Filmglos­sar

Architektur im Film

Auf welch vielfältige Art Architektur – vom Untergrund bis zum Skyscraper, von der Haustechnik bis zum ingenieurtechnischen Höhenflug – das Filmschaffen prägt, vermittelt dieses von der Redaktion mit tatkräftiger externer Mithilfe erstellte Glossar.

Publikationsdatum
20-01-2012
Revision
02-11-2017

Stadt

Walter Ruttmann, «Berlin: Sinfonie der Grossstadt» (1927)
Der Puls des alten Berlin. Der als sinfonisch empfundene Querschnitt durch den Ablauf eines Tages ergibt sich nicht zuletzt dank der rhythmusbetonten Montage. 

Fritz Lang, «Metropolis» (1927)
Im Mittelpunkt des Stummfilmklassikers, der das Science-Fiction-Genre begründet, steht die futuristische Stadt «Metropolis» – beeinflusst vom expressionistischen Theater und der russischen Avantgarde. Für die Stadtansichten kam erstmals das von Eugen Schüfftan und Ernst Kunstmann entwickelte Schüfftan-Verfahren zum Einsatz. Mit Hilfe einer Spiegelanordnung wurden die Modellbauten von Otto Hunte, Erich Kettelhut u. a. so gespiegelt, dass die Illusion riesiger Bauten entstand – von einer expressionistischen Stadtkrone überstrahlte New Yorker Wolkenkratzer zitierend. Der Film war ein finanzielles Fiasko für die UFA, doch seine Nachwirkung war enorm: Tim Burton kopierte für «Batman» (1989) die Kampfszene im Kirchendach und auf dem Turm; Charles Chaplin zitiert in «Modern Times» (1936) die Maschine.

Michelangelo Antonioni, «L’Eclisse» (1962)
L’Eclisse – die Sonnenfinsternis – vergleicht Michelangelo Antonioni mit einem Stillstand der Gefühle: Die junge Übersetzerin Vittoria (Monica Vitti) trennt sich nach durchstrittener Nacht vom Architekten Riccardo (Paco Raval), um kurze Zeit später in der Beziehung mit dem hektischen Broker Piero (Alain Delon) dieselbe Leere zu verspüren. Die Krankheit der Gefühle, wie Antonioni die emotionale Verlorenheit der Protagonisten nennt, spiegelt sich in der urbanen Topografie der römischen Satellitenstadt EUR, wo zufällige Wahrnehmung, Erinnerung und subjektive Empfindung in der rastlosen Flanerie verschmelzen. 

Philippe de Broca, «L’homme de Rio» (1964)
Eine Spionagegeschichte vor dem Hintergrund des frisch gebauten, modernen Brasilia. 

Jean-Luc Godard, «Alphaville» (1965)
Alphaville ist eine Stadt auf einem fernen Planeten, deren Bevölkerung ein entseeltes Dasein fristet. Dies ändert sich, als der Gangsterheld Lemmy Caution (Eddie Constantine) in geheimer Mission nach Alphaville entsandt wird ... Alphaville ist eine Science-Fiction, die ohne Spezialeffekte und futuristische Kulissen auskommt: Jean-Luc Godard entwirft aus der nächtlichen Szenerie von Paris eine Stadt, die voller Anspielungen steckt – so diente das Hotel während der deutschen Besatzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg der SS als Kommandozentrale. Alphaville ist im Umfeld der Nouvelle Vague entstanden, oszilliert aber zwischen Cinéma Noir, Science-Fiction und Kulturpessimismus und parodiert amerikanische Gangsterclichés. 

Jacques Tati, «Tati’s herrliche Zeiten – Playtime» (1967) 
Ein futuristisches Paris: In einer Kulissenstadt erstellte Tati die noch heute modern wirkende Stadt mit sich monoton repetierenden Bauten: kalte Stahlkonstruktionen und vollkommen transparentes Glas. Der Hauptdarsteller (Tati) bewegt sich in einer Welt, die steril und unpersönlich ist. Tati kritisiert auf humorvolle Weise die Moderne. Die Architektur steht im Vordergrund, während die Handlung nur am Rande eine Rolle spielt. Tati minimierte die Sprache sogar meist zu einem unverständlichen Geräusch. Seinerzeit trieb der Film den Regisseur in den Ruin, heute gilt er als Klassiker der Filmgeschichte.

Peter Yates, «Bullitt» (1968)
San Francisco als Kulisse einer Verfolgungsjagd, welche die Topografie der Stadt erklärt. 

William Friedkin, «The French Connection» (1971)
Das korrupte Chicago als Ort der Verfolgung, sei es zu Fuss, in der U-Bahn oder – grossartig – im Auto. 

Woody Allen, «Manhattan» (1979)
Eine Verquickung von Grossstadt- und Beziehungsdschungel im neurotischen Intellektuellenmilieu New Yorks. 

Geoff Murphy, «The Quiet Earth» (1985)
Ein Mann wacht auf und merkt, dass seine Stadt menschenleer und er nun alleine auf der Welt ist.

Peter Greenaway, «The Belly Of An Architect» (1987)
Der US-Architekt Kraklite kommt mit Frau Louisa nach Rom, um eine Ausstellung über Boullée zu kura-tieren – Beginn der Agonie Kraklites, der an einem Pankreas-Karzinom leidet, und der Schwangerschaft seiner Frau. Kraklite kümmert sich obsessiv um seine Eingeweide. Louisa tröstet sich mit Caspasian, dem sowohl sie als auch Boullée zum Opfer fällt ... Die Architektur wirkt metaphorisch: Die Spannung zwischen den antiken Bauten, ihrer Adaption bei Boullée und der Rückwirkung unter Mussolini (Colosseo Quadrato, EUR) überträgt sich auf die Figuren. Physisch ist es die Analogie zwischen Boullées Newton-Kenotaph (1784) und den Bäuchen Kraklites und Louisas sowie der als Phallus-Symbol aktivierte Spiralturm (1780). Kraklites Psyche reflektiert die von Piranesis «Carceri» inspirierte Werkstatt im Untergrund des Monumento Vittorio Emanuele II (1885–1911). Das «Déjeuner sur l’herbe» zwischen Ruinen erinnert an Tarkowskijs «Nostalghia», und wie in «Le Mépris» zerbricht die Ehe an einem Projekt, das ans Gängelband der Financiers genommen wird.

