«Et­was ver­wir­rend»

Leserbrief

Im Artikel über den Oroville-Damm in TEC21 17/2017 hat sich zu unserem grossen Bedauern eine Begriffsverwechslung eingeschlichen. Ein aufmerksamer Leser hat uns darauf hingewiesen – gern publizieren wir seine Ausführungen.

Publikationsdatum
30-06-2017
Revision
01-07-2017
Frank Blaser
Dipl. Ing. ETH/SIA, FMH für Ophthatmologie, Spez. Ophthalmochirurgie, FEBO

Herzlichen Dank für den sehr lesenswerten Artikel «Nach der Dürre kommt die Flut» in TEC21 17/2017. Gern möchte ich auf eine begriffliche Verwechslung im Artikel hinweisen, der die Lesbarkeit des Textes leider etwas erschwert. Unter dem Absatz «Fehlerhafte Konstruktion» werden der Ablauf des Hochwassers und seine Folgen am Staudamm geschildert. Dabei werden zwei Begriffe verwechselt, was den Text passagenweise wenig verständlich macht.

Allgemeine Definitionen

  • Die Hochwasserentlastung (main spillway) ist mittels Schützen aktiv regulierbar, in Anschluss an die Schützen besteht eine Beton-Schussrinne.
  • Die Hochwasser-Notentlastung (emergency spillway) ist nicht regulierbar, der dazu befestigte Dammkronenbereich wird beim Anstieg des Seespiegels unkon­trolliert passiv überflutet, das Gelände unterhalb ist nicht oder nur partiell befestigt, Erosion und Schäden werden in Kauf ­genommen. Dieser Bereich wird wenn möglich auf felsigem Untergrund und fern vom – erodier­baren und deswegen zu schützenden – Staudamm geplant. Die Hochwasser-Notentlastung funktioniert passiv, technikunabhängig und kommt nur in Betrieb, wenn die aktiven technischen Systeme ­versagen (beim Oroville-Damm war es die wahrscheinlich durch Kavitation beschädigte Schussrinne).

Falsch verwendete Begriffe

Im Artikel steht: «Um die Über­flutung des Sees zu verhindern ­und das Loch nicht zu vergrössern, wurde am 11. Februar die Hoch­wasser-Not­entlastung mit Schussrinne geöffnet – zum ersten Mal überhaupt seit der Erbauung vor 50 Jahren.» Kommentar: Im Gegenteil, die schadhafte Schussrinne wurde geschlossen, um sie inspi­zieren zu können, nachdem sich ­ seit dem 7. Februar ein zunehmender Schaden abzeichnete. Die Entlastung über die Schussrinne ist die erste Massnahme bei einem Hochwasser.

Die Schussrinne wurde entgegen dem Text auch nicht das erste Mal in Betrieb genommen, sondern war bereits mehrere Male bei Hochwasser im Betrieb, allerdings mit geringerem Abfluss. Es ist daher nicht so, dass – wie der Text suggeriert – die Schussrinne beim ersten Betrieb bereits versagt hätte.

Das Schliessen der Schussrinne der Hochwasserentlastung führte zu einem weiteren Anstieg des Seespiegels, sodass am 11. Februar 2017 die Hochwasser-Notentlastung – die keine Schussrinne hat, sondern über unbefestigtes Gelände erfolgt – erstmals seit dem Bau des Damms nach 50 Jahren in Betrieb kam. Die Notentlastung wird passiv überflutet und nicht aktiv geöffnet.

Dass es beim Betrieb der Hochwasser-Notentlastung zu Erosionen und Schäden kommt, wird bewusst in Kauf genommen, handelt es sich doch um eine zweite Sicherungsmassnahme im Sinn einer ­Ultima Ratio. Um diesen Erosionsprozess in Grenzen halten zu können, musste die Hochwasserentlastung über die Schussrinne später wieder in Betrieb genommen werden, was zu ihrer nahezu vollständigen Zerstörung führte.

In der Bildlegende wird aufgrund der Begriffsverwechslung die Hochwasserentlastung mit Schussrinne fälschlicherweise als Hochwasser-Notentlastung beschriftet. Dabei handelt es sich um die reguläre Hochwasserentlastung, die Hochwasser-Notentlastung befindet sich im Bild links davon und ist als passiver Überlauf ausgebildet.

Im erwähnten Artikel «What Happened at the Oroville Dam» in der New York Times sind die Begriffe korrekt verwendet.

Nochmals danke für den an sich sehr guten Beitrag. Leider ist ein Absatz darin durch die erwähnte Begriffsverwechslung etwas ­verwirrend.
 

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