreichend dimensionierte Stahlkonstruktion den Brandschutz sicher. 

Der Anbau steht selbstbewusst für eine Neu­interpretation des industriellen Bauens. Der nach dem Abriss des flachen Anbaus frei gewordene Vorplatz betont die Komposition von Bestand und Neubau: Die Gestaltung der Aussenraums mit betonierten Bänken ist augenfällig, in der Halle selbst sind die Veränderungen erst auf den zweiten Blick erkennbar. Raffiniert verzahnen sich Alt und Neu im Innern.

Die Alte Schmiede ist eine Entdeckungsreise wert – auch für weniger junge Menschen. Insbesondere der Umgang mit dem Bestand sowie die sorgfältig geplanten Eingriffe und Details verdienen Beachtung, und das filigrane Fachwerk aus Stahl ist ein wertvoller Zeuge einer frühen Industrialisierung.

Der Stahlbau ist ausführlich im aktuellen steeldoc 01/16 beschrieben. Das Resultat ist Ergebnis des Engagements der Beteiligten weit über das übliche Mass hinaus.


Tragwerk auf Mass

Das Tragwerk der Stahlbaufirma Wartmann & Vallette aus Brugg ist ein charakteristischer Fachwerkbau des beginnenden 20. Jahrhunderts. Alfred Vallette war Bauingenieur und Leiter des Brückenbaus der Nordostbahn (NOB). Rudolf Wartmann-Füchslin war Schlos­­-ser und Elektrotechniker.

Zusammen zeichneten sie für viele emblema­tische ­Hallen- und Brückenbauten verantwort­lich: den Saaneviadukt (vgl. TEC21 25/2013), die Mont-Blanc- und Acaciasbrücken in Genf sowie die Perrondächer in Zürich und Lausanne. Sogar Othmar Ammann, der legendäre Erbauer der Golden Gate Bridge in San Francisco, sammelte bei ihnen als 19-Jäh­riger seine ersten Erfahrungen als Aushilfskraft.

Das Tragwerk der Schmiede wurde auf die Nutzung massgeschneidert, da die Brown Boveri & Cie. bereits auf ihrem Areal über genügend Mehrzweckbauten verfügte. Bezeichnend ist die hohe Laterne im Dachfirst, die weniger als Lichtquelle konzipiert war, sondern benötigt wurde, damit der bei der Produktion anfallende Dampf möglichst ungehindert abziehen konnte.

Der englische Dachbinder mit gegen Feldmitte abfallenden Diagonalen stellte eine für diese Zeit übliche und zweckmässige Binderform dar. Interessant ist die Anordnung des Windverbands auf der Ebene des Untergurts.

Nebst den statisch konstruktiven Vorteilen eines liegenden Gitterträgers konnte der Ingenieur die infolge Eigengewicht auftretenden Zugkräfte des Untergurts nutzen, um die Druckkräfte durch Wind­­lasten aufzu­nehmen. Nach heutigem Stand der Technik ist der Windverband in der Dachebene anzuordnen, um damit den druckbeanspruchten Obergurt des Fachwerks zu stabilisieren.
(te)

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