Robert Altman, «Short Cuts» (1993)
Verschiedene Schicksale verdichten sich zu einem Gewebe, das die Seele von LA veranschaulicht.

Alex Proyas, «Dark City» (1998)
Rätselhafte Fremde bauen die Stadt und die Erinnerungen ihrer Bevölkerung jede Nacht um.

Felipe Degregori, «Ciudad de M» (2000)
Eine Gruppe von Jugendlichen wollen Lima den Rücken kehren und nach «M» (Miami) aufbrechen.

Spike Lee, «25th Hour» (2002)
Ein Psychogramm von New York, dessen Seele vor uns ausgeleert wird.

Lars von Trier, «Dogville» (2003)
Der Film – erster Teil einer Trilogie, die mit «Manderlay» (2005) und «Washington» (2009) fortgesetzt wird – arbeitet mit Mitteln des Theaters: eine Bühne, die spärlich mit Requisiten bestückt ist; manches wird nur mit Kreidezeichnungen angedeutet. Die spartanische Ausstattung steigert die beklemmende Atmosphäre. 

Sofia Coppola, «Lost in Translation» (2003)
Die schillernde Oberfläche Tokios nimmt die desillusionierten Protagonisten zunächst nicht für sich ein.

Manuel Flurin Hendry, «Strähl» (2004)
Der Versuch, die Zürcher Langstrasse als «Mean Street» erscheinen zu lassen ... 

Div. «Paris, je t’aime» (2006)
Die 20 Arrondissements von Paris werden anhand von ebenso vielen Kurzgeschichten skizziert.

Jens Lien, «Den Brysomme Mannen» (2006)
Ein Mann gelangt in eine fremde, unterkühlte Stadt. Eine Möglichkeit zur Flucht bietet sich durch ein Loch in einer Kellerwand, durch das er in eine andere Welt blicken kann.

Paul Greengrass, «The Bourne Supremacy» (2004)
Ein Agent wird gejagt (Moskau, New York, Marrakesch, Paris). Anders als bei Bonds touristisch inszenierten Metropolen wird das logistische und topografische Potenzial der Städte für die Flucht ausgelotet. 

Micha Lewinsky, «Der Freund» (2008)
Zürich als melancholische Grossstadt, ganz ohne Bahnhofstrasse, Blumenuhr am See und Niederdorf-Romantik: In der Baracke des Club «Helsinki» unter der Hardbrücke verfällt der verklemmte Student Emil eines Nachts dem traurigen Charme der Sängerin Larissa. Eine zufällige Begegnung im Industriequartier, ein unbedachtes Versprechen, ein Unfall, der keiner war – und Emil verstrickt sich in eine Lügengeschichte, die ihm letztlich die Befreiung von seinen inneren Zwängen ermöglicht. Schauplatz dieser Emanzipation sind die mütterliche Wohnung (Wohnblock mit Laubengang, kleinbürgerliche Enge, Messingkerzenständer, gerahmte Fotos), das gediegene Einfamilienhaus von Larissas Eltern (Sichtbackstein, Bücher, Designmöbel und abstrakte Kunst) und Larissas Wohnatelier (Matratze, Kleiderstange, Gitarren). Zwischendurch erhascht man einen befreienden Weitblick von der Polyterrasse auf die Stadt – doch der Enge der Innenräume entkommen die Protagonisten nur auf ihren nächtlichen Busfahrten über die regennasse Hardbrücke.

Ruinen

Mervyn Leroy, «Quo Vadis» (1951)
Das antike Rom wird ein Raub von Kaiser Neros Flammen, derweil die Christen in die Katakomben fliehen. 

Andrej Tarkowskij, «Stalker» (1978/79) / «Nostalghia» (1983)
Die schönsten Ruinenlandschaften seit Piranesi – postapokalyptisch und von der Natur zurückerobert. «Nostalghia» wird aufs Dichteste komprimiert: Der Protagonist lagert in einer russischen Landschaft vor einer Holzhütte. Das Zoom-out offenbart, dass seine Heimat im Inneren einer Kirchenruine eingebettet ist. 

R. Emmerich, «The Day After Tomorrow» (2004) 
Ansteigender Meeresspiegel und Eismassen bedrängen New York und lösen Völkerwanderungen aus. 

Matt Reeves, «Cloverfield» (2008)
Ein Monster legt New York in Schutt und Asche: verlassene U-Bahn-Schächte und ruinöse Hochhäuser.

Ein Raum

Alfred Hitchcock, «Rear Window» (1954)
Die Handlung fokussiert auf den Blick aus einem Fenster, das für den Protagonisten, den Fotoreporter Jeffries (James Stewart), die einzige Verbindung zur Aussenwelt darstellt. Schärft oder vernebelt das obsessive Heranzoomen der Geschehnisse in den gegenüber liegenden Fenstern seine Sinne  

Luis Buñuel, «El angel exterminador» (1962)
Eine gehobene Gesellschaft nach einem Fest: Die Masken fallen, niedere Instinkte erwachen.

Robert Wise, «The Andromeda Strain» (1971)
Ein unterirdisches Hightech-Labor als Quarantäne für Überlebende einer ausserirdischen Virus-Attacke.

Joel & Ethan Coen, «Barton Fink» (1991)
Ein Drehbuchautor im schmuddeligen Hotelzimmer. Schmatzend lösen sich die Tapeten von den Wänden. 

Vincenzo Natali, «Cube» (1997)
Eine Gruppe von Leuten findet sich aus unerfindlichen Gründen in einem kubischen Raum. Jede der 6 Wände hat einen Ausgang, der jeweils in den nächsten kubischen Raum wiederum mit 6 Ausgängen führt...

Spike Jonze, «Being John Malkovich» (1999)
Im 7½ten Geschoss eines Hauses gibt es eine Türe, die direkt in den Kopf von Malkovich führt.

David Fincher, «Panic Room» (2002)
Mutter und Tochter verschanzen sich im hauseigenen Bunker, dem «Panic Room» ...

Luis Piedrahita, «Fermat’s Room» (2007)
Der mysteriöse Fermat lädt vier Mathematiker in ein Lagerhaus ein, um ein mathematisches Rätsel zu lösen. Nicht nur er trägt den Namen eines berühmten Gelehrten, dessen «Letzter Satz» erst 1993 von Andrew Wiles bewiesen wurde. «Galois» etwa verweist auf den Urheber der Galoistheorie – im Film hat er die (in Wahrheit bis heute nicht bewiesene) Goldbachsche Vermutung gelöst. Und Hilbert publizierte 1900 eine Liste mit 23 ungelösten mathematischen Problemen ... Kaum eingetroffen, wird Fermat ins Spital gerufen, derweil die Wissenschafter mathematische Rätsel auf ihre Laptops bekommen, die sie innerhalb von einer Minute zu lösen haben, während der Raum von hydraulischen Pressen zusehends zusammengestaucht wird ... 

