Die Kunst der Steins­ta­tik

Über den Tellerrand

Drei Schweizer Künstler sind für ihre grossformatigen Steinskulpturen weltweit bekannt. Dabei stehen ihnen drei kreative Partner zur Seite, die über ihre unsichtbaren Balanceakte mit grossen Gewichten berichten.

Date de publication
31-03-2016
Revision
31-03-2016

«Guardians of Liberty Village», Toronto

Für den neuen Wohnkomplex im East Liberty Village in Toronto entwarf der Künstler Olaf Breuning Metallskulpturen, die den Besuchern einen freundlichen Empfang bereiten. Die aufeinandergestapelten Elemente vermitteln zugleich den Eindruck, dass die Skulpturen jederzeit einzustürzen drohen. In enger Zusammenarbeit des Künstlers mit dem Metallbauer wurde ein «Stecksystem» entwickelt, das sowohl den statischen Nachweis des Bauingenieurs erfüllt als auch den Eindruck von aufeinandergestellten Steinen bestehen lässt.

Die «Steine» wurden mit geschweisstem Alu­minium und die Mittelkugel aus gegossener, vernickelter Bronze materialisiert. Um den Körpern die Optik von gehauenem Stein zu vermitteln, wurden rund 10.000 einzelne Aluminiumbleche zugeschnitten, miteinander manuell verschweisst und verschliffen. Durch die unzähligen Facetten entsteht eine gegen äussere Einwirkungen stabile Aussenhülle.

Stecksystem aus Stahl

Die Unterkonstruktion aus Stahl besteht aus massiven Stahlplatten (Stahl S235JR 20 mm) und aufgeschweissten Stahlrohren (Stahl S335 J2H RRW 300/16) für ein Gewicht je Konstruktion von rund 1.2 t. Die Unterkonstruktion und die Körperhüllen wurden in der Werkstatt in Schlieren hergestellt und per Frachtschiff nach Kanada transportiert.

Vor Ort wurden etappenweise die Hüllen über die Stahlsäulen geschoben und montiert. Die Montagefugen der Unterkonstruktion wurden vor Ort geschweisst, während die Hüllen ohne sichtbare Schrauben miteinander verbunden wurden. Die Montagearbeiten in Toronto benötigten lediglich einen Pneukran. Der Wunsch des Künstlers, die Skulpturen ohne sichtbare Unterkonstruktion oder Verschraubungen zu konstruieren, stellte sich als die grösste Herausforderung bei der Planung heraus.

Bauherrschaft
Plazacorp Investments, Toronto

Kunst
Olaf Breuning, New York

Metallbau und Projektleitung
Metall & Holz Hoppler, Schlieren

Statik
Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure, Zürich

 

«Le Sage», Place des Deux-Eglises, Genf

Ein wiederkehrendes Motiv im ­Œuvre des Künstlers Ugo Rondinone sind überdimensionale Steinfiguren in Form menschlicher Gestalten. Das Werk entstand als Teil der Aktion «art&tram», in deren Rahmen Kunstprojekte entlang der Tramlinie 14 installiert werden. 10 m ragt die Figur in die Höhe, die Gesteinsblöcke mit einem Gesamtgewicht von 130 t bestehen aus granitähnlichem Serizzo aus dem italienischen Formazza-Tal.

Im Gegensatz zur Inspirationsquelle des Künstlers – dem englischen Stonehenge – sind die Blöcke nicht lose aufeinandergestapelt, sondern mit Spannstangen verbunden. Auf diese Weise wird die Stabilität der Konstruktion gegenüber exzentrisch wirkenden Eigenlasten, Wind und Erdbeben gewährleistet. Ausgangspunkt der Planung war die vom Künstler vordefinierte Geometrie der Gesteinsblöcke. Die Figur ist demontierbar konzipiert worden, weshalb die Spannkanäle nicht ausinjiziert werden sollten.

Rostfreie Spannstangen

Mit je einer vorgespannten Ankerstange wurden die Beine (Vorspannkraft P0 = 370 kN), mit je zwei der Rumpf (P0 = 175 kN) der Figur stabilisiert. Der Kopf ist aufgrund des grossen Eigengewichts ausreichend stabil und wurde lediglich mit einem Dorn gesichert.

Der Bauablauf stellte hohe Ansprüche an die Genauigkeit: Auf die im Fundament vergossenen, 7 m hoch aufragenden Ankerstangen mussten die einzelnen Gesteinsblöcke passgenau «aufgesteckt» werden. Mit einem konstruktiven Trick – einem Versatz des oberen Stangenpaars zum Kopf hin und ­einem unsichtbaren Übergreifungsstoss in der Mitte des Figurenrumpfs – gelang es, die Spannnischen bestmöglich zu verbergen.

Das von Künstler und Ingenieuren gemeinschaftlich entwickelte Verbindungssystem fand inzwischen im Rahmen weiterer Projekte erfolgreich Anwendung.

Bauherrschaft
République et Canton de Genève, Département de l’instruction publique de la culture et du sport, Service cantonal de la culture

Kunst
Ugo Rondinone, New York

Tragwerksplanung
Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure, Zürich

 

«Rock on top of another Rock», Basel

Vor dem neu erstellten Bürohochhaus von Hoffmann-La Roche steht die steinerne Skulptur des Schweizer Künstlerduos Fischli/Weiss. Zwei übereinandergestapelte, insgesamt 70 t schwere Steine aus dem Kanton Uri kündigen den Eingang ins Hochhaus an.

Anhand von Modellen im Massstab 1 : 20 und 1 : 10 leitete Peter Fischli denkbare Anordnungen der Steine ab. Es zeigte sich jedoch schnell, dass ein trockenes Aufeinanderstellen der Steine nicht genügend standsicher war. Im Vergleich zu ähnlichen Objekten des Künstlers in Valdresflye (Norwegen) und London mussten in Basel höhere Erd­bebenlasten berücksichtigt werden. Die Steine mussten deshalb miteinander verbunden und im Boden verankert werden.

Ursprünglich sollte die Verbindung der Steine mittels Einkleben von Stahlankern an den Kontaktpunkten der Steine erfolgen, womit die vorhandenen Berührungspunkte übernommen wurden.

Vergossene Stahldorne

Bei der vom Künstler gewählten Anordnung waren einzelne Kontaktpunkte zu nah am Rand, um einen Anker kraftschlüssig einzukleben. Deshalb wurde eine alternative
Lösung mit mittig angeordneten Dornen gewählt.

Die Steine wurden mittels eines Schienensystems vom Tieflader zum Einbauort geschoben. An einer unsichtbaren Stelle wurde der Stein vorgebohrt, ein Stahlprofil eingeschoben und der Zwischenraum vor Ort mit Mörtel verfüllt. Somit konnte eine biegesteife Verbindung der Steine untereinander sichergestellt werden. Analog dazu wurde die Skulptur im Untergrund eingespannt. Das Betonfundament wurde breit genug gewählt, um das Umkippen der Skulptur zu verhindern und ihr Eigengewicht auf die Kelleraussenwände des darunterliegenden Technikgeschosses umzuleiten.

Bauherrschaft
Hoffmann-La Roche Pharma, Basel

Kunst
Peter Fischli, Zürich

Tragwerksplanung
Weischede, Herrmann und Partner Schweiz, Basel

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