Mikael Hafström, «Zimmer 1408» (2007)
Autor Mike Enslin verbringt eine Nacht in Zimmer 1408 des New Yorker Dolphin Hotels, in dem schon 56 Gäste gestorben sind: ein Alptraum à la Stephen King nach dem Motto «Ein Zimmer dreht durch».

Böse Häuser (Patina, Erinnerung, Seele)

Alfred Hitchcock, «Psycho» (1960)
Die Gäste im Motel erahnen im nahe stehenden Haus Unheimliches. (Gus van Sant, «Psycho» (1998))

Robert Wise, «The Haunting» (1963)
Perspektivische Täuschungen, Raumkrümmungen, sich biegende Türen und Schlimmeres erwartet den Wissenschafter und seine Testpersonen im alten Haus mit der dunklen Vergangenheit.

Dan Curtis, «Burnt Offerings» (1976) 
Eine Familie hütet ein abgelegenes und heruntergekommenes Haus und versorgt die Hausherrin im entlegensten Winkel mit Essen. Das Gebäude scheint sich mit jedem Todesfall zu verjüngen.

Nobuhiko Obayashi, «Hausu» (1977)
Ein paar junge Mädchen besuchen eine seltsame Tante in einem Haus, das vor Skurrilitäten strotzt. 

Stuart Rosenberg, «The Amityville Horror» (1979) 
Eine Familie zieht in ein Haus ein, in dem ein Mord begangen wurde. Haben Häuser ein Gedächtnis 

Stanley Kubrick, «The Shining» (1980)
Ein verworrener Organismus von Räumen konfrontiert einen Vater mit der Geschichte eines Hotels.

Steve Miner, «House» (1986)
Ein Schriftsteller bemerkt, dass sich hinter dem Badezimmerspiegel ein Eingang zur Hölle befindet.

Takashi Shimizu, «Ju-On» (2000)
Japanische Stadtwohnungen sind bekanntermassen nicht gerade geräumig. Wenn sich aber auf der Treppe und hinter der Veranda rastlose Geister tummeln, wird die Enge zur Beklemmung.

Steve Beck, «Thirteen Ghosts» (2001)
Cyrus vererbt seinem Neffen Arthur ein Haus; ein Glanzstück aus Stahl und Glas. Doch es ist eine nach einem Plan aus dem 15. Jahrhundert erbaute Maschine und beherbergt in gläsernen Kammern 12 Geister. Als die Familie einen Geldkoffer findet und diesen von der Stelle bewegt, löst sie einen Mechanismus aus, der Wände verschiebt und die Geister aus ihrem «Glashaus» befreit. Das Geheimnis: Es bedarf 13 Geister, um die Pforte zur Hölle zu öffnen und einen Blick in die Zukunft zu werfen. Arthur ist als 13. Geist auserkoren.

Haustechnik

Mark Robson, «Earthquake» (1974)
Nach einem Erdbeben in LA muss ein Bauingenieur Leute aus einem Hochhaus retten, das er geplant hat.

Luis Buñuel, «Le fantôme de la liberté» (1974)
Sehenswürdigkeiten als Pornografie, der Essraum als Toilette (und umgekehrt) – ein surrealistisches Juwel.

John Guillermin, «Towering Inferno» (1974)
Am Tag der Einweihung bricht durch einen Kurzschluss im 81. Stockwerk eines Hochhauses in San Francisco ein Brand aus. Der Elektroplaner unterschritt die vom Architekten geforderten Sicherheitsstandards. Die Folgen müssen Partygäste und Architekt ausbaden. Explodierende Gasleitungen, Stromausfälle und abstürzende Lifte fordern Menschenleben, bis Feuerwehrkommandant und Architekt – Ultima Ratio – den Wassertank auf dem Dach sprengen. Eine Million Gallonen Wasser ergiessen sich als rettende Flut durch das Gebäude.

Donald Cammell, «Demon Seed» (1977)
Ein Computer, der gebaut wurde, um einem Wissenschafter bei der Arbeit zu helfen, entwickelt einen eigenen Willen und beginnt dessen Haus und insbesondere dessen Frau zu kontrollieren und zu terrorisieren.

Michael Radford, «1984» (1984)
Die Totalüberwachung wird auf die Kontrolle der Gedanken ausgeweitet.

Terry Gilliam, «Brazil» (1985)
In einer nicht allzu fernen Zukunft orwellschen Zuschnitts liquidiert der allmächtige Staat wegen eines Druckfehlers den falschen Mann als «Terroristen». Der unbedeutende, sich in heroische Träume flüchtende, intellektuell brillante Archiv-Beamte Sam Lowry muss den Irrtum fürs Ministerium ausbügeln. Die Mission stürzt ihn in einen Strudel phantastischer Geschehnisse zwischen kafkaesker Bürokratie und dekadenter High Society, in deren Verlauf er unter anderem in einer Lastwagenfahrerin die Frau seiner Träume findet, ins Gestapo-artige Wahrheitsministerium aufsteigt, erstmals am System zweifelt, sich mit dem echten gesuchten Untergrundkämpfer, der als illegaler Haustechnikmonteur getarnt arbeitet, verbrüdert, als Staatsfeind gejagt und gefasst wird und schliesslich den Verstand (und die Traumfrau und das Leben) verliert. Zum Chaos in Sam Lowrys Alptraum trägt die tückische Haustechnik bei, die als verlängerter Arm des Systems funktioniert und ein ungemütliches Eigenleben entwickelt. Spektakulär sind weniger die Bauten als die Traumsequenzen mit eruptiv aus sanftem Gelände emporschiessenden Wolkenkratzern und die finale Folterkammer im Innern eines Kühlturms, wo der tragische Held am bitteren Ende von seiner Befreiung träumt ... 

Peter Weir, «The Truman Show» (1998)
Ein Mann wohnt, von Kameras überwacht, im TV-Studio. Schauspieler gaukeln ihm seinen Tagesablauf vor.

Michael Haneke, «Caché» (2005)
Ein Unbekannter schickt den Hausbewohnern Kassetten mit Aufnahmen, die ihr Privatleben dokumentieren. Räumlich und psychisch fühlt sich die Familie in die Enge getrieben; darob brechen alte Wunden auf.

Dominik Moll, «Lemming» (2005) 
Das Leben des Haustechnik-Ingenieurs Alain Getty und seiner Frau Bénédicte im «Silicon Valley» von Toulouse gerät nach einem Abendessen mit Alains Chef Richard und seiner Frau Alice ausser Kontrolle. Alice erschiesst sich in seinem Haus, und Alain erleidet einen Autounfall. Der Kontrollfreak erlebt, dass sein Gedächtnis nicht mehr richtig funktioniert und ihm seine Frau entgleitet, vom Geist Alice’ beherrscht und die Geliebte des alternden Richard wird, was Alains Erfindung, ein Webcam-Helikopter für die Hausüberwachung, dokumentiert. Alice’ Geist nötigt Alain, seinen Nebenbuhler zu töten ...

Hybris 

Paul Wegener / Carl Boese, «Der Golem, wie er in die Welt kam» (1920) 
Das Prager Ghetto im 16. Jahrhundert. Um Unheil abzuwenden, schafft Rabbi Löw eine mächtige Lehmfigur, den Golem. Zunächst Werkzeug der jüdischen Gemeinschaft, verselbständigt er sich und läuft Amok ... Im Gegensatz zu den Malern, die das «Cabinet des Dr. Caligari» aus der Zweidimensionalität ableiteten, modellierte Hans Poelzig die Räume plastisch. Verzerrungen und Verdrehungen verwandeln die von der Gotik beeinflussten Bauten in eine bewegte Stadtlandschaft: Das Ghetto neigt dem Rustikalen des osteuropäischen Shtetl zu, der Kaiserpalast dagegen zum Elaborierten der Art Nouveau.

Tim Burton, «Batman» (1989)
Die gotischen Kulissen von Gotham City retten «Batman» vor der Lächerlichkeit. Inspirationsquellen für das Set waren Langs «Metropolis» (1929), Scotts «Blade Runner» (1982) und Gilliams «Brazil» (1985).

Hubertus Siegert, «Berlin Babylon» (2001)
Ein Dokumentarfilm über den Bau des «Neuen Berlin» zu Musik der Einstürzenden Neubauten.

Innenräume

Robert Wiene, «Das Cabinet des Dr. Caligari» (1920) 
Er wurde als der erste expressionistische Film rezipiert. Der Wahn eines Geisteskranken (Dr. Caligari) spielt sich in verzerrten, die Gesetze der Gravitation aushebelnden Kulissen ab. Mit den Mitteln der Malerei – Entlehnungen aus der Grafik und dem Holzschnitt-Stil der «Brücke» – schufen Hermann Warm, Walter Reimann und Walter Röhrig eine den Gemütszustand Caligaris reflektierende Szenerie. Die Schauspieler taten das Ihre. Werner Krauss (Caligari): «Conny (Conrad Veidt), du machst dir einen breiten Strich unter die Augen. ‹Ich habe mir die Nase weggeschminkt und die Haare weg.›» Reimann entwarf auch die Kulissen für Hans Werckmeisters «Algol», der wiederum Inspirationsquelle für die Bauten in Langs «Metropolis» war.

Yasujiro Ozu, «Tokyo monogatari» (1953)
Spannung zwischen räumlicher Enge und emotionaler Distanz aus der Froschperspektive.

Terence Young, «Dr. No» (1962)
Bond (Sean Connery) verhindert, dass der skrupellose Dr. No mittels «Toppling» genannter Wellen die Weltherrschaft an sich reisst. Ken Adam (alias «Q») schuf eine visionäre, futuristische Filmarchitektur. Seine berühmtesten Entwürfe ausserhalb der Bond-Reihe realisierte Adam für Stanley Kubrick ...

Stanley Kubrick, «Barry Lyndon» (1975)
Spektakulär sind die Szenen, in denen Kerzen die Lichtquelle sind – und natürlich Ken Adams’ Design. 

Roman Polanski, «Le locataire» (1976)
Optische Täuschungen und perspektivische Verzerrungen zeigen den Verfolgungswahn eines Beamten.

Don Siegel, «Escape from Alcatraz» (1979)
Aus Alcatraz ist bis dahin nie jemand entkommen. 

Louis Malle, «Ascenseur pour l’échafaud» (1958)
Der Strom fällt im Lift aus, der grossartige Mordplan ist in Gefahr. 

Dick Maas, «De Lift» (1983)
Technische Defekte machen einen Lift zum Serienkiller. (Remake: «Down» 2001)

Carl Schenkel, «Abwärts» (1984)
Eine Gruppe Leute bleibt am Wochenende im Lift stecken. Sauerstoffmangel macht sich bald bemerkbar. 

Vorstadt

Sogo Ishii, «Gyakufunsha kazoku» (1984)
Eine Familie darf aus ihrer engen Tokio-Wohnung in ein Vorstadthaus ziehen, das aber verseucht ist.

David Byrne, «True Stories» (1986)
Skurriler Mockumentary über ein texanisches Städtchen: «Highways are the Cathedrals of our times.»

Joe Dante, «The burbs» (1989)
Im Nachbarhaus gehen obskure Dinge vor. Schon im Frontyard wird einem mulmig.

Mathieu Kassovitz, «La Haine» (1995)
Das von Härte geprägte Leben in der Banlieue von Paris – inklusive Krawalle.

Mark Pellington, «Arlington Rd.» (1999)
Ein Mann verdächtigt die Nachbarn, Terroristen zu sein, als er dubiose Grundrisse entdeckt.

D. J. Caruso, «Disturbia» (2007)
Ein Junge unter Hausarrest beobachtet per Fernglas seltsame Vorgänge im Nachbarhaus.

Industrie

Michelangelo Antonioni, «Il Deserto Rosso» (1964)
Verlassene Industriegelände, riesige Schiffe, Ästhetik des Desolaten. 

Adolf Winkelmann, «Jede Menge Kohle» (1981)
Häuserblocks, enge Wohnungen, Kohlebergwerke: Ruhrpott. 

Godfrey Reggio, «Koyaanisqatsi» (1982)
Eineinhalb Stunden Film ohne Dialoge, ohne ein verständliches Wort, ohne Stars, ohne handelnde Personen, ohne Happy End und ohne belehrende Moral – assoziative Bildsequenzen, die bis heute nachwirken. Der grandiose Bilderbogen beginnt in der unberührten Wüste, führt zu Landschaftszerstörungen durch Bergbau und Militär, spannt sich zum Flug- und zum Strassenverkehr, zur Hektik in der Grossstadt, zur Uhrwerkartigkeit des Lebens zwischen Fabrik und Massenverkehr, bis das Maschinenhafte der im Zeitraffer gefilmten Menschen unerträglich wird, und endet katastrophal im Absturz einer Weltraumrakete. Der Film wird getragen vom Soundtrack des Minimal-Music-Komponisten Philip Glass: Meditativ zu den Naturbildern, mechanisch und zunehmend nervig in der «Zivilisation», überhöht er den Bilderstrom. Ein Höhepunkt ist die chirurgisch präzise Sprengung der einstigen Mustersiedlung Pruitt-Igoe in St. Louis (USA) – dem Fanal der Postmoderne. 

Charles Chaplin, «Modern Times» (1933–1936)
Der Tramp gerät in das Räderwerk der modernen Welt in Form einer grotesken Maschine.

Ein Haus

Jacques Tati, »Mon Oncle» (1958)
M. Hulot besucht seine Verwandten in einem modernen Einfamilienhaus mit all seinen Tücken.

Alfred Hitchcock, »North by Northwest» (1959)
Eine Jagd, die von der Stadt aufs Land führt, zu einer Villa, die von F. L. Wright gebaut sein könnte.

A. Resnais, »L’année dernière à Marienbad» (1961)
Ein Luxushotel und seine Gärten sind das Raum-Zeit-Kontinuum für die Figuren des Films.

Jean-Luc Godard, «Le mépris» (1963)
Vordergründig geht es um das Scheitern der Ehe eines Drehbuchautors während der Arbeiten an einem Film über die Irrfahrten des Odysseus, hintergründig um den Konflikt zwischen Regisseur (Fritz Lang, der sich selber spielt) und Produzent. Den Höhepunkt der Dramatik erreicht die Handlung auf dem Dach der Villa Malaparte auf Capri. Sie wurde 1938–1942 von Adalberto Libera für den Schriftsteller Curzio Malaparte entworfen. Über eine monumentale trapezförmige Freitreppe, die in Erinnerung an Malapartes Exil von der Kapelle L’Annunziata auf Lipari inspiriert ist, führt der Weg auf die Dachterrasse über dem Meer. 

Michelangelo Antonioni, »Zabriskie Point» (1970)
Dichte vs. Leere, Ordnung vs. Chaos und die Explosion einer Villa.

Brian De Palma, «Body Double» (1984) 
Ein Haus des Architekten John Lautner spielt die Hauptrolle. Dessen Chemosphere-Haus (1960) im San Fernando Valley in Los Angeles funktoniert selbst als Kamera. Es ist eine Beobachtungsstation (verdoppelt durch ein Fernrohr), mit dem das Geschehen in einem entfernten Haus herangezoomt wird.

Ken Russell, «Gothic» (1986)
n Lord Byrons üppigem Landhaus am Genfersee wird in einer drogenschwangeren Nacht allerlei «geboren»: Mary Shelleys Roman «Frankenstein», John Polidoris «Der Vamypr» und J.H. Füsslis «Nachtmahr».

Daniel Schmid, «Hors Saison» (1992)
Ein Mann besucht das alte Hotel seiner Kindheit in den Bergen und lässt Erinnerungen aufleben.

Marcel Meili / Christoph Schaub, «Il Girasole» (1995)
Wenn man sich mit filmischen Mitteln in ein Haus einfühlen kann, dann gelingt es dieser Dokumentation über die Villa, die der Ingenieur Angelo Invernizzi 1929–1935 in Marcellise (Verona) baute. So nah die Kamera dem Baukörper kommt, so respektvoll nimmt sie ihn ins Visier – bis ins Herz der Anlage vorstossend, dem Mechanismus, der ermöglicht, dass sich das Haus dem Sonnenstand folgend dreht: als eine Utopie in der Tradition von Filaretes «La Sforzinda» (1465) oder Tommaso Campanellas «La città del Sole» (1602), als ein Refugium, wie es sich Jules Vernes’ Kapitän Nemo hätte erbauen können – oder auch Assoziationen weckend zu Arnold Böcklins «Toteninsel» (1880), wie sie Kenneth Frampton in der Monografie «Villa Girasole» entdeckt. 

Joel Coen, «The Big Lebowski» (1998)
Wieder ist ein Bau von John Lautner Protagonist: das Sheats/Goldstein-Haus von 1963/89.

Dominik Moll, «Harry un ami qui vous veut du bien» (2000)
Das Sommerhaus einer Familie wird durch die Fürsorge eines «Freundes» immer mehr zum Gefängnis.

Robert Altman, »Gosford Park» (2001)
Die Upperclass feiert im Obergeschoss, derweil die Bediensteten im Untergeschoss ihre Arbeit verrichten.

Brad Bird, «Die Unglaublichen – The Incredibles» (2004)
 Der Animationsfilm spielt in der fiktiven «Metroville». Familie Parr fristet scheinbar ein gutbürgerliches Leben. Doch sind die Eltern und die drei Kinder mit Superkräften ausgestattet. Diese dürfen sie aber nicht mehr einsetzen. Vater Bob Parr kann es nicht lassen und nimmt einen Auftrag an, bei dem seine Superkräfte gefragt sind. Edna Mode schneidert ihm ein zeitgemässes Kostüm. Sie lebt in einem modernistischen Glasbau, der vor Hightech strotzt und durch Code, Hand- und Augen-Scan sowie Spracherkennung gesichert ist. Ihren Wohn- und Empfangsraum betritt sie durch eine griechisch inspirierte Reliefwand mit Kampfszenen. Eine kubistische Kriegerstatue, Möbel à la Le Corbusier und eine Treppe aus filigranen Paneelen sind weitere Fixpunkte im Raum. Bird zeigt architektonisch ausdrucksstarke Räume und verwebt diese mit ihrer Umgebung. 

Mirjam von Arx, «Building the Gherkin» (2005)
Achitektur, Corporate Identity und City Branding: Norman Fosters Swiss-Re-Gebäude in London.

Gil Kenan, «Monster House» (2006)
Kinder dringen in ein lebendiges und böses Haus ein, das schon Leute verschlungen hat.

Archäologie / Untergrund

Carol Reed, «Der dritte Mann» (1949)
Der Amerikaner Holly Martins kommt ins Wien der Nachkriegszeit, um seinen Freund Harry Lime zu treffen. Lime geht im Schutz der russischen Besatzungsmacht seinen Schiebergeschäften nach. Durch das Kanalsystem bewegt er sich ungehindert. Doch die Unterwelt Wiens wird Limes Schicksal. Die Stadtlandschaft Wiens wird zur Filmlandschaft und damit zu einem historischen Dokument der Stadt um 1949. Die Schlüsselszenen spielen an ingenieurtechnisch interessanten Orten, z. B. im Riesenrad oder im Kanalsystem.

Stanley Kubrick, «Dr. Strangelove or: How I learned to stop worrying ...» (1964)
Ken Adams Set-Design schrieb nicht nur Filmgeschichte. Einer Anekdote zufolge bat Ronald Reagan, man möge ihm den «War Room» aus «Dr. Strangelove oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben» im Weissen Haus zeigen.

Federico Fellini, «Roma» (1972) 
Nicht nur wegen der Modeschau für religiöse Würdenträger ist «Roma» nicht nur eine surreal-groteske Hommage an die Kapitale, sondern wohl nach wie vor das gültigste Porträt der Ewigen Stadt. Mindestens so beeindruckend ist die Episode dieser aus einer Vielzahl von Szenen zusammengesetzten Filmgeschichte, die sich im Untergrund abspielt, beim Bau der Metro. Bauarbeiter stossen auf ein mehr als zweitausend Jahre altes Haus, dessen leuchtende Fresken sich durch die eindringende Luft vor den Augen der Beobachter auflösen ...

Marc Singer, «Dark Days» (2000)
Der Dokumentarfilm zeigt, wie die «Mole-People» in einem System von stillgelegten Eisenbahntunnels in New York leben, schlafen, kochen, duschen und sich über Sauberkeit in ihren «Räumlichkeiten» streiten. Singer tauchte selbst in den Untergrund ab, nahm Armut und Obdachlosigkeit in Kauf und lebte über sechs Jahre in den Tunnels. Am Ende des Films erhalten die «Homeless» ein Zuhause an der «Oberfläche» ... 

Bong Joon-Ho, «Gwoemul – The Host» (2006)
Eine Familie durchsucht die Kanalisation einer koreanischen Stadt nach der jüngsten Tochter, nachdem diese von einem Riesenmutanten entführt wurde.

Helden / Antihelden

King Vidor, «The Fountainhead» (1949)
Heroisierender Kampf des Architekten (Frank Lloyd Wright, Ludwig Mies van der Rohe?) gegen den Starrsinn der Traditionalisten.

Robert Aldrich / John Moore, «The Flight of the Phoenix» (1965/2004)
Ein angejahrtes Transportflugzeug einer Ölgesellschaft muss in der Wüste notlanden und geht zu Bruch. Die Überlebenden haben keine Verbindung zur Zivilisation. Zum Helden wird ein zufällig mitgeflogener, unscheinbarer Flugzeugingenieur, der vorschlägt, aus den noch brauchbaren Trümmern der zweimotorigen Maschine ein einmotoriges Minimalflugzeug zu bauen. Sein Plan wird realisiert ... 

Guy Hamilton, «Diamonds are Forever» (1971)
John Lautners Bauten dienen oft als Filmkulissen. In Hamiltons Film unterstreicht das Elrod Haus in Palm Springs (1968) den Space-Age-Charakter. Die Felsen, auf denen sich Bambi und Thumper wie Katzen räkeln, hat Lautner im Innenraum integriert. Sie schieben sich vor die Glaswand mit Aussicht auf die Landschaft. Durch die Öffnung der Front verschmelzen Innen und Aussen, verschieben sich diagonale Linien und bringen die Raumgrenzen zum Verschwinden. Die Architektur ist Teil der filmischen Mittel.

Peter Kahane, «Die Architekten» (DDR 1990)
Daniel Brenner erhält den Auftrag, für 85 Mio. DDR-Mark ein gesellschaftliches Zentrum in einem Berliner Neubaugebiet zu entwerfen – eine menschenfreundliche Oase in der kühlen und abweisenden Siedlung. Bald wird sein Team um einen externen Berater ergänzt, der «keine Staatsgelder für Architekteneitelkeiten vergeu-den» will. Der Entwurf wird kastriert. Im Film werden die Erfahrungen der jüngeren DDR-Generation gesammelt und am Beispiel der Berufsgruppe Architekt dargestellt. Regisseur Peter Kahane plante ihn vor der Wende 1989. Ins Kino gelangte er aber erst danach, wodurch er nur noch ein kleines Publikum erreichte.

Edgar Hagen, «Zeit der Titanen» (2001)
Zwischen 1951 und 1965 wurde die 285 Meter hohe Walliser Staumauer Grande Dixence mit einem 160 km langen Stollenlabyrinth auf über 2000 m Höhe gebaut. Wer sind die Männer, die sich jahrelang in das Berginnere vorgearbeitet, wie waren die Bedingungen, unter denen sie ihre Arbeit ausgeführt haben? Regisseur Edgar Hagen ist mit den wenigen noch lebenden Mineuren zurück in den Berg gegangen und hat unter technisch anspruchsvollsten Bedingungen ihre Geschichte gefilmt. Entstanden ist ein wunderbares Zeitdokument vom Kampf zwischen Mensch und Natur, das auch Fragen auftauchen lässt über den Segen von technischem Gigantismus.

Frank Coraci, «Klick» (US-Spielfilm 2006)
Der Architekt Michael Newman ist ein hoffnungsloser Workaholic. Eines Tages trifft er den exzentrischen Erfinder Morty, der ihm eine Universalfernbedienung schenkt, mit der er nicht nur Fernseher und Stereoanlage, sondern sein ganzes Leben steuern kann. Nur speichert die Fernbedienung auch Gewohnheiten ab und führt sie selbstständig aus. Bald verliert Newman die Kontrolle über das Gerät – und über sein Leben ... 

Gregory Hoblit, «Fracture» (2007)
Der erfolgreiche amerikanische Flugzeugingenieur Ted Crawford schiesst seine untreue Frau nieder, lässt sich widerstandslos festnehmen und legt ein Geständnis ab. Trotzdem kann ihm der erfolgshungrige junge Staatsanwalt nichts anhaben. Der geniale Tüftler, der zur Entspannung hochkomplizierte logische Rube-Goldberg-Maschinen baut, hat seine Tat minutiös geplant. Ein Freispruch mangels Beweisen ist unausweichlich. Doch der unfehlbare Ingenieur hat eine juristische Schwachstelle nicht abgesichert ... 

Bewegung durch den Raum

Robert Altman, «The Player» (1992)
Die erste Einstellung dauert 8 Minuten und ist eine choreografische Meisterleistung.

Aleksandr Sokurov, «Russkiy kovcheg – Russian Ark» (2002)
90-minütige ungeschnittene und durchchoreografierte Kamerafahrt durch die Hermitage von St. Petersburg.

Raumschiffe

Jakov Aleksandrovi Protazanov, «Aelita» (1924)
Der Film basiert auf der gleichnamigen Novelle «Aelita» von Alexei Tolstoi und weist zwei Handlungsstränge auf: Ästhetisch interessant ist die Nebenhandlung mit Science-Fiction-Elementen, futuristischem Dekor und den ersten Konstruktionsunterlagen für ein Raumschiff.

Fritz Lang, «Frau im Mond» (1929)
Vermutlich der erste Film mit wissenschaftlich ernsthaft designtem Raumschiff, das im Modell gezeigt wird.

Fred M. Wilcox, «Forbidden Planet» (1956)
Eine atemberaubende Villa und die Überreste einer uralten Zivilisation auf dem Lichtjahre entfernten Planeten.

Stanley Kubrick, «2001: A Space Odyssey – Odyssee im Weltraum» (1968)
Der mystische Science-Fiction-Film basiert auf der Kurzgeschichte «The Sentinel» von Arthur C. Clarke. Kubrick arbeitete 1968, vor der Computer-Technologie, mit Pioniertechniken wie der Frontprojektion. Eine grosse Leistung war die Konstruktion der Raumstation Discovery. Kubrick engagierte die Vickers Engineerig Group, die eine Zentrifuge mit 12 m Durchmesser baute. Eine grosse Trommel in ihrem Inneren sorgte mit ihrer Eigendrehung für eine künstliche Schwerkraft – das Set war mit Kameras ausgestattet und rotierte mit 5 km/h. Kontrastierend zur revolutionären Tricktechnik zeigten die Kulissen 1970er-Jahre-Design. 

Roger Vadim, «Barbarella» (1968)
Die psychedelische Ausstattung der Raumschiffe feiert das hippe Interiordesign der späten 60er-Jahre.

George Lucas, «THX 1138» (1971)
Die Menschheit des 25. Jahrhunderts wohnt unterirdisch in einem Labyrinth von Gängen und Räumen.

Michael Anderson, «Logan’s Run» (1976)
Die deutsche Übersetzung «Flucht ins 23. Jahrhundert» verdeutlicht den Handlungsort in einer entfernten Zukunft. Unter einer gigantischen Kuppel, die an Konstruktionen von Buckminster Fuller erinnert, leben die Einwohner abgeschlossen von der Aussenwelt in einer scheinbar glückseligen Gemeinschaft. In einer abenteuerlichen Flucht versuchen zwei «Läufer» die Freiheit zu finden. Dabei zeigt der Regisseur futuristische Bilder einer Stadt mit architektonischen Wunderwerken und Hochgeschwindigkeitsverkehrsmitteln in Plexiglasröhren. Die Inneneinrichtung erinnert an die Loungeatmosphäre aus den 1970er-Jahren.

Ridley Scott, «Alien» (1979)
Die langen Gänge und grossen Maschinenhallen des Raumschiffs bieten dem Alien gute Verstecke.

Ridley Scott, «Blade Runner» (1982)
Megastadt zwischen High-Tech-Riesenwohnpyramiden und stinkenden Gassenküchen. 

Steven Lisberger, «Tron» (1982)
Die Innenwelt eines Computers wird als Stadt dargestellt. Das Design stammt teilw. von Moebius. 

Enki Bilal, «Bunker Palace Hotel» (1989)
Die totalitäre Zukunft in zerfallendem Art déco. 

Terry Gilliam, «12 Monkeys» (1995)
Die Überlebenden einer Virus-Pandemie im Jahr 1996/97 leben im Jahr 2035 unter der Erde, hermetisch von der Aussenwelt abgeschlossen. Die Architektur besteht aus Röhren- und Gangsystemen und erzeugt Klaustrophobie. Ein diktatorisches Gremium schickt «Freiwillige» mit einer Zeitmaschine in die vorapokalyptische Zeit. Gilliam stellt die Zeit als ein unentrinnbares Gefängnis dar. Der Protagonist Cole entflieht zwar. Es gelingt ihm jedoch nicht, in der Prä-Desaster-Zeit zu leben. Die Zeit ist ein unveränderbares Kontinuum. 

Luc Besson, «The Fifth Element» (1997)
Architektur und Figuren scheinen von Filmen wie «Metropolis», aber vor allem Comics von Moebius (z.B. «Incal») und vermutlich Bilal («Sommeil du monstre») beeinflusst zu sein.

Mamoru Oshii, «Avalon» (2001)
Oshii zeichnet in tarkowskijähnlichen Bildern eine Welt, in der virtuelle Räume wichtiger werden als reale.

Maria Lidón, «Stranded: Náufragos» (2002)
Eine Expedition muss auf dem Mars notlanden und entdeckt uralte, städtische Strukturen.

Enki Bilal, «Immortel (Ad vitam)» (2004)
Verfilmung der Comictrilogie «Nikopol» mit inspirierender Verkehrsführung im New York von 2095. 

Mamoru Oshii, «Inosensu: Kokaku kidotai – Ghost in the Shell 2. Innocence» (2004)
In dieser Fortsetzung des genialen Anime «Kokaku kidotai – Ghost in the shell» (1995) werden, trotz weniger komplexer Handlung, die urbanen Landschaften im Japan von 2032 noch eindrücklicher inszeniert. 

Absurde Räume

Alfred Hitchcock, «Vertigo» (1958)
Höhenangst als räumliches Phänomen – und eine unübertroffene Treppenszene ...

Roy Andersson, «Sånger från andra våningen – Songs from the second floor» (2000)
Absurde Situationen in grossartigen Räumen oder Raumkonstellationen. Ein Werk, das 15 Jahre brauchte, um fertiggestellt zu werden. Würdiger Nachfolger: «Du levande – You, the living» (2007).

Guillem Morales, «El habitante incierto» (2004)
Ein Mann glaubt, einen unsichtbaren Mitbewohner zu haben. Nachforschend, wird er seinerseits zum «blinden Passagier» in einer fremden Wohnung. Zirkulationswege und tote Winkel werden geschickt genützt.

Schiffe / U-Boote

Richard Fleischer, «20 000 Leagues under the Sea» (1954)
Jules Vernes legendäre «Nautilus» ist eine Mischung aus moderner Maschine und Wasserwesen mit viktorianischer Inneneinrichtung.

Wolfgang Petersen, «Das Boot» (1981)
Vermutlich der beste U-Boot-Film. Die Klaustrophobie ist greifbar, der Gestank auch.

Federico Fellini, «E la nave va» (1983)
Theater- und Opernleute greifen auf hoher See Flüchtlinge auf und müssen sich das Deck nun teilen.

John McTiernan, «The hunt for Red Oktober» (1990)
Der kalte Krieg tobt in den engen Räumen des U-Boots.

Giuseppe Tornatore, «La leggenda del pianista sul oceano» (1998)
Ein Mann hat von Geburt an sein ganzes Leben auf einem Schiff verbracht, ohne es je zu verlassen. Dort wird er zum genialen Pianospieler.

Porträts

Ray & Charles Eames, «House: After Five Years Of Living» (1954)
Case Study House No 8 von und für Ray & Charles Eames fünf Jahre nach seiner Fertigstellung 1949.

Alain Tanner, «Une ville à Chandigarh» (1965)
Tanner thematisiert die Diskrepanz zwischen formal moderner Architektur und handwerklich archaischer Bauweise. Dennoch ist der Film eine Hommage an Le Corbusier.

Nathaniel Khan, «My Architect» (USA 2003)
Louis Kahn starb im März 1974 auf einer Toilette der Penn Station in New York. Er hinterliess eine Familie, einen Schuldenberg, einige der wichtigsten Bauten des 20. Jahrhunderts und zwei uneheliche Kinder. Eines von ihnen, Nathaniel, macht sich als Erwachsener auf Spurensuche. Gespräche mit Weggefährten, zeitgenössische Aufnahmen und der Besuch ausgewählter Bauten lassen das Charisma des körperlich unattraktiven Frauenhelden, seine Unfassbarkeit und sein Genie fühlbar werden. Gleichzeitig wirft der Sohn – als Laie – einen erfrischend neuen Blick auf das Werk – und entdeckt die innere Leere des abwesenden Vaters: eine feinfühlige Annäherung, wie sie kein architektonisch versierter Unbeteiligter zustande gebracht hätte.

Sidney Pollack, «Sketches of Frank Gehry» (2005)
Fünf Jahre hat der Regisseur Frank O. Gehry begleitet – kritisch, freundschaftlich und respektvoll.

Markus Heidingsfelder, Min Tesch, «Rem Koolhaas – A Kind of Architect» (2005)
Die intelligente, vielseitige und humorvoll-kritische Dokumentation umkreist das Werk von Rem Koolhaas – der als ehemaliger Journalist und Filmemacher («The White Slave», 1969) den Ansatz offensichtlich goutiert: «The only movie about me that I like.» 

Alain de Botton, «The architecture of happiness» (2006)
De Botton philosophiert über die Sprache der Architektur von Häusern und über deren Einfluss auf die Bewohner. Er regt die Zuschauer an, Vorstellungen über «schöne Architektur» zu hinterfragen und die Wahrnehmung dafür zu sensibilisieren. Mit einem englischen Ehepaar beispielsweise zeigt er, wie sehr Leute, die sich selber als modern bezeichnen, «nichtzeitgemässe» Häuser bevorzugen. Er besucht mit ihnen für sie kalt und industriell wirkende Wohngebiete und zeigt ihnen die offenen, grosszügigen Innenräume. Bei diesem Anblick distanziert sich das Paar von seinen Vorurteilen und wirkt empfänglich für Neues. De Botton: «We know how dangerous bad architecture is and we know how often it’s going wrong». 

Heinz Emigholz, «Maillarts Brücken» (2007)
In statisch wirkenden Bildern zeigt der Film in chronologischer Folge 14 Hauptwerke des Meisters, beginnend mit den ersten Pilzdecken im Lagerhaus an der Giesshübelstrasse in Zürich von 1910 bis zu den umstrittenen X-förmigen Scheibenstützen der Brücke über die Arve in Vessey bei Genf von 1935. Fachkundige Erläuterungen fehlen, ebenso technische Eckwerte oder Bilder von Plänen und Skizzen Maillarts. Es bleibt bei der Bewunderung der Ästhetik der Bauten – was die Handschrift des durch seine Architektenporträts be-kannten Emigholz – «Loos Ornamental» (2006–2007), «Schindlers Häuser» (2006–2007), «Sullivans Banken», «Goff in der Wüste» (2002/03) – erkennen lässt. Statische und konstruktive Informationen vermitteln die Interviews im Bonusmaterial, in denen die Ingenieure David P. Billington, Jörg Schlaich und Christian Menn die Bauwerke auch kritisch kommentieren. Die Aufnahmen wurden im April 1996 gedreht und zeigen die Brücken in teilweise sanierungsbedürftigem Zustand, noch bevor einige davon instandgesetzt wurden.

Christoph Schaub, «Bird’s Nest» (2008)
Der Bau des Nationalstadions in Peking von Herzog & de Meuron: Mit unverhohlener Parteilichkeit begleitet das Filmteam die Architekten auf ihrem Weg durch den interkulturellen Dschungel. Ausgeklammert bleibt, inwiefern die Strategie der Parteifunktionäre, die Architekten über Entscheidungsstrukturen im Unklaren zu lassen, in der chinesischen Kommunikationskultur zu suchen ist oder in einer von Diktaturen geliebten Praxis der Verunsicherung. Fragen zur Rolle der Baukunst in totalitären Regimes werden von den Entwerfern mit selbstgefälligem Kulturrelativismus abgetan – im Gegensatz zur mutigen Stimme chinesischer Intellektueller, die ebenfalls zu Wort kommen und die westliche Architektur in China kritisieren. 

Erich Schmid, «Bill – das absolute Augenmass» (2008)
Der Film, der im August ins Kino kommt, verortet Bills Œuvre in den Wechselfällen seiner Biographie. Schmid kündigt an: «Es geht durch und durch um das Spannungsfeld zwischen Kunst, Ästhetik und Politik.»